So, ich hab noch mal den politikwissenschaftlichen Professor kontaktiert.
Er teilte mir mit, dass nach bei weitem vorherrschender Völkerrechtsmeinung die Feindstaatenklausel überholt ist.
Er nennt 3 Gründe:
1. Der Artikel 53 (1) sei belanglos, da es keine regionalen Organisationen zur Abwehr der neofaschistischen Aggression gibt. Der Brüsseler Pakt war am ehesten ein solches Bündnis, jedoch wurde mit dem Beitritt der BRD zur WEU 1955 der Brüsseler Pakt in die WEU integriert (mit Streichung antideutscher Bestimmungen).
2. Gewaltanwendung war nur den 4 Siegermächten vorbehalten (nach Art. 53 und 107), was allerdings spätestens seit 1990 durch den 2+4-Vertrag mit der Aufgabe aller Vorbehalte 'verwirkt' wurde. Nach seiner Aussage gibt es seither keine Siegermächte mehr, womit die Klausel spätestens seit 1990 inhaltlich und formal veraltet (und damit nicht mehr anwendbar) sei.
3. Völkerrechtspraktisch sei die Klausel aber wohl schon länger obsolet. Bereits seit der Teilwiederherstellung deutscher Souveränität 1955 mit Eintritt in NATO/WEU bzw. WPO ist die Anwendbarkeit der Klausel anscheinend nicht mehr unumstritten, wobei nach seiner Aussage v.a. der Beitritt der BRD und der DDR zur UNO 1973 für die Wirksamkeit der Klausel von einschneidender Bedeutung ist: Die Aufnahme in die UNO bedeute die Reintegration in den Kreis der Völkergemeinschaft als gleichwertiges Mitglied. Einschränkend erwähnt er die alliierten Vorbehalte gegenüber Deutschland als Ganzes, was allerdings v.a. die Grenzen eines wiedervereinigten Deutschlands betrifft.
Daher ist nach seiner Auffassung seit 1973 nur mit Zustimmung des Sicherheitsrats Gewalteinsatz gegen Deutschland möglich. Spätestens seit 1990 sei dies eindeutig.
Völkerrechtspraktisch und politisch sei die Klausel bereits seit Mitte der 50er Jahre überholt.