Als selbständiger Einzelhändler möchte ich hier mal den Versuch einer qualifizierten Antwort wagen:
Ja, gelegentlich sind Produkte ausverkauft. Auch in meinem Laden. Das kann die verschiedensten Ursachen haben. Ist im Grunde ein komplexes Feld. Da ich nicht für Aldi tätig bin, liegt das bei uns ganz sicher nicht daran, dass von Werbeartikeln einfach nur ein Bruchteil dessen vorgehalten wird, was man verkaufen könnte. Ist bei Aldi und auch bei anderen (in anderen Branchen) ja gelebte Praxis, dass von dem beworbenen PC halt nur drei Stück pro Filiale vorrätig sind.
Bei uns ist der gelegentliche Mangel an Angebotsware eher darin begründet, dass Du als Händler die Mengen nicht mehr so leicht kalkulieren kannst wie früher. Vor zehn oder fünfzehn Jahren hast Du von der Rama mal schnell ein, zwei Europaletten abverkauft, wenn die beworben wurde. Weil sie selten im Sonderangebot war, und weil der Wettbewerb noch nicht so groß war. Heutzutage gehst Du nächste Woche zu Rewe, wenn Du bei Edeka diese Woche keine Rama abgekriegt hast. Weil die sie halt dann im Angebot haben. Und übernächste Woche Real. Und danach wieder ein anderer. Das drückt die Abverkaufsmenge während der Werbung auf gerade mal ein paar Kartons. Und dadurch fällt dann auch DIESER EINE Kunde mehr ins Gewicht, der mal eben zwanzig Becher mitnimmt. War früher kein Problem, wenn da zwei Europaletten standen. Heutzutage kauft Dir dieser Eine vielleicht Deinen geplanten Wochenbedarf weg.
Gelegentlich kommt es zu Rückrufaktionen. Davon bekommt der Verbraucher meist nicht viel mit, weil Ware aus den kuriosesten Gründen zurückgerufen wird. Bei der Deklaration wurde eine Zutat vergessen, oder es ist der falsche EAN-Code aufgedruckt. Auch das kann zu Regallücken führen. Ist zwar kein Everyday-Vorgang, aber kommt doch öfter vor als man vermuten würde.
Dann kommen, bei frischer Ware wie Obst, Gemüse, Fleisch und Wurst tatsächlich saisonale Schwankungen, die Unwetterproblematik oder Qualitätsprobleme ins Spiel. Heutzutage benötigt jeder Lieferant für jeden einzelnen Apfel gefühlte drei Zertifikate, die Qualitätskontrollen sind schärfer denn je, und wenn z.B. bei unserer Großhandlung eine Charge reinkommt, die die Vorgaben nicht erfüllt, dann wird mal eben eine komplette Lieferung zurückgewiesen. Thema Unwetter: Der Produzentenmarkt ist globalisiert. Das heißt, beispielsweise, für Vanille gibt es eine Handvoll Erzeuger, die auf riesigen konzentrierten Anbauflächen teilweise den globalen Bedarf erzeugen. Wenn einer von diesen Produzenten die Grätsche macht oder mal eben ein Unwetter über die Insel fegt und die gesamte Ernte vernichtet, dann ist der Weltmarkt leer (wie tatsächlich aktuell bei Vanille der Fall). Wir haben mehrere Eierlieferanten. Wenn mal wieder die Geflügelpest durchs Land geht, dann wird es bei diesen Lieferanten ganz schnell ganz eng mit Eiern, weil die Hühner dann ausgestallt werden und der Eierverkauf entweder komplett untersagt ist oder die Tiere bei den veränderten Haltungsbedingungen weniger Eier legen. Oder weil auch mal nicht mehr so viele Hühner zum Eierlegen zur Verfügung stehen, wenn nach einem Verdachtsfall ein kompletter Produktionsbetrieb sämtliche Tiere töten lassen muss.
Das Problem ist also sicherlich nicht, dass der Handel nichts verkaufen möchte. Im Gegenteil: Als Unternehmer, der in die eigene Tasche wirtschaftet, gibt es für mich nichts Schöneres als wenn die Kasse klingelt. Allerdings ist es bei inzwischen mehr als 15.000 verschiedenen Produkten bei einem durchschnittlich sortierten Vollsortimenter nun mal nicht immer so einfach, jeden einzelnen Artikel zu jeder Zeit im Auge zu haben, damit der Verbraucher bei 35 Sorten Milch auch am Samstagabend noch exakt die eine Sorte kaufen kann, die er präferiert.