Handelsblatt von morgen zur Versteigerung bzw. Nichtversteigerung. Sorry für die „Formatierung“.
„Das jüngste Votum der Bundesnetzagentur, die Auktion für die 2025 auslaufenden 800er-Frequenzen abzusagen und die Lizenzen um fünf Jahre zu verlängern, trägt allein den Bedürfnissen der drei etablierten Netzbetreiber Telekom, Telefónica und Vodafone Rechnung – obwohl mit 1&1 ein möglicher vierter Anbieter Interesse zeigt und schon entsprechend investiert. Der Wettbewerb wird darunter leiden. Denn bei vier Anbietern dürften Preise und Leistung für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft attraktiver sein als bei nur dreien. Und dem Staat entgehen höhere Einnahmen, die bei einer Auktion angefallen wären.
Gegen die Auktion führen die Netzbetreiber ein technisches Argument an: Das Spektrum der 800er-Frequenzen sei nicht ausreichend für vier Betreiber. Eine spürbare Beeinträchtigung der Versorgungsqualität werde die Folge sein, wenn vier Bieter bei der Auktion zum Zuge kämen. Richtig ist, dass die Funksignale dieser Low-Band-Frequenzen besser durch Mauern dringen und weiter reichen als die anderer Frequenzbänder – und darum weniger Masten nötig sind. Deshalb eignen sie sich bestens für die bislang unterversorgten Gebiete.
Damit haben sie für die bestehenden Betreiber und auch 1&1 eine hohe Wertigkeit – was prinzipiell für die Versteigerung dieser Frequenzen spricht und dagegen, die Oligopolisten mit einem niedrigen Preis zu subventionieren.
Sollten wirklich technische Gründe für die Verteilung auf nur drei Betreiber sprechen, woran das Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme mit Blick auf das europäische Ausland zweifelt, spricht das nicht gegen eine erneute Auktion. Vielmehr dürfte diese den Wettbewerbsdruck erhöhen, sodass Mehreinnahmen für den Staat wahrscheinlich sind. Zudem war ja klar, dass die zeitliche Nutzung dieser Frequenzen begrenzt ist, als sie erstmals versteigert wurden. Das dürften die Betreiber auch entsprechend in ihre Kalkulation eingepreist haben.
An dieser Stelle wird häufig prinzipiell gegen Auktionen mit dem „Fluch des Gewinners“ argumentiert. Damit ist gemeint, dass der Meistbietende in einer Versteigerung bei unvollständiger Information zu optimistisch und deshalb bereit ist, einen zu hohen Preis zu bezahlen. Als Beleg dafür gilt die erste Auktion im Jahr 2000 mit einem Versteigerungserlös von 51 Milliarden Euro. Dadurch hätten sich die Netzbetreiber finanziell so verausgabt, dass sie nicht genügend in den Ausbau der Infrastruktur auf dem Lande investieren konnten, heißt es auch in Teilen der Politik.
Der Fehler lag in einer falschen Formulierung der Ausbaupflicht durch die Netzagentur: Die Netzbetreiber sollten bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte abdecken. Das haben sie erreicht. Bezogen auf die Fläche ergibt das jedoch einen Ausbau von nur 80 bis 90 Prozent – und damit viele Funklöcher. Dieser Fehler lässt sich durch klare Flächenvorgaben vermeiden. Auch dass sich die Netzbetreiber finanziell verausgabt hätten, lässt sich mit einem Blick auf deren Finanzberichte nicht belegen. Die Deutsche Telekom beispielsweise hat ihren Aktionären in allen Jahren seit dem Jahr 2000 mit Ausnahme von zwei Jahren eine ordentliche Dividende gezahlt. Die folgenden Versteigerungen ergaben zudem nur moderate Auktionserlöse, teilweise sogar erheblich unter den Erwartungen.
Fraglich ist, ob die Bundesnetzagentur wirklich Erfolg hat, wenn sie die Frequenzverlängerung an die Bedingung knüpft, den Breitbandausbau zu beschleunigen, um die Funklöcher zu beseitigen. Bei einer Neuvergabe der Frequenzen hätte die Bundesnetzagentur jedenfalls eine stärkere Position gegenüber den Netzbetreibern. Der intensivere Wettbewerb würde Druck auf die Netzbetreiber ausüben, sodass die Bundesnetzagentur ihre Vergabebedingungen leichter durchsetzen könnte. Denn während die drei großen Netzbetreiber eher an möglichst geringen neuen Investitionskosten interessiert sind, wäre beispielsweise der Marktneuling 1&1 stärker am Ausbau des Netzes interessiert.
Es besteht wissenschaftlich kein Zweifel, dass Auktionen das beste Instrument sind, um Lizenzen für öffentliche Güter, seien es Frequenzbänder oder Off-Shore-Windparks, an diejenigen zu versteigern, die daraus den bestmöglichen Nutzen schaffen können. In allen marktwirtschaftlich orientierten Ländern sind Auktionen heute der Standard bei der Mobilfunkfrequenz-Vergabe, nachdem sie 1996 erstmals in den USA eingesetzt wurden. Bis dahin wurde anhand von Kriterienkatalogen in Form eines „Schönheitswettbewerbs“ oder sogar per Los entschieden.
Es ist schade, dass sich die Bundesnetzagentur mit der Lizenzverlängerung der von Netzbetreibern und Politikern geschürten wettbewerbsfeindlichen Stimmung gegen Auktionen nicht entgegenstellt. Sollte dies ein Präjudiz sein für zukünftige Frequenzvergaben, würde dies den Wettbewerb in Deutschland dauerhaft schwächen.“