Neukölln - Spätestens als gestern Pflastersteine über den Zaun der Rütli-Oberschule flogen, war jedem Besucher klar: Hier haben Kinder die Macht übernommen. Erwachsene haben nichts mehr zu melden. Der Hilferuf der Lehrer löste ein Beben aus.
In einem Brief hatten sie indirekt darum gebeten, ihre Schule aufzulösen und alle 226 Schüler auf andere Schulen zu verteilen (KURIER berichtete, Auszüge links). "Alles Quatsch, das machen die doch eh nicht. Die Lehrer haben doch alle Schiss", sagte Toni (15) gestern dem KURIER.
Tatsächlich verschanzten sich die Pädagogen gestern in ihrem Lehrerzimmer. Nachdem einige Schüler in Kapuzen-Pullis wartende Journalisten mit Steinen bewarfen, öffnete ein Lehrer kurz das Fenster. "Sie sehen doch, was hier los ist", und sperrte schnell wieder zu.
Vor der Schulpforte: Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und sein Schulstadtrat Wolfgang Schimmang, beide von der SPD und beide hilflos.
Während hinter ihnen das nackte Chaos herrschte, redete der Bürgermeister vom Versagen der "68er Generation". Und dass man ja drei Sozialarbeiter in die Schule schicken wolle.
Schuldstadtrat Schimmang forderte mehr Geld vom Bund, Ganztagsschulen und schob die Schuld auf die Eltern. "40 Prozent kommen aus dem arabischen Raum, aus Kriegsgebieten. Deren Kinder haben nie gelernt, mit Frustration umzugehen", erklärte er.
Genau davon konnte sich gestern Jeder überzeugen. Doch für kluge Politikerworte ist es jetzt zu spät. Gestern brach Berlins Schulkatastrophe offen aus.
Es herrscht Anarchie, und Neuköllns Schulstadtrat fiel nicht viel mehr ein als zu sagen: "An der Rütli-Oberschule ist nichts Besonders. Das ist im ganzen Norden Neuköllns so." Bitter: Der Mann hat wahrscheinlich Recht.
Die Rütli-Schule hat nur 224 Schüler, davon über 80 Prozent Ausländer. Sie ist mit 31 Lehrern relativ gut ausgestattet, problematisch ist der hohe Anteil von Arabern, die Türken und Deutschen unterdrücken. "Die Deutschen kriechen uns in den Arsch, laden uns ein und so, damit sie nicht auf die Fresse kriegen", sagte Araber Toni (17).
Vier Mädchen aus einer 7. Klasse sagten dem KURIER, dass sie am heutigen Freitag erst um 12 Uhr in der Schule sein sollen. Nur zwei von sechs Unterrichtsstunden finden statt. "Weil die Lehrer krank sind". Auch Ausflüge sind selten, "Weil die Jungs bei uns immer so viel Stress machen".
Ein paar Meter zogen ein paar 11 bis 16-Jährige Typen ihre Show ab, posierten für Kameras, beschimpften Erwachsene aufs übelste Warum auch nicht? Hier haben nur sie das Sagen und jeder soll es wissen.
Quelle: Berliner Kurier