Zitat
Da die Naturheilkunde eh von der Schulmedizin runter gemacht wird, glaube ich mal wird kaum einen Artikel in einer Fachzeitschrift finden.
Sorry für ein bisschen OT, aber das möchte ich gerne präzisieren:
Die Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien können nur sinnvoll durch doppelblinde Studien mit Kontrollgruppendesign erhoben werden. Auf deutsch heißt das (grob umrissen, in der Realität muss man noch einiges mehr beachten):
- Es gibt mehrere Patienten-Gruppen: Die erste Gruppe kriegt das Medikament; die zweite bekommt ein Placebo (also etwas, das genauso aussieht wie das Medikament und bei Tabletten/Tropfen auch genauso schmeckt & riecht); optimalerweise gibt es eine dritte Gruppe, die gar nichts bekommt (das sind normalerweise Leute auf der Warteliste), aber die klammern wir hier mal aus.
- Weder der verarbreichende Arzt, noch der Patient (bzw. Studien-Teilnehmer) weiß, ob er das Medikament oder das Placebo bekommt.
- Es wird kontinuierlich der Zustand des Patienten gemessen: Vor der ersten Verabreichung, währenddessen, zum Abschluss, und nach einiger Zeit ohne Medikament. Dann wird geschaut, ob der Verlauf der Krankheit beim Medikament besser ist als beim Placebo. Nur wenn das der Fall ist - und zwar sowohl mit statistischer Signifikanz als auch mit einem bedeutsamen Effekt - sollte man annehmen, dass das Medikament überhaupt eine Wirkung hat.
Auch den Begriff "statistische Signifikanz" möchte ich noch einmal kurz erläutern, weil er in meiner Argumentation gleich noch wichtig wird: Wenn zwei Gruppen sich "statisch signifikant" unterscheiden, dann bedeutet das, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Unterschied zwischen den Gruppen Zufall ist. (Beispiel: 10000 Glühbirnen der Marke A brennen im Schnitt 5000 Stunden, 10000 Glühbirnen der Marke B 5005 Stunden. Mithilfe der Brenndauer jeder einzelnen Birne - also der Angabe, wie stark die Brenndauer jeder Marke streut -, kann man z.B. errechnen: Die Birnen der Marke B brennen statistisch signifikant länger.)
Es gibt verschiedene "Level" von Signifikanz. Üblicherweise nimmt man einen p-Wert von 0,05. Das heißt bei einem signifikanten Ergebnis einfach nur: "Die Wahrscheinlichkeit, dass der gefundene Unterschied doch Zufall ist, beträgt 5%." (Dass man gerade 5% als üblichen Wert nimmt, hat keinen bestimmten Grund. Es hat sich einfach so eingebürgert.) Man kann aber auch ein signifikantes Ergebnis auf 0,01 oder gar 0,001-Niveau errechnen. Wenn ein Unterschied auf 0,001-Niveau signifikant ist, kann man sich schon ziemlich sicher sein, dass er kein Zufall ist (die Wahrscheinlichkeit, dass man sich da irrt, beträgt 1:1000). Die Signifikanz sagt nichts über die Bedeutung dieses Unterschieds aus! Wenn die Glühbirnen der Marke B im Schnitt nur 5 Stunden länger brennen (0,1% länger) aber doppelt so teuer sind wie die von Marke A, lohnt sich der Kauf nun wirklich nicht. Um die Bedeutung eines Unterschieds festzustellen, braucht man sogenannte Effektstärken - und seinen gesunden Menschenverstand (eine um 0,1% höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer meist tötlichen Krankheit wäre eine echte Verbesserung!).
Worauf ich hinaus will, ist aber etwas anderes: Wenn man 20 Vergleichs-Tests mit einem Signifikanzniveau von 0,05 macht, hat man "durchschnittlich" einen falsch positiven, bei dem das Ergebnis signifikant ist, obwohl es in Wirklichkeit keinen Unterschied gibt. Um das zu veranschaulichen: Man nehme 1.000.000 Glühbirnen der Marke A. Alle sind am selben Tag hergestellt, mit denselben Materialien, mit denselben Maschinen usw. Trotzdem brennen sie durch Fertigungstoleranzen nicht alle exakt gleich lang. Wenn man jetzt 200 Mal je 2x100 dieser 1.000.000 Glühbirnen zufällig aussucht und schaut, wie lange sie brennen, dann wird man wahrscheinlich 10x herausfinden, dass die eine Gruppe statistisch signifikant länger brennt als die andere - weil zufällig eine der Gruppen besonders viele minimal unterdurchschnittliche Glühbirnen drin hatte.
Laaaaange Vorrede zum Verständnis, kurze Argumentationskette:
- Man kann die Wirksamkeit eines Medikaments ausschließlich mit doppelblinden, kontrollierten Studien erheben. (Sonst misst man das Können des Arztes, den natürlichen Verlauf einer Krankheit oder irgendwas ganz anderes.) Diese Form der Erhebung ist außerdem fair -- wenn ein Medikament wirkt, dann kommt das auch sicher raus!
- Bei fast keiner jemals durchgeführten doppelblinden, kontrollierten Studie kam heraus, dass ein homöopathisches Mittel eine Wirkung hat (=statistisch signifikant besser gewirkt hat als ein Placebo). Vor allem Hersteller von homöopathischen Mitteln machen solche Studien nicht, obwohl das ihre Chance wäre ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. (Für "echte" Medikamente sind solche Studien Pflicht um zugelassen zu werden.)
- Es gibt ganz wenige qualitativ hochwertige Studien, bei denen das anders war. Dort findet man dann meist einen geradeso eben signifikanten Unterschied -- der wahrscheinlich Zufall ist, s.o.
- Es gibt keinen irgendwie einsehbaren Grund (keinen chemischen, physischen, medizinischen - wirklich keinen (mir bekannten), der auf irgendeiner Naturwissenschaft beruht!), der das Prinzip der Homöopathie (ganz viel potenzieren, also ganz viel verdünnen) stützt. Es gibt keine sinnvolle Erklärung, warum dabei irgendeine Wirksamkeit herauskommen sollte.
Lange Nachrede:
Und trotzdem helfen homöopathische Mittel vielen Menschen sehr viel besser als Nichts-Tun!
Auch dafür gibt es sinnvolle Gründe. Die stärksten sind höchstwahrscheinlich (untersuchen lässt sich das leider nur sehr schwer):
- Glaube. Glaube versetzt Berge, und die Selbstheilungskräfte eines Menschen können enorm sein.
- Beschäftigung mit dem Patienten durch den Arzt. Viele Schulmediziner behandeln Patienten am Fließband. Dass der Behandlungserfolg umso größer ist, je intensiver man sich mit einem Patienten beschäftigt (ob es ein Gespräch über die Krankheit ist oder ein Plausch übers Wetter ist dabei völlig egal), weiß man schon seit Jahrzehnten mit Sicherheit - und seit Jahrtausenden weiß es der gesunde Menschenverstand.
- Weniger Schonung: Viele Krankheiten (Rückenschmerzen, Asthma, Depressionen,...) verschlimmern sich durchs Nichtstun und werden oft gelindert durch ein aktives Leben (leichter Sport z.B. wirkt bei allen dreien oft Wunder). Die Leiden selbst bewirken aber oft ein schlechtes Schonverhalten wg. anfänglicher Schmerzen/Beschwerden -- wenn man glaubt, dass ein eingenommenes Mittel diese Beschwerden lindert oder verhindert, schont man sich weniger, und die Aktivität bekämpft das Leiden ursächlich.
Fazit:
wem die Homöopathie (und ähnliche nicht-schulwissenschaftliche Verfahren) nicht völlig widerstrebt, der soll sie ruhig einmal ausprobieren. Wenn man ein paar Regeln beachtet, spricht eigentlich nichts dagegen:
- Nicht zuviel Geld dafür ausgeben! Wenn es von der Krankenkasse nicht bezahlt wird, ist es das hohe Risiko des Misserfolgs nur selten wert tausende Euro auszugeben!
- In homöopathischen Mitteln ist meist nichts als Laktose oder auch mal Alkohol oder Vitamine. Wenn man also kein Alkoholiker ist und keine Laktoseunverträglichkeit hat, kann man sich damit nicht schaden. Das ist bei vielen ursächlich wirksamen Arzneien bekanntlich anders (wo eine Wirkung ist, da ist auch eine Gefahr von Nebenwirkungen).
Beste Grüße,
Martin - ebenfalls Allergiker, und wie wahrscheinlich unschwer zu erkennen ist, Naturwissenschaftler.