Echter Fortschritt ist die Kunst des nötigen, nicht des möglichen.
Ungefähr 1 Jahr nach Vorstellung des iPhones in Barcelona. Der Mobile World Congress zeigt die Antworten der Branche auf das wohl am heissesten diksutierte Gadget des letzten Jahres. Wie sie ausfallen? Ernüchternd – weit und breit mehr „more of the same“ statt echter Innovation. Die Hersteller der Geräte der Zukunft, sofern sie nicht als klobige Platinen mit angeschlossenen Bildschirmen vorgestellt werden, scheinen einfach so weiter zu machen, wie immer. Echte Neuheiten kommmen noch nicht einmal als Prototyp auf die Messe, sondern lediglich als gut gerenderte Pressefotos. „iPhone-Killer“, wie das Google Handy OS ANDROID sind nicht wesentlich weiter, als vor Monaten bei ihrer Ankündigung. Und Innvoation ist die beliebige Miniaturisierung technologischer Versatzstücke wie GPS, HSDPA, Web 2.0 zu einem ebenso beliebigen Endgerät mit xyz Funktionen.
All das, so kann man schon jetzt unterstellen, wird die Fachpresse zufrieden stellen. Brav werden die Redaktionen jedes dieser neuen Features bejubeln, und sich mit jedem Test weiter von denen entfernen, für die sie schreiben. Denn wenn das iPhone bei aller kritischen Reflexion eines aufgezeigt hat, dann ist es die Existenz eines Unterschieds zwischen einer „User Experience“ und einer „Tester Experience“. Ersterer fällt nämlich durch die Bank, über Foren und Communities und Ländergrenzen hinweg stets deutlich besser aus, als die etwas unbeholfenen, durchwachsenen und grundsätzlich allenfalls durchschnittlichen Bewertungen in der Presse. Es scheint, als hätten die Testlabors auf diesem Planeten einfach keine Idee, wie man mit diesem Californischen Exoten umgehen muss – und so bleibt vorsichtshalber alles, wie es ist, was letztlich erst zu dieser Kluft zwischen User- und Tester-Experience führt. Diese ist die Grenze zwischen gefühlten und echten Schwächen einerseits – und vor allem aber zwischen den gefühlten und echten Vorteilen andererseits.
Dazu zählt besonders auch der Betrachtungswinkel, der über den Geräterand hinaus schaut, und das Tarifgefüge, den Netzausbau und den Carrier-Service mit in den Vergleich einbezieht. Und überhaupt vergleichen. Diese Königsdisziplin einer Marktbetrachtung erfasst nun endlich auch den Mobilfunkmarkt - und macht vor nationalen Grenzen nicht halt. So fallen Unterschiede auf und Fragen werden gestellt. Warum bietet O2 in UK größere Kontingente der Inklusivminuten? Wie ist das eine Netz im Vergleich zu einem anderen ausgebaut? Welche Zusatzleistungen gibt es? Es ist eine Freude zu sehen, dass Mobilfunkkunden zum ersten Mal solche Fragen stellen und damit so manche bisher als naturgegeben geltendes Marktgesetz im positiven, wie im negativen Sinne bloßstellen.
Dieser Prozess wäre übrigens deutlich stärker, wenn die sogenannte Fachpresse in Ihrer Entwicklung mit dieser neuen Gedankenfreiheit mithalten würde. Und nicht nur steriotyp bisherige Gedankenzüge fortschreiben würde. Dazu müsste sie Leistungen erkennen, und Irrwege eingestehen lernen.
Aus Sicht der Nutzungsstatistik ist MMS ein Irrweg, während der Nutzungskomfort des Safari-Browser dramatische Steigerungen der Datennutzung unbestreitbar ermöglicht hat, und bereits die Summe des Aufkommens aller Win Mobile Geräte auf die Plätze verwiesen hat. In den Tests liest sich das wie folgt: Das Minus für das Fehlen des einen Features MMS wird durch ein Plus im besseren Browser allenfalls ausgeglichen. Angesichts der dramatischen Auswirkung auf das Nutzungsverhalten eine krude Rechnung.
Ebenso der Preis. Da verwechseln Profis ganze Geschäftsmodelle und den Umstand einer üblichen Vertragsbindung (vgl. SIM Lock) mit der nicht erfolgten Gerätesubventionierung. Aber was ist mit Apples kolportierter Umsatzbeteiligung? Eine Subvention? Mit nichten. Es ist ein neues Geschäftsmodell, welches letztlich auch die permanente Weiterentwicklung der Handysoftware finanziert – zum Wohle der Nutzer. Oder wer will bestreiten, dass seit der Gerätevorstellung nicht wirklich mehrmals deutliche Verbesserungen in nur 6 Monaten bereitgestellt wurden?
Man könnte diese Liste endlos fortsetzen. Aber das würde vielleicht das iPhone nun doch für viele in einem zu positiven Licht erscheinen lassen. Deshalb besser der Blick auf den Wettbewerb. Der Blick nach Barcelona.
T-Mobile kooperiert mit Yahoo. Für was? Nokia kauft Navteq. Wozu? Und die Finnen reden von Inhalten. Warum?
Es zeigt sich, wie sehr man nach Antworten auf das iPhone sucht und wie schwer man diese findet. Dabei scheinen die vorgestellten Lösungen so spektakulär wie riskant. Navteq ist eine Milliardeninvestition die auf dem Handy letztlich nicht viel mehr bringt als Google Maps. Yahoo wäre eine tolle Kooperation für einen Endgerätehersteller, aber eher nicht für einen Provider - wenn man mit der Technik dort nicht eben die Intranet Suche seiner Mitarbeiter beflügeln will. Und ovi – der eierlegende Wollmilchdienst aus Finnland? Eher eine Tür (finnisch „ovi“) zum sich selbst aussperren, verprellt man mit der Strategie doch zunächst mal seine wichtigsten Veretreibspartner bevor daran auch nur 1 EUR verdient ist.
Alles ein bischen anders wie beim iPhone – und deutlich weniger clever. Aus der Entfernung betrachtet scheint Steve der Koch zu sein, der am besten weiss, welche Zutaten man für ein gutes Gericht liefern läßt, und welche man selbst machen muss. Der besser weiss, was seinen Gästen schmeckt und seine Speisekarte enstprechend gestaltet. Die Küchenjungen seiner Wettbewerber haben längere Speisekarten und krudere Gerichte. Ob es deshalb bei Ihnen besser schmeckt, darf im Jahr 2 nach dem iPhone weiter bezweifelt werden.
Almi