bb) Anwesenheitsprämien
Anwesenheitsprämien können als Sondervergütung gewährt werden. Allerdings hat der -Gesetzgeber Schranken errichtet, die eine Selbstgefährdung der Arbeitnehmer verhindern sollen: Die Kürzung der Sondervergütung darf nur maximal 1/4 des täglichen Arbeitsentgelts betragen (§ 4a EFZG). Damit soll verhindert werden, dass zu viel Druck auf kranke Arbeitnehmer ausgeübt wird, doch zur Arbeit zu erscheinen.
= Kann eine rechtswidrige Anwesenheitsprämienregelung umgedeutet werden in eine rechtmäßige?
(1) Nach § 306 BGB kann eine AGB-Bestimmung nur wirksam oder unwirksam sein. Daraus wurde bisher das Verbot der "geltungserhaltenden Reduktion" abgeleitet. Da nach § 310 Abs. 4 BGB die AGB-Kontrolle auch bei Arbeitsverträgen gilt, müsste auch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gelten.
(2) Das BAG hat bisher jedoch die zu weitgehenden Anwesenheitsprämien nur auf das rechte Maß reduziert:
Werkstatthelfer - BAG 25.7.2001 - 10 AZR 502/00, BB 2001, 2587: AG zahlt allen AN eine freiwillige Sonderprämie in Höhe von 500 DM pro Quartal, wenn sie keinen Tag unentschuldigt gefehlt haben oder krank waren. Die Quartalsrechnung sollte mit dem Arbeitsbeginn anfangen. Der Kläger - ein Werkstattthelfer - war vom 11.-19. Mai 1999 krank. Sein Quartal endete am 14. Mai, so dass ihm formal für zwei Quartale keine Prämie zustand. Der AG zahlte ihm großzügig für das zweite Quartal die Prämie. Der Kläger verlangt sie auch für das erste Quartal, abzüglich des Anteils für die Fehltage (bei 7 Tagen wäre etwa 1/10 von den 500 DM abzuziehen). BAG gab der Klage statt.
BAG:
Anspruchsgrundlage: §§ 3, 4, 4a EFZG: Arbeitsunfähigkeit, Entgeltfortzahlung, Kürzung der Sonderprämie als Anwesenheitsprämie gem. § 4a EFZG möglich für die Fehltage.
Die vollständige Kürzung stellt eine Gesetzesumgehung dar: Das Gesetz lässt nur eine Kürzung um max. 1/4 des Tagesentgelts pro Krankheitstag zu. Die Regelung in dem Betrieb würde aber bedeuten, dass der Kläger sein Entgelt um etwa 70 DM pro Fehltag gekürzt bekäme. Da der Kläger nur seine anteilige Sondervergütung beanspruchte, musste das BAG nicht explizit über die Frage der geltungserhaltenden Reduktion befinden. Aus der Begründung ergibt sich aber, dass das BAG selbstverständlich davon ausgeht, dass die rechtswidrige Anwesenheitsprämienregelung in eine rechtmäßig umgedeutet wird.
Frisiersalon - BAG 13.12.2000 - 5 AZR 334/99, BB 2001, 1585: (Die Klägerin) ... "erhält ab dem 01.12.1996 DM 650,00 monatlich zusätzlich zu dem tariflich vereinbarten Lohn von 3.500 DM. Dieser Betrag wird nur bei Anwesenheit des Arbeitnehmers gezahlt. Bei Urlaub, im Krankheitsfalle oder einer sonstigen Nichtanwesenheit werden Zahlungen nicht geleistet; ...Diese Zusage erfolgt "freiwillig", so dass auch bei mehrfach geleisteten Zahlungen kein Anspruch auf die Zahlung entsteht. Diese Zusage ist darüber hinaus jeder Zeit abänderbar oder insgesamt widerruflich." Der Arbeitgeber widerrief die Zusage grundlos nach Kündigung der Arbeitnehmerin.
War die Klage bezüglich der 650 DM begründet? Da insoweit die Revision nicht zugelassen war, wurde die Auffassung des LAG rechtskräftig:
LAG:
Rechtswidrige Prämie, da sie so hoch ist (über 15% des Monatseinkommens), dass Druck auf kranke AN ausgeübt wird. Der Widerruf darf nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Dafür gab es hier keinen Anlass.
(Anmerkung: § 4a EFZG war nicht thematisiert. Danach war die Prämie im Prinzip zulässig, jedoch nicht als vollständig verfallene, sondern allenfalls als pro Fehltag zu reduzierende, s.o.)