Liebe Elke,
Selbstvergackeierung als oberstes Ziel?
Deine Einwürfe klingen auf den ersten Blick logisch und nachvollziehbar. Dumm ist nur, wenn sie jemand ließt, der, wie ich, schon aus beruflichen Gründen häufiger mit vergleichbaren Aussagen konfrontiert wird. Denn Fakt ist: Deine Vorbehalte aus angeblich eigenem Erleben (als Frau allein unterwegs, oder mit "dunkelhäutigen Freunden") sind lediglich Fortentwicklungen bekannter Stereotypen. Hast Du eine Vorstellung davon, wie oft ich diese (Schein-)Argumente schon ertragen musste, meist genau in dieser Kombination? Dabei ist beinahe immer nachweisbar, dass es sich lediglich um kolportierte Berichte handelt. Das Vorhandensein unterschiedlichster Wertungen in Deinem Beitrag, von der Ablehnung der Pauschalisierung bis zur Projizierung angeblicher Einzelerlebnisse auf das gesamte Gebiet, macht Deine Beispiele nicht gerade glaubwürdiger.
Sicher, auch an den genannten Orten kann Dir etwas zustoßen. Die Wahrscheinlichkeit ist - sofern man die entsprechenden Statistiken zu Grunde legt - dort aber sogar geringer, als an einigen anderen Orten der Stadt!
Wie soll man das Argument, "als Frau alleine unterwegs" interpretieren? Soll das bedeuten, die geringfügige absolute Mehrheit aller Bewohner dieser Bezirke (Frauen!) sind entweder a) depressive Mütterchen, die sich nicht allein auf die Straße trauen, b) unsensible 60-Zentner-Bäuerinnen mit exorbitanten Oberarmen oder c) sadomasochistisch veranlagte Nymphomaninnen? Das ist genau das, was Deine Aussage im Umkehrschluss ergibt!
Der Verweis auf die "dunkelhäutigen Freunde" ist genau so unhaltbar. Der Anteil der dort wohnenden Fremden ist sehr gering (in der DDR war er es eh, heute verhindern die dümmlichen Klischees entsprechende Assimilierungen). Allenfalls ein paar Blöcke, die vorrangig von Vietnamesen bewohnt sind, trifft man dort an. Willst du uns also ernsthaft Glauben machen, der (kaum vorhandene) gefährliche "rechte Mob" sitze in Marzahn den ganzen Tag lang auf der Parkbank und wartet nur darauf, einen "Dunkelhäutigen" jagen zu können? Das wäre bei der geringen Trefferquote doch arg ineffizient, oder? Also, mal angenommen, wenn ich ein Glatzkopf wär, der Ausländer verprügeln will, dann würde ich doch eher dort hin fahren, wo ich sie auch antreffe. Der dort häufig anzutreffende türkische Gemüsehändler hat interessanterweise keine Probleme mit den Anwohnern, jedenfalls nicht mehr als anderswo auch. Aber der fährt dort zum Geld verdienen hin und urteilt folglich eher rational.
Überhaupt sind, wie schon in meinem vorigen Beitrag an Hand von verfizierbaren Fakten belegt, die vermuteten Strömungen dort weder sozial, noch politisch determiniert!
Du musst natürlich nach wie vor für Dich entscheiden, welches Umfeld Dir behagt, und welches nicht. Versuche jedoch nicht, über Plattheiten Deine Positionen zu unterstreichen! Aber Deine Urteilskraft scheint eh nicht sonderlich ausgeprägt, wenn Du im zeitgeistigen Mainstream-Geschwafel Dich bei denen hinten an stellst, die den Friedrichshain aktuell für eine hippe Adresse halten. Ich wohne selbst dort und kann Dir somit einigermaßen glaubhaft versichern, dass es gerade hier die von Dir zitierten "Ecken" gibt, die "ein Ortsfremder besser meiden sollte". Im Übrigen ist gerade hier der dazu gehörige gesellschaftliche "Bodensatz" sehr wohl politisch wie sozial determiniert! Wohnst Du im Friedrichshain? Oder kennst Du nur die einschlägigen Ecken im 100-Meter-Kreis um die bekannten Kneipenareale? Bersarinplatz, nördliche Gubener Straße, Ostbahnhof (...) alles Gegenden, die eine Negativ-Aura sowie teils ein tatsächliches Gefährdungspotential besitzen, nach der/dem Du in den genannten drei Trabanten-Bezirken schon lange suchen müsstest!
Und auch andere Bezirke haben ihre schäbigen Seiten. Selbst das feine Charlottenburg hält sich nächtliche No-Go-Areas, z. B. den Stuttgarter Platz, oder bestimmte Bereiche von Lietzenburger- oder Kantstraße. Dort werden garantiert auch mehr Messer anbei getragen, als es in Hellersdorf Baseballschläger gibt. Aber daran kann man sich wohl gewöhnen?!
Gute Nacht
Scott