Neben Google Android, neben KaiOS und neben MediaTek MAUI mit MRE bietet HMD auch Modelle mit Unisoc Mocor. Im Gegensatz zu den anderen OS hat es noch keinen Wikipedia-Artikel. Und trotzdem hat es schon ein paar Jahre auf dem Buckel: Xiaomi Qin 1s, Emporia TALKsmart (V800) und das ZTE Z2312 (erhältlich bei Three in Großbritannien) sind wohl die ältesten Verwandten. Damals war Mocor5 eine Abspaltung (Englisch: Fork) von Android 4.4.4. Auf welchem Level „Mocor RTOS“ aktuell ist? Keine Ahnung, denn eine Info-Seite ist mehr nicht zu finden. Und irgendeine App zu installieren, gelinkt mir auch nicht – was passen würde, denn es wird als „Nokia S30+“ angepriesen, also ohne die Möglichkeit Apps nachzuinstallieren.
Sortiert nach Erscheinen:
- Nokia 3310 3G
- Nokia 220 4G (ohne 3G)
- Nokia 225 4G (unten getestet)
- Nokia 215 4G (ohne Kamera; nur als Import-Ware)
- Nokia 110 4G (ohne Bluetooth
- Nokia 105 4G (ohne Bluetooth, ohne Kamera)
Das Caterpillar CAT B40 oder das aus Hongkong im Direkt-Vertrieb angebotene AGM M6 sollen ebenfalls damit kommen.
Kurz: Wer sich für ein gutes Mobiltelefon interessiert, braucht gar nicht weiterlesen.
Hardware: WLAN nein, UKW-Radio ja, Kamera optional
HMD lässt WLAN weg. Deswegen geht kein VoWiFi auch WiFi-Calling bzw. WLAN-Telefonie genannt. Und das, obwohl die anderen Hersteller bewiesen, dass Mocor es kann. Bei meinem Nokia 225 4G funktioniert das UKW-Radio (gänzlich ohne RDS) auch ohne Headset-als-Antenne – und das dann gar nicht mal schlecht. Die Modell-Varianten ohne Kamera bekommt man offiziell nicht in Deutschland sondern nur als Import aus Großbritannien bzw. Polen.
Hardware: Tasten
Keines jener Modelle hat dedizierte Lautstärke-Tasten. Um trotzdem die Lautstärke anzupassen, muss man während dem Gespräch die Navi-Rauf-Runter-Tasten nehmen. Und was soll das mit der 12er-Tastatur, mal
- eigenständig ausgeformte Tasten: Nokia 215 4G, Nokia 105 4G
- drei Tasten haptisch zu einer Taste verschmolzen: Nokia 225 4G, Nokia 110 4G
- gummiert, also nicht fest sondern alles inklusive dem Navigationsbereich ist verschmolzen: Nokia 220 4G
und diese Klavierlack-Optik, mal
- nur der Bildschirm und dessen Umrandung: Nokia 220 4G
- vom Bildschirm reingezogen bis in die Navigation: Nokia 225 4G
- komplett inklusive der 12er-Tastatur: Nokia 225 ohne 4G
- komplett bis runter, aber nicht die Tasten selbst: Nokia 216 ohne 4G
Ich beschreie seit Jahren … warum schmeißt niemand diesen Industrie-Designer endlich raus? Ich will ein gutes Telefon ohne meine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Ist das zu viel verlangt? Und ich will bei den Feature-Phones eine nachvollziehbare Nomenklatur.
Software: Geschichte: Nokia S30+
Das Nokia 220 (noch ohne 4G) aus dem Jahr 2014 war eines der ersten Modelle, welches mit der Nokia S30+ kam. Und es war auch eines der letzten Nokia Mobile Phones überhaupt. Unter dem „Plus“ versteckte sich das OS „MediaTek MAUI mit MRE“. Ein Bruch, weil kein Haus-eigenes OS zum Einsatz kam, sondern ein bestehendes OS optisch lediglich umgekleistert wurde. Wurden wegen der Aufgabe von Symbian S60 viele Nokia-Mitarbeiter nicht mehr gebraucht, war nun Nokia S30 dran. Es war quasi der Aufruf an alle restlichen Nokia-Mitarbeiter, sich doch bitte nach einem neuen Job umzusuchen: „Ab jetzt kleistern wir. Kleistern kann jeder. Ihr werdet nicht mehr gebraucht.“ Gleichzeitig kam das Aus für Nokia S40. Das Nokia S30+ kam anfangs sogar ohne Bluetooth-Audio. Microsoft Mobile und später HMD übernahmen diese Verkleisterung und führen sie bis heute weiter. Nun kommt Mocor als Ergänzung zu MAUI. Wobei, wer sich das Windows Dump-Phone RM-1182 genau anschaut, erste Experimente mit Mocor fandenschon zu Zeiten Microsofts statt.
Software: Kleistern
Kleistern ist tatsächlich auch mit weniger hochqualifiziertem Personal möglich. Aber wer nicht gut kleistern kann (oder will), bei dem fällt trotzdem schnell die Tapete von der Wand (oder die Werbung von der Litfaßsäule). Und so ist das auch mit dieser Adaption. HMD will noch immer kein gutes Telefon bauen. Nicht einmal mehr die Menü-Schriften sind an „Nokia“ angepasst worden. Als Standby- und Haupt-Menü-Hintergrund geistert ein Abbild unseres Erdtrabanten umher. Hat HMD endlich eingesehen, dass Sie vom hintern Mond sind? Oder wollen sie ihren Kunden sagen, wer sich das kauft, ist vom hintern Mond? Ignorieren wir diese Schmähungen kurz und versuchen das Hintergrundbild zu ändern: Geht! Aber an Bord meines Nokia 225 4G ist lediglich der Mond – immerhin – in unterschiedlichen Farben. Entweder man bastelt sich am Computer ein PNG (240×320) und überträgt es mittels microSD oder Bluetooth. Oder man macht ein Foto, z. B. in einem dunklen Raum oder indem man die Kamera-Linse abdeckt. Erst dann kann man über „Menü → Einstellungen → Individ. Anpassung → Sperrbildschirm → Aus Galerie auswählen“ den Hintergrund beruhigen. Denn obwohl der Menüpunkt lediglich „Sperrbildschirm“ heißt, gilt das für alle Hintergründe.
Auch sonst erreicht das Menü nicht einmal die Software-Usability des Nokia 6110 aus dem Jahr 1998. Denn Apps wie das Spiele-Menü, der Web-Browser und die Sprachaufzeichnung sind eigene „Welten“; dort wird dann nicht mehr der Navigations-Dreiklang aus ☰ Aktion ← verwendet. HMD hält diesen Dreiklang aus Optionen-Aktion-Zurück nicht durch. Und war in MAUI schon schwer zu erkennen, wann eine Menü-Liste weitergeht (Scroll-Balken erst während der Navigation), erscheint in dieser Mocor-Adaption gar kein Scroll-Balken mehr. Im Hauptmenü malt Mocor tatsächlich unten am Rand die nächsten drei Icon halb an – so wie sich das gehört. Aber die Transparenz ist so stark, dass man das nur aus einem ganz flachen Blickwinkel sieht. Wie auch in MAUI läuft das Menü durch; bin ich über das Ende hinausgeschossen, komme ich wieder oben an. Auch werden wie in MAUI die einzelnen Apps links oben und nicht direkt beim Icon benannt. Alles Probleme, für die es bereits seit 15 Jahren bessere Ansätze gibt.
Aber auch Positives ist zu vermelden: Sind andere Mocor5 ab-Menü-Ebene-2-ist-alles-wie-in-Android, merkt man bei dieser HMDs Adaption nichts mehr von Android. Und kann man als Hintergrundbild tatsächlich alles nehmen, was man will, denn die Menü-Icons sind nicht nur zu weiß (oder schwarz) hin anti-aliased. Damit ist endlich ein Feature-Phone-Betriebssystem auf dem Niveau von PNG angekommen – also auf dem Stand der Computer-Graphik aus dem Jahr 1996. Nokia und Microsoft hatten das nicht geschafft. HMD, heureka!
Internet
Social-Media
Nix. Das Icon für Facebook ist nichts anderes als ein Shortcut, der Opera Mini mit „m.facebook.com“ startet. Und ansonsten gibt es nichts. Kein E-Mail-Client für IMAP. Kein Messanger wie WhatsApp. Nicht einmal ein Shortcut für Twitter. Alles muss man über den Web-Browser ansteuern können. Idealerweise WAP bzw. Mobile-Webseiten aus den 90ern, also bitte wap.*, w.*, mobile.*, mobil.*, und m.* durchprobieren. Vielleicht hat Dein Anbieter noch eine solche Webseite. Bietet Dein Anbieter noch RSS-Feeds, auch dann hast Du gewonnen. Denn mit solchen Dingen kann der Opera Mini wirklich gut umgehen.
App-Store
Nix. Gibt es nicht. Auch eine manuell rüber geschobene APK für Android 4.4.4 wird nicht gestartet. Was bleibt ist ein Opera Mini 4.4, der heute schlechter als im Jahr 2008 auf einem Nokia 6300i ist. Selbst Dinge wie YouTube gehen (nicht) mehr. Nokia Series 40 bzw. Symbian/S60 löste das über RTSP. Google bietet das nicht mehr an und ich bezweifele auch, dass Mocor dies überhaupt kann.
Telefonieren mittels Voice-over-LTE (VoLTE)
Klappt mit meinem Nokia 225 4G mit allen drei deutschen Netzbetreibern, getestet jeweils auf der original Prepaid-Plattform. Auch kann ich auf beiden SIM-Slots in VoLTE eingebucht sein, sogar gleichzeitig. Mehr dazu im Thread zu HMD+VoLTE … Sowohl HD-Voice (bis Wideband; AMR-WB) als auch HD-Voice+ (bis Super-Wideband; 3GPP-EVS) gehen (nur) über LTE.
Fazit
Über die ersten Nokia S30+ bin ich damals derbe drüber gefahren, weil Nokia Mobile Phones vorgaukeln wollte, es hätte irgendwas mit den alten Software-Plattformen zu tun. Selbst diese Vergackeierung hat HMD aufgegeben. Jedenfalls Software-seitig. Die Hardware ist immer noch im Stile Nokia-Mobile-Phones. Verpackung und Kurzanleitung ist im Stile Microsoft-Mobile. Damit ist HMD endgültig in der Beliebigkeit angekommen. Bei Saturn und Media-Markt findet sich inzwischen ein ganzes Rudel an „Herstellern“ für einfache Handys … Was unterscheidet ein HMD von einem Alcatel (TCL Mobile) oder diesen „lokalen“ Firmen wie Corn Technology (Deutschland), Bea-fon Mobile (Österreich) und MaxCom (Polen), die nichts anderes als Festland-Chinesen-Proxy-Firmen sein dürften. Warum sollte man noch zur Marke „Nokia“ greifen? Weil man mit HMD einen Hersteller hat, der sowohl gute Netzeile, gute Akkus als auch von Nokia Mobile Phones bzw. Microsoft Mobile in Vietnam ein Werk mit Fertigungsstraßen geschenkt bekam, die heute ihres Gleichen suchen.
Leider kommt beim Nokia 225 4G als Akku der BL-4WL zum Einsatz; Ersatz dafür findet sich im Gegensatz zum Nokia BL-5C richtig schwer. Außer VoLTE ist nichts an dem Gerät spannend. Wer noch ein Nokia 6300i (Nokia Series 40) oder ein Nokia E52 (Symbian/S60) am Leben erhalten konnte, der schüttelt den Kopf. Mit jenen Modellen kann man auch heute noch im Internet surfen, Opera Mini 4.4 sei Dank. Mittels Landkarten navigieren (mit knapp zehn Jahre altem Karten-Material). Und sogar E-Mail und VoIP/SIP klappen noch heute verschlüsselt (aber nur wenn der Anbieter mitspielt). Und WLAN gab es auch. Selbst Video ging(e, wenn man noch einen RTSP-Anbieter fände).
Rezensionen
Wer auf Amazon noch die bisherigen „kritischen“ (Stufen 1 bis 3 von 5) durchkauen will:
Teltarif.de hat ebenfalls Artikel mit Leser-Kommentaren:
- Vorstellung Nokia 3310 3G …
- Vorstellung Nokia 220 4G …
- Vorstellung Nokia 225 4G …
- Vorstellung Nokia 110 4G …
- Kurztest Nokia 110 4G …
Firmware-Versionen (Nokia 225 4G)
12 = 20A_MP_W20.45.6
14 = 20A_MP_NQ2_W21.19.1