Suche Router, der DSL und mobiles Internet kombiniert

  • Ausgangssitutation: In dem Haus eines Freundes in Griechenland besteht ein DSL-Anschluss, der im Grunde auch einigermaßen zufriedenstellend funktioniert. Allerdings kommt es immer wieder zu massiven Geschwindigkeitseinbrüchen, so dass viele Anwendungen (z.B. Videokonferenzen) nicht zuverlässig möglich sind. Mobiles Internet ist mit guter Bandbreite vorhanden (zumindest 4G, 5G nicht getestet). Ich habe dem Besitzer eine mobile Lösung vorgeschlagen, er will sich aber nicht allein auf Mobilfunk verlassen, zudem sind echte Unlimited-Tarife teuer.


    Ich suche deshalb eine Möglichkeit, die Bandbreiten von DSL und 4G zu kombinieren. Es gibt Router mit einer Fallback-Funtion, die bei Ausfall von DSL auf Mobilfunk zurückgreifen. Das nützt aber im konkreten Fall nichts, da DSL nicht komplett ausfällt, sondern nur langsam wird, der Fallback greift also nicht. Ich bräuchte deshalb einen Router (oder nachgeschalteten Switch o.ä), der bevorzugt die DSL-Bandbreite nutzt und bei Bedarf mit Mobilfunkdaten "ergänzt".


    Bei der Suche im Netz bin ich auf Begriffe wie "Bonding", "Load Balancing" oder "Dual WAN" gestoßen, bin aber verwirrt, was das im Einzelfall bedeutet und welches Gerät geeignet wäre.


    Hat jemand einen Lösungsvorschlag? Vielen Dank schon mal dafür.

  • Nun, erstmal kurze Aufklärung.


    Es gibt dabei die folgenden Möglichkeiten:


    Backup

    Es wird ein primärer WAN Zugang genutzt, der als Uplink fungiert. Dies kann wahlweise DSL oder Mobilfunk via LTE oder 5G sein. Fällt das eine aus, wird auf das andere Medium gewechselt. Dabei gehen alle offenen Verbindungen verloren - sprich Videokonferenzen werden unterbrochen, Downloads brechen ab usw. Aber danach ist die Nutzung (das geht innerhalb von Sekunden) wieder normal möglich. Ein Echtzeit Audio-/Videogespräch würde aber dennoch abbrechen, beim normalen Surfen oder YouTube, Netflix und Co würde man es auf Grund des Bufferings aber nicht mitbekommen.


    LoadBalancing

    Zwei oder mehrere WANs fungieren zeitgleich als Uplink (z.B. DSL und Mobilfunk), wobei die Verbindungen durch unterschiedliche Mechanismen über die beiden Zugänge verteilt werden können. So ist es zufällig möglich, aber auch Dienstespezifisch (z.B. wenn man sagt, man möchte SIP für Telefonie, oder die Spielkonsole) pauschal auf Grund der niedrigen Latenzen über DSL haben, aber der Mobilfunk Zugang grundsätzlich schneller ist, man alles an Webdownloads über Mobilfunk zuweist. Fällt ein Medium aus, verhält es sich wie bei der zuvor beschrieben Backup Variante. Alles was auf der ausgefallenen Leitung lief, wird beendet und kann neu über die andere Verbindung initiiert werden. Videotelefonate & Co brechen entsprechend ebenfalls ab. Was beim Loadbalancing ebenfalls nicht geht ist die Bündelung der Zugänge, um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen. Nehmen wir fiktiv an, der DSL Anschluss liefert 100Mbit und Mobilfunk 200Mbit, so wirst du niemals einen Download mit 300Mbit erreichen, sondern nur mit der maximalen Geschwindigkeit des grad genutzten Mediums. Nehmen wir aber nun an du lädst was mit 200Mbit runter und deine Frau oder Kinder laden ebenfalls runter, so steht diesen zusätzlich 100Mbit zur Verfügung, ohne dass der andere Beeinflusst wird. Dies bringt durchaus Vorteile, wenn von verschiedenen Quellen parallel konsumiert wird, aber eine einzelne Quelle kann dir dies nicht an zwei verschiedene Anschlüsse aggregierten.


    Bonding

    Hierbei werden zwei oder mehrere WANs gebündelt und man kann dann auch tatsächlich in einem einzelnen Download theoretisch die maximale Geschwindigkeit aller Uplinks erreichen. Auch ist dies unterbrechenungsfrei, wenn einer der aktiv genutzten Uplinks ausfällt - eine Telefonat oder echtzeit Videokonferenz würde ungestört weiterlaufen. Es inkludiert also alle Vorteile von Load Balancing und Backup, aber keinen der Nachteile. Welche Nachteile gibt es also? Während man auf ISP Ebene mehrere Methoden dafür nutzen kann, bleiben bei Privatkunden meist nur VPN Tunnel Lösungen übrig. Dies bedeutet, dass du auf deinem Gerät die Interface bündeln und durch ein Tunnelinterface an einen externen Server schicken musst. Dieser Server sollte dabei natürlich die Gesamtkapazität deiner Uplinks aufweisen. Da ein VPN in der Regel gut verschlüsselt ist, wird halbwegs vernünftige Hardware benötigt, um auch bei hohen Datenraten noch den Durchsatz gewährleisten zu können. Dies bedeutet zusätzlich, dass du auch einen externen Server haben musst (oder einen Dienstleister der das anbietet). Technisch ist das relativ simpel und kann man innerhalb weniger Minuten, sofern man alles dafür hat, umsetzen. Wireguard oder OpenVPN oder als fertige Software PFSense. Dann muss man nur sicherstellen, dass man einen einen Server hat und niedrige Latenzen zu diesem.



    Früher gab es dafür auch Anbieter, die fertige Router für sowas vorkonfiguriert verkauft haben und den remote Server bereitgestellt haben - das war allerdings zu ADSL2+ Zeiten und aktuell fällt mir da auch kein weiterer mehr ein, außer die Deutsche Telekom, die mit ihrem Hybrid Angebot genau dies bereitstellt (Bündelung von VDSL und Mobilfunk). Ob es etwas ähnliches in Griechenland gibt, kann ich dir leider nicht sagen. Sofern du dich mit FreeBSD oder Linux auskennst, kann man aber nach Selbstbau Alternativen mal gucken.

  • @5GUser: Vielen Dank für die ausführliche Aufklärung.


    Daraus ergibt sich für mich folgendes:

    Bonding wäre der Idealfall, ist aber zu kompliziert. Selbst wenn es mir gelingt, das einzurichten, wäre der Hausbesitzer nicht in der Lage, bei Störungen einzugreifen und ich bin ja im Normalfall nicht vor Ort.


    Backup nützt nichts, da ein Uplink nicht komplett ausfällt, sondern DSL einfach nur langsam wird. Der Backup würde also vermutlich gar nicht greifen.


    Load Balancing ist evtl. ein akzeptabler Kompromiss. Welche Geräte kämen dafür in Frage?

  • Schwierig, ich selbst würd hierfür zu einem Selbstbau tendieren und wäre sehr günstig zu realisieren. Aber das dürfte für den Nutzer vor Ort dann bei Problemen quasi unmöglich sein zu analysieren und ggf. wieder in Betrieb zu nehmen. Grundsätzlich würde dafür ein Raspberry Pi reichen, samt einer alten Fritz!Box und einem LTE Stick. Kosten wären damit unter 100€.


    Leider ist das heute für Privatkunden auf Grund der bereits großen und vorhandenen Bandbreite nur noch wenig ein Thema (das war früher zur Bündelung von mehreren ADSL Anschlüssen zu 1Mbit Zeiten noch interessant). Geräte für Consumer sind daher eher selten und mir würd da auch nur grad als fertige Appliance ein älterer DrayTek Vigor 2926Lac einfallen. Gerade dazu gibt es einen (alten aber interessanten) Artikel bei Heise zum einlesen: https://www.heise.de/hintergru…TE-Anbindung-4043422.html


    Allerdings hatte es auch einen stolzen UVP Preis - auf Grund des Alters aber vielleicht günstig irgendwo auf eBay & Co zu ergattern.

  • Eigentlich kann die Fritzbox 6890 was du möchtest. Aber ein richtiges Bonding kann sie auch nicht. Es wird mal ein Paket über DSL und mal eins über Mobilfunk gesendet. Die Gegenseite muss damit zurecht kommen (z.B. bei TCP Verbindungen meist problemlos, online Gaming oder Sessions die an eine IP gebunden sind werden schlecht oder nicht funktionieren). Die Sache ist heute halt immer noch recht aufwändig und erfordert gewisse Grundkenntnisse. Ich hatte mir immer mal vorgenommen ein How-To hier zu schreiben, aber die Zeit ist leider Mangelware. Wichtig sind aber z.B. auch beim Bonding, dass die Signallaufzeiten nicht zu unterschiedlich sind (geostationäre Satellitenverbindung und DSL z.B.). Bei Mobilfunk (4G/5G) und DSL sollte es in der Regel aber klappen.

    pax optima rerum


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