Zugegeben, ich hatte schon lange nichts mehr anderes als Apple iPhone, Google Pixel und Sony Xperia, also keinen Smartphone-Hinterbänkler oder gar Voll-Chinesen. Auch bin ich in 25 Jahren Mobilfunk schon einiges gewohnt. Panasonic – wo auch immer deren GSM-Abteilung Anfang der 00er-Jahre saß – schoß damals mit deren Deutsch den Vogel ab. Das ging soweit, dass sogar Shu (zuletzt bei AndroitPIT) in der Fernseh-Sendung NBC GIGA das bei einem Handy-Test offen ansprach. Aber das waren noch die Zeiten, als es Google-Translate nicht gab. Folglich war das damals noch eine echte Leistung. Und wie schafft man das bei „unverbastelten“ Google Android … aber dazu gleich mehr.
Die positiven Dinge: VoLTE klappt. VoWiFi klappt, sofort, sogar im Flugmodus. HD-Voice mittels AMR-WB. HD-Voice+ mittels 3GPP-EVS. Aber dann geht das Chaos schon los. Bei VoLTE habe ich den Eindruck, dass die mobilen Daten aktiv sein müssen. Bei VoLTE geht EVS, aber bei VoWiFi nicht. AMR-WB geht in VoLTE und VoWiFi, aber nicht in GSM. Warum wieso, weshalb … fangen wir noch weiter Vorne an.
Auf der Verpackung stehen schön sauber die unterstützten GSM-, UMTS- und LTE-Bänder. Quad-Band in GSM, vorbildlich. Quad-Band in UMTS, könnte besser sein, aber für die Preisklasse scheinbar sogar ordentlich. Und dann dreizehn Bänder in LTE. WLAN auch in 5 GHz. NFC. Und sogar UKW-Radio, aber nur mit Antenne und nur mit Internet-Zugang. USB-C-Buchse, aber das Ladegerät (5 Volt mit maximal 2 Ampere) kommt mit USB-A. Soweit eigentlich nicht schlecht … aber fangen wir noch weiter Vorne an.
Wie heißt das Produkt eigentlich: Motorola G20, moto g20, moto g(20), moto-g-20, moto g²⁰? Letzteres scheint laut Aufkleber der Fall zu sein. Aber das „20“ steht manchmal hochgestellt in der gleichen Größe wie das G. Manchmal – wie auf dem Rest der Verpackung – schließt die „20“ mit der Oberlinie des G. Irgendwie scheint jede Abteilung innerhalb Motorolas auf eine neue Idee gekommen zu sein. Geben sich andere Firmen richtig Mühe, ein einheitliches Erscheinungsbild abzugeben, wird im Hause Lenovo (dem Eigentümer von Motorola Mobility) wohl noch ungezügelte, ja schon unbekannte Kreativität und Freiheit gefördert.
Das Teil ist dick. Boah ist das dick. Ach ne, da ist noch die beigelegte, durchsichtige Schutzhülle drum. Oh je, danach ist es immer noch dick. Ja, man könnte sich mit den 5 Ah großen Akku rausreden. Aber es bleibt einfach dick. Auch finde ich ein Seitenverhältnis von 20:9 im Vergleich zu Sony Xperia einfach veraltet. Deren 21:9 klingt auf dem Datenblatt quasi gleich. Aber es ist eine andere Welt. Schmal, elegant und egal wie dick, es fällt nicht auf. Das hier ist einfach nur dick, und breit.
Display-Schutzfolie ist bedruckt, muss also ab. Zwei kleine Kratzer ab Werk. Warum nicht? Fett-Tatscher auch schnell sichtbar. War früher schlimmer, können andere Hersteller besser. Und dann der SIM-Schlitten. Immerhin iPhone-Tool kompatibel. Schön mit rotem Gummi-Rand, dass man gleich sieht, ein wenig Wasserschutz ist vorhanden. Aber wie rum, kommt das Teil wieder rein? Nichts dazu in Beipack-Zettel. Man erkennt es nicht, man fühlt es nicht, man müsste es ausprobieren, oder sich gemerkt haben, oder Argus-Augen haben: Ganz klein steht auf der einen Seite, wo auch die (eine) IMEI steht: „up“. Na dann, mal up damit!
Ersteinrichtung Google unverbastelt. Nein, nicht ganz. Irgendwann fragt das Telefon nach den Firmware-Updates. Und hier muss man extra (oder aus Zufall) auf den Text „Datenschutz-Einstellungen“ tappen, um wirklich alle Schnüffler abzuschalten. Nicht schön, nicht vertrauenserweckend. Und tatsächlich finden sich im Menü später immer wieder Schüffel-Einstellungen, die von Haus aus angeschaltet sind. Aber mein größter Fehler war, am Anfang „Deutsch“ zu wählen. Überall wo Motorola meint schlauer als Google zu sein, verstehe ich Dank Deutsch so gut wie nix. Beim Software-Update (Google macht das anders). Bei der Up- und Download-Geschwindigkeit des WLANs (Google zeigt nur einen Wert). Überall holpriges Deutsch. Nein, so schlechtes Deutsch, dass ich es nicht nur nicht verstehe, sondern falsch machte. Bei Update verstand ich, dass das Menü zu verlassen sei. Aber Motorola meinte, dass das Update auch dann noch laufe, wenn ich nicht im Update-Menü bin. Oder anders formuliert: Ein System-Update klappt auch bis zum Neustart erstmal im Hintergrund. Boah. Schon lange nicht mehr so eine schlechte deutsche Übersetzung gesehen.
Ansonsten ist es echt unverbastelt. Legt man ein Pixel 3a daneben, muss man die Unterschiede suchen. Allein Facebook ist als (sichtbare!) Bloatware erkennbar. Ob und welche Hintergrund-Prozesse Bload-Ware sind, kann ich auf die Schnelle nicht analysieren. Aber das Vertrauen ist eh schon lange weg. Wenn es überhaupt da war. So ist der Chipsatz kein Qualcomm aus den USA, kein MediaTek aus Taiwan sondern ein Unisoc … ein Voll-Chinese. Schön bei Google Android, schon seit einige Versionen: Man braucht kein Google-Konto, damit sich die eingebauten Apps automatisch aktualisieren. Will man das manuell machen, kann man das „automatisch“ auch ausschalten – dann aktualisiert man über Play Store, oben recht die drei Punkte, Updates auch manuell.
Die 90 Hz Bildschirm-Wiederholungsrate tut dem Bildschirm gut. Schalte ich es aus, ist es arg. Aber wirklich den großen Vorteil den 120 Hz böte – nämlich für die Schnell-Lese-Technik Querlesen – bietet 90 Hz schlicht nicht. Die Bildschirm-Pixel-Dichte ist geringer als bei einem Apple iPhone 4 – und das stammt aus dem Jahr 2010. Allerdings muss ich zugeben, dass man schon genau hinschauen muss, um den Unterschied zu sehen. Was aber nicht bedeutet, dass das Gehirn es unbewusst wahrnimmt. Man müsste wissenschaftliche Studien machen, wie sich diese 269 ppi versus 330 ppi auswirken. Ich bin der Meinung, es ist einfach zu wenig. Besondern Abrundungen werden schnell pixelig. Die Auflösung selbst – HD – klingt gar nicht schlecht. Full-HD wäre wirklich fraglich. Aber mich stört die maue Pixeldichte.
Selbstbewusst, überheblich oder als lustiges Gimmik gemeint? Starten auf einem Google Pixel die Google Maps mit der Mitte der USA, ist hier das ostchinesische Meer bis runter nach Indonesien zu sehen. Und Shanghai ist der Mittelpunkt. Aber schlimmer: Ich bekomme den Kompass nicht kalibriert. Ich müsste jetzt aufwendig testen, ob wirklich kein Kompass drin ist. Nach einigem Umherlaufen springt dann die über gegangene-Richtung emulierte Kompass-Abschätzung ein. Laut mehreren Datenblättern hat es auch keinen Kompass. Wenn ich in einer fremden Stadt bin, mich schnell orientieren muss, um nicht für Verbrecher aufzufallen – dann ist das nicht nur Murks (weil es nicht geht) oder Müll (weil diese Emulation mich in falsche Sicherheit wiegt bzw. falsche Richtung schickt) sondern schlicht gefährlich. Kompass nennt auch die eigene Webseite nicht. Übrigens ebenfalls voller Fehler und Deutsch-Mängel.
Android 11. Nach dem Auspacken kommen dann gleich mehrere System-Updates. Jeder zweite Monat der Security-Patches wird ausgelassen. Anders formuliert: Motorola sammelt die Patches nicht wie Google über einen sondern zwei Monate. Die Updates erfolgen inkrementell, also nicht mit einem Neustart bin auf dem neusten Stand. Ich brauchte sechs Updates, also sechs Neustarts. Zweimal hat Motorola eigene Updates eingeschoben. So dass ich jetzt Mitte Februar auf dem Security-Patch-Level 1. Dezember stehe. Schön ist, dass man über eine Historie die einzelnen Updates mit ihrer Versions-Nummer sieht. Aber die Beschreibung jedes Updates beschränkt sich auf den Patch-Level und/oder ob noch ein System-Update kam. Anders formuliert: Motorola ist hoffnungslos überfordert monatlich Security-Patches zu liefern und zeigt nach so vielen Jahren noch immer eine ungenügende Fehler-Kultur, um Updates richtig zu beschreiben.
Android 12. Angeblich Nein. Für ein Modell, das im dritten Quartal 2021 erschien. Und das, obwohl dieses Modell bis letzte Woche noch im Online-Shop von Aldi-Talk verkauft wurde. Der Shop wird von Medion betrieben. Und Medien gehört ebenfalls zu Lenovo. Folglich kann dort Lenovo direkt seine eigene Waren vertreiben. Schade, dass sich so Aldi als Resterampe verkauft. Der Preis am Ende war 130 € (inklusive Aldi-Talk Starter-Kit, was nochmals 10€ wert ist). Der Preis galt seit Mitte Juli letzten Jahres. Und war auch Thema auf vielen Portalen wie All4Phones, Android-Hilfe und MyDealz. Trotzdem fand ich zum Motorola G20 im deutschsprachigen Raum nur einen einzigen Thread und diesen Test-Bericht. In eBay fanden sich Kunden-Rückläufer für 100€. Und die gehen nicht weg. In den letzten drei Monaten gab es genau eine eBay-Auktion. Wie kann ein Modell so unbedeutend sein?
Knuffig sind die My UX genannten Sensoren:
- Bewegt man das Telefon so, als wolle man die Luft zerschneiden bzw. zerteilen (Englisch: „chop“), und macht das zweimal schnell hintereinander, dann erleuchtet die Taschenlampe.
- Dreht man das Telefon dreimal schnell (Englisch: „twist“) startet die Kamera. Zweimal mehr, die Vorder-Kamera.
- Auch die Anpassung des Start-Bildschirms, die vorinstallierten Hintergründe, überhaupt die ganzen Möglichkeiten finde ich ästhetisch ansprechend und hochwertig gemacht.
Warum machen das nicht alle Hersteller so? Toll gelöst. Wenn man es sich merken kann, richtig, richtig praktisch, weil man keine sauberen Hände braucht und lange am Bildschirm rumzufummeln.
Noch etwas Positives zum Schluss: Die Rückseite aber auch die Seiten sind nicht aus Glas oder Hochglanz-Plastik, dieses Klavier-Lack ähnliche Zeugs auf dem man nur Finger-Tatscher sieht. Auch ohne Riffelung empfinde ich es schön angenehm und nicht zu glatt. Keine Ahnung warum man was anderes braucht?