Re: Anrecht auf schriftliche Auswertung nach Test für Verwaltungsdienst ?
ZitatOriginal geschrieben von kingpin166
Nun gut das heißt nicht bestanden, aber ich fand es schon sehr merkwürdig, dass nicht einmal eine Punktezahl oder ähnliches dabei stand. Die Art und Weise wie bewertet wurde ist auch nicht ersichtlich. Drum habe ich mal nachgefragt wie es denn um eine Testauswertung steht. Ich wurde dann an eine Firma verwiesen die auf Anfrage und Kosten i.H.v 20 € eine telefonische Auswertung anbietet.
Mal ganz abgesehen von dem rechtlichen Kram, der da noch mit dranhängt...
Zunächst mal ist die Bewerberauswahl ja eine eignungsdiagnostische Fragestellung, keine juristische. Letztere versuchen dann nur, das, was sie von der Eignungsdiagnostik verstanden haben bzw. glauben verstanden zu haben in verquer formuliertes Paragraphen"deutsch" zu pressen - mit zweifelhaftem Erfolg, wie man beim AGG ja sieht...
Wie auch immer: Um AGG-konform bei der Auswahl zu sein, ist es natürlich sinnvoll ein standardisiertes Verfahren zur Bewerberauswahl einzusetzen, damit alle die identischen Chancen haben. Dabei gibt es drei wichtige Kriterien zu erfüllen:
1. Objektivität: für alle Bewerber müssen die Auswahlbedingungen identisch sein, also bei so einem schriftlichen Test z.B. Bearbeitungszeiten, Einsatz von Hilfsmitteln usw. Und auch bei der Auswertung müssen identische Bedingungen herrschen, es darf nicht mal so und mal so ausgewertet / bewertet werden. Das ist natürlich ganz leicht bei Fragen, wo es eine eindeutige Antwort gibt ala "Wer ist 01/2010 der amtierende Ministerpräsident von Hessen?". Bei Fragen mit Interpretationsspielraum müssen klare Bewertungsmaßstäbe hinterlegt sein.
2. Reliabilität: Wie genau misst mein Test, egal was er misst?
3. Validität: Wie valide oder wie gültig ist meine Messung? Was ich ja bewirken möchte ist eine Vorhersage von der Leistung im Test auf die spätere Leistung in der Ausbildung / im Job. Sprich: wer im Test tendenziell schlechter / besser abschneidet wird auch hinterher im Job schlechter / besser beurteilt, also ein erkennbarer Zusammenhang. Berechnet wird das über eine Korrelation.
Der Haken bei der Sache ist jetzt, dass wenn sich ein Bewerbungsverfahren aus mehreren Bausteinen zusammen setzt ich ja in einer mathematischen Formel alle Einzelergebnisse gewichtet zu einem Gesamtergebnis zusammenbringen muss. Diese Gewichtungsformel ist sozusagen das "Geheimnis" eines jeden Tests und wird auch vor Gericht nicht öffentlich gemacht. Wichtig ist nur, dass bei allen Bewerbern nach der gleiche Formel berechnet wird und vorab mit einer Stichprobe (und nach ca. 3-5 Jahren der Anwendung) statistisch überprüft wird, ob die Vorhersage eine gute ist, also ob ich eine möglichst hohe Korrelation erziele.
Für den AG ist jetzt im Endeffekt erstmal nur das Gesamtergebnis entscheidend. Die Rohwerte werden wie gesagt in ner Formel verwurstet und der Durchschnitt wird willkürlich auf z.B. den Wert 100 gesetzt, so dass ich meinen standardisierten Wert mit der 100 vergleichen kann. Hab ich 7.000 Bewerber, aber nur 500 Stellen fallen alle unteren 6.500 Bewerber durch's Raster, egal welchen Wert sie erzielen. Berücksichtigt werden nur die 500 besten Werte. Hab ich jetzt 450 Stellen besetzt und für den nächst-niedrigeren Gesamtwert gibt es nicht passend 50 sondern 80 Bewerber ist es gut, wenn im Verfahren ein Entscheidungsbaum hinterlegt ist, so dass ich z.B. bestimmte Teilergebnisse nochmal in eine Rangfolge bringe. Oder doch noch Vornoten aus Zeugnissen etc. hinzuziehe - denn irgendwie muss ich ja noch 30 aussortieren und das AGG-konform auch begründen können
Entsprechend bringt ein bestimmtes Testergebnis gar nix, weil sich das von Verfahren zu Verfahren verschiebt - fest steht nur, dass die besten 10, 20 oder 50 genommen werden, der Rest kriegt ne Absage. Um schon nur 20 Bewerbern aufzuschlüsseln, in welchen Testbausteinen sie wie abgeschnitten haben ist schlicht zu kostenaufwändig, von daher gibt's da nur ne Standardkurzantwort. Zumal man da ja auch paar Hintergründe erklären muss, denn reine Zahlenwerte sagen einem ja erstmal nix.
Natürlich ist jeder Test v.a. wenn nicht-objektive Aspekte geprüft werden anfällig für subjektive Bewertungen. So ist die Validität von Assessment Centern in den letzten 10-20 Jahren stetig nach unten gegangen, weil irgendwelche Laien-Pappnasen meinen, so ein AC wäre auf die Schnelle zusammengekloppt, indem man 3-5 bekannte Übungen hernimmt und ein wenig beobachtet. Darf ja auch jeder ACs entwerfen, anbieten und durchführen, der das Wort richtig schreiben kann - externe Anbieter wie interne Abteilungen An ner Stichprobe das Verfahren vorab schon geprüft wird da natürlich nicht und wer ganz dreist ist labert noch was von "DIN 33430 geprüft" um Eindruck zu erwecken. Und wenn in ner Firma schon feststeht, wer die Stelle bekommen soll, wird der einfach auch in nem AC besser beurteilt bzw. es wird schon geguckt, dass man auch nicht-objektive Verfahren zum Einsatz bringt, damit man ihn durchwinken kann. Also im ÖD im Grunde alle wichtigen obersten Stellen, wo man gerne "mitredet", wer es denn wird