Kameratelefon mit vollständiger Ausstattung
Wieder einmal strebt Sony Ericsson zur Spitze
Das neue Handy T610 ist ein würdiger Nachfolger des T68
Von Michael Spehr
19. Juli 2003 Das Handy T68 von Ericsson, vor zwei Jahren präsentiert, war ein Überraschungserfolg. Jahrelang hatten die Schweden eher biedere Mobiltelefone mit wenig Charme im Angebot. Das T68 offerierte hingegen Siegerqualitäten: Es glänzte als Alleskönner mit perfekter Ausstattung ohne störende Mängel. Bis heute hat Nokia kein Gerät mit ähnlicher Leistungsfähigkeit. Die Finnen präsentieren zwar ein neues Handy nach dem anderen, aber im Innern arbeitet eine stets identische Hard- und Software, nur die Optik und das Gehäuse ändern sich. Siemens hat auf andere Weise an den Erfolg des T68 angeknüpft: Sein Modell S55 (seit Weihnachten im Handel) ist deshalb so gut, weil es der perfekte Klon des schwedischen Vorbilds T68 ist.
Seit einigen Wochen ist nun das T610 (für 300 Euro) im Handel, wir haben es gründlich ausprobiert. Der Neuling ist kaum größer (10x4,2x1,8 Zentimeter) als sein Vorgänger und wiegt mit 93 Gramm ein bißchen mehr als das T68 (84 Gramm). Die runden Linien des T68 wurden durch eine klare Formensprache ersetzt: Das T610 ist fast rechteckig, nur die Ecken sind abgerundet. Der untere und seitliche Teil des Gehäuses besteht aus einer hauchdünnen Aluminiumeinfassung, oben ist es schwarz lackiert. Das sieht schick aus, fühlt sich hochwertig an, ist aber nicht besonders robust: Schon kleine Stürze hinterlassen deutlich sichtbare Spuren. Fingerabdrücke sind sofort auf dem Lack zu sehen. Das Display ist im Vergleich zum Vorgänger erheblich größer, es hat eine Auflösung von 128x160 Punkten und zeigt nun 65000 statt nur 256 Farben. Die beiden seitlich am T68 verstauten Leuchtdioden für die Anzeige des Geräte- und Bluetooth-Status wurden ersatzlos gestrichen, geblieben ist aber der Anschlußport unten am Gehäuse für Stromversorgung, Ansteckkamera und Freisprechanlage. Ganz neu ist die rückseitig eingebaute Kamera mit einer Auflösung von leider nur 288x352 Pixel.
Auch bei der Bedienung und Gestaltung der Menüs gleichen sich Alt und Jung: Mit dem Joystick-Knubbel unterhalb der Anzeige fährt man flink durch die Menüs. Es gibt 12 Hauptmenüs mit farbig-animierten Symbolen. Daß ein ganzes Obermenü nur für den Aufruf der Wap-Seite von Sony Ericsson reserviert ist (die während unseres Tests zudem nicht erreichbar war), ist eine ärgerliche Eitelkeit, die man früher bei den Schweden nicht kannte. Bei den T610-Modellen für die Netzbetreiber sind ähnliche Schikanen fest eingebaut. Ein Vodafone-Gerät kann nicht mehr ohne weiteres im Netz von T-Mobile alle Wap-Funktionen nutzen. Dieses sogenannte "Branding" ist für den Kunden eine Zumutung. Wir empfehlen den Kauf eines Geräts ohne Netzbetreiber-Klamauk.
Unser nacktes Gerät direkt von Sony Ericsson hatte dann leider nur acht Klingeltöne an Bord, dafür aber einen exzellenten Soundchip für polyphone Klänge, die begeistern. Midi-Dateien lassen sich ganz einfach mittels Infrarot, Bluetooth oder MMS zum T610 transportieren und dort als Ruftöne nutzen. Nur das weitverbreitete Wav-Format vom Windows-PC wird als Klingelton nicht unterstützt. Einzigartig ist der Melodie-Editor, der zum Komponieren eigener Klänge dient. Hier handelt es sich nicht mehr um ein simples Notensatzprogramm wie bei anderen Handys, sondern um eine Art Synthesizer, bei dem man auf vier Ebenen Dutzende von Klängen arrangieren kann. Was dabei herauskommt, hört sich verflixt professionell an.
Bei allen anderen Funktionen zeigt Sony Ericsson ebenfalls eindrucksvoll, was derzeit Stand der Technik ist: Bluetooth, Infrarot, MMS und E-Mail sind schnell in Betrieb genommen und arbeiten problemlos. Mit der automatischen Konfiguration auf der Internetseite http://www.sonyericsson.com/de werden sämtliche Parameter kostenlos und unkompliziert auf das Handy gespielt. Die Synchronisation der eigenen Adressen und Termine mit Outlook auf dem Windows-PC übernimmt eine beiliegende Software, sie arbeitete bei uns von Anfang an fehlerfrei und effizient. Neu ist beim T610 ein "Heute-Bildschirm", wie man ihn von Outlook kennt: Alle wichtigen Termine und Aufgaben werden übersichtlich angezeigt. Als reiner Sprechapparat überzeugt das T610 mit langer Bereitschaftszeit, guten Sende- und Empfangseigenschaften und einer ausgezeichneten Akustik. Die Geräte aus der ersten Charge für den deutschen Markt haben leider bei Telefongesprächen einen erhöhten Rauschpegel. Das ist ein Fabrikationsfehler: Die defekten Handys werden vom Händler oder Sony Ericsson getauscht.
Uns störten im Dauergebrauch nur Kleinigkeiten: So ist der eingebaute Browser für Wap (Standard 2.0) für unseren Geschmack zu langsam. Er zeigt außerdem nicht mehr die Verbindungszeit und das Datenvolumen am Ende einer Online-Sitzung an. Auch fehlt die traditionelle Anzeige der verbleibenden Bereitschaftszeit des Akkus. Trotz dieser kleinen Mängel ist das Fazit klar: Das T610 läßt die aktuellen Nokia- und Siemens-Modelle mit seiner reichhaltigen Ausstattung, dem sehr guten Display und der sicheren Bedienung hinter sich. Es ist ein würdiger Nachfolger des T68 und eine neue Referenz in der Oberklasse.
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