Also, ihr Lieben...
Ja, man kann auch heute als Arzt noch wohlhabend (und sogar reich) werden, ich halte es aber für eine wirkliche Ausnahme.
Wenn es darum geht, klassisch ärztlich tätig zu sein, dürften einigermaßen sichere Methoden nur das Anbieten von Luxus-Medizin, der Besitz von teuren Spezialgeräten oder eine hochspezialisierte Ausbildung sein.
Als plastischer Chirurg mit Medienpräsenz, Talkshow-Auftritten und enstprechenden Kontakten zur Welt der Celebrities ist man einem dicken Bankkonto schon recht nahe, ebenso dann, wenn man zufällig eine florierende und voll ausgestattete Radiologische Praxis sein eigen nennt.
Das Fachgebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtsschirurgie beispielsweise ist ebenfalls noch eine Methode, sehr ordentlich zu verdienen - dafür müssen die MKG-Jungs (und Mädels) aber Human- und Zahnmedizin studiert haben.
Da man als Arzt natürlich nicht gezwungen wird, tatsächlich auch ärztlich tätig zu sein, bieten sich auch andere Bereiche an, wenn es primär um einen guten Verdienst geht. Wenn man nicht gerade Chefarzt ist, dürfte sich in der Wirtschaft oder Forschung jedenfalls erheblich mehr Geld verdienen lassen, als in Klinik oder Praxis.
Damit mal ein wenig Licht ins Dunkel kommt, hier ein kurzer Ablauf, wie man Onkel Doktor wird.
Ein Studium von minimal 12 Semestern (also 6 Jahren) - kann man in dieser Zeit schaffen, wenn man ein Hardcore-Lerntier ohne Leben nebenbei ist; wenn man zusätzlich arbeiten muss, wird's schon eng.
Ist man damit durch, bekommt man seine Approbation, ist Arzt, kann von allem ein bisschen, aber nix wirklich richtig.
Man könnte sich nun irgendwio niederlassen und ein Schild mit der Bezeichnung Praktischer Arzt an seine Tür hängen - oder aber man macht eine Weiterbildung, damit man sich irgendwann dann mal Facharzt für Irgendneheilkunde nennen darf. Hierfür kann man nochmal 5 Jahre einplanen, wobei es auch Fachrichtungen mit 4 Jahren (z.B. Anatomie, Arbeitsmedizin) und welche mit 6 Jahren (meist chirurgische Bereiche) gibt.
Dazu kamen noch die 1 1/2 Jahre Arzt im Praktikum (Doc auf Probe, quasi), die es aber jetzt nicht mehr gibt.
In den bestenfalls 6 Jahren des Medizinstudiums sieht man keinen müden Cent, und das, obwohl man
- im vorklinischen Abschnitt in den Ferien ein dreimonatiges Pflegepraktikum
- im klinischen Abschnitt in den Ferien 4 einmonatige Famulaturen (Klinik- oder Praxispraktika) absolvieren und
- im 11. und 12. Semester (Praktisches Jahr) als "PJ-ler" Vollzeit in der Klinik schuftet - fur Umme, natürlich.
Der Arbeits- bzw. Lernaufwand während des Studiums schwankt je nach den Fächern des jeweiligen Semesters, aber es ist keine Seltenheit, dass man pro Woche das Pensum einer durchschnittlichen Abiturprüfung verinnerlicht haben sollte.
Dies soll kein Jammern sein, ich will damit nur klarmachen, dass man sich mindestens 6 Jahre lang nicht nur abrackert, sondern auf draufzahlt (man muss von irgendwas leben, schweineteure Bücher und Instrumente kaufen etc.) und es einem teilweise sogar noch wirklich schwer gemacht wird, sich nebenbei etwas dazuzuverdienen.
Alleine diese Tatsache rechtfertigt in meinen Augen schon ein höheres Gehalt, denn während ein Mensch in einem einigermaßen gut bezahlten Ausbildungsberuf mit Ende 20 / Anfang 30 schon ein paar Jahre Geld verdient hat und über Hausbau etc. nachdenken kann, steht der fertige Mediziner nach Jahren der Plackerei erst am Anfang seiner Karriere (bzw. seiner Weiterbildung zum FA) und steht finanziell meist alles andere als gut da.
Generell: wenn ich eine langwierige, kostenintensive und hochwertige Ausbildung absolviere, hat das gefälligst auch finanziell in sofern honoriert zu werden, dass wenigstens die finanziellen Nachteile kompensiert werden, die jene Ausbildung mit sich gebracht hat.
Wenn dann beispielsweise ein Klinik-Oberarzt trotz jener Ausbildung, den bekannten Arbeitszeiten und -bedingungen und der Verantwortung für Menschenleben ungefähr so viel Geld verdient wie ein einigermaßen qualifizierter Facharbeiter, dann stimmt irgendwas nicht.
Zu den porschefahrenden niedergelassenen Ärzten bitte ich folgendes zu bedenken: wenn man irgendwann einmal eine Praxis übernimmt, muss dafür an sich schonmal ordentlich Geld fließen; in den allermeisten Fällen kommt noch einiges für eine aktuelle und/oder auf den persönlichen Bedarf zugeschnittene Einrichtung hinzu.
Wenn man nicht gerade aus einem wirklich gutsituierten Hause kommt (es gibt auch porschefahrende Studenten...), muss man also mal eben ein paar hunderttausend Euronen mobilisieren - da ist ein (ebenfalls auf Pump angeschaffter) Sportwagen wirklich das kleinere Übel.
Die Gründe und persönlichen Motivationen, diesen Beruf trotz aller Widrigkeiten zu wählen, sind absolut vielfältig und natürlich gibt es auch die Was-hätte-ich-sonst-mit-meinem-Einser-Abi-machen-sollen?- und die Papa-ist-auch-Arzt-und-ich-muss-die-Praxis-übernehmen-Fraktion; den meisten unterstelle ich aber einfach mal ehrliches Interesse an diesem Beruf.
Bei mir war die Motivation, dass ich zum einen nichts so spannend und interessant finde, wie den Menschen selbst und zum anderen gerne einen Sinn in dem sehen möchte, was ich tue.
Wie vermutlich jeder habe ich mir als End-Teenager gerne mal meine Gedanken darüber gemacht, was das Leben eigentlich soll, warum wir hier sind, was unsere Aufgabe ist, etc. Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass sich das eigene Leben schon dann gelohnt hat, wenn man nur ein einziges anderes retten kann - so gesehen ist man als Arzt natürlich extrem privilegiert.
So kräftezehrend und frustierend der Job als Arzt auch sein kann - die tiefe Befriedigung, Leiden zu lindern, Krankheiten zu heilen und vielleicht sogar Leben zu retten, findet man so in vermutlich keinem anderen Beruf.
Gruß, Mooney 