Ukraine / Krimkrise

  • Ich hatte inzwischen die Gelegenheit, den Aufsatz von Prof. Schachtschneider in Ruhe zu reflektieren.


    Wenn ich ihn richtig verstehe, decken sich unsere Auffassungen in weiten Teilen ... die Übereinstimmungen sind wirklich verblüffend. Solche weitgehende Einigkeit ist im juristischen Bereich - insbesondere in Rechtsgebieten wie dem Völkerrecht - schon fast die Ausnahme.


    Wenn meine Beiträge zum konkreten Thema hier zuweilen schon fast für abstrus gehalten werden (und mir sogar schon eine alkoholbedingete Denkstörung unterstellt wurde), würde ich darum bitten, sie im Kontext des verlinkten Aufsatzes noch einmal zu überdenken. Ich gestehe unumwunden ein, die Weisheit "nicht mit Löffeln gefressen" zu haben. So abwegig, wie mancher hier es pauschal darstellt, sind meine Überlegungen jedenfalls nicht.


    Der Link auf die Internetzensur in Russland verdeutlicht das zugrundeliegende Problem. Als Folge einiger wirklich eklatanter Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze lässt sich so Mancher indoktrinieren, Russland sei insgesamt ein Staat, der Verwerfliches im Schilde führe.


    Versucht man allerdings, sich wirklich objektiv mit den Fakten des Umsturzes in der UA auseinanderzusetzen (vielleicht hilft das Ersetzen konkreter Staatennamen durch X, Y und Z), wird man Erkennen können, dass die russische Position in dieser konkreten Angelegenheit zumindest vertretbar, wenn nicht gar zu befürworten ist.


    Wenn die USA die russische Position (wider besseren Wissens) dennoch als unzweifelhaft und in schwerwiegender Weise rechtswidrig hinstellen mit der Folge, dass Sanktionen verhängt werden müssen, wirft das aus meiner Sicht ein bezeichnendes Bild auf die Beweggründe dieser Regierung - sachliche können es jedenfalls nicht sein. Wenn ich mir dann noch ansehe, wie die Vertreter der Europäischen Union wie die Lemminge reagieren, entsetzt mich das.


    Das ist keine Freundschaft mehr ... das an den Tag gelegte Verhalten grenzt schon an Hörigkeit.


    Gut's Nächtle

  • Ach Frank, es gibt in diesem Forum glaube ich keinen anderen User!der sich so schön und in regelmässen Abständen selbst auf die Schulter klopft :p


    Und es stimmt, Schachtschneider ist nicht irgendwer, sondern in einigen Gebieten eine höchst umstrittene Persönlichkeit.

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Wenn die USA die russische Position (wider besseren Wissens) dennoch als unzweifelhaft und in schwerwiegender Weise rechtswidrig hinstellen mit der Folge, dass Sanktionen verhängt werden müssen, wirft das aus meiner Sicht ein bezeichnendes Bild auf die Beweggründe dieser Regierung - sachliche können es jedenfalls nicht sein.


    Soweit ich weiß, wurden die Sanktionen nicht als Strafe für irgendwelche "russischen Positionen" verhängt, sondern weil Russland auf die Krim einmarschiert ist und diese, nach einem höchst fragwürdigen Referendum ohne jede Rechtsgrundlag annektiert hat. Aber ich kann mich natürlich auch irren.

  • Zitat

    Original geschrieben von autares
    Ach Frank, es gibt in diesem Forum glaube ich keinen anderen User!der sich so schön und in regelmässen Abständen selbst auf die Schulter klopft :p
    ...


    Wenn es doch sonst schon keiner macht ... :(



    Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    Soweit ich weiß, wurden die Sanktionen nicht als Strafe für irgendwelche "russischen Positionen" verhängt, sondern weil Russland auf die Krim einmarschiert ist ...


    Das wäre dann in der Tat was anderes.


    Ich hatte es so aufgefasst, als dienten die Sanktionen nicht in erster Linie einer Bestrafung für Vergangenes (wie den Anschluss der Krim an Russland), sondern eher einer Sanktionierung des gegenwärtigen Verhaltens (oder eher Nichtstuns) mit dem Ziel, Putin dazu zu bewegen, die Aufständischen im Osten zur Aufgabe (und Abgabe ihrer Waffen) zu bewegen. Insoweit wird vorausgesetzt, dieses stünde in seiner Macht.


    Er selbst scheint sich hierzu weder als verpflichtet noch als befähigt anzusehen. Diese Einstellung meinte ich im Wesentlichen mit dem Begriff "russische Position" in Bezug auf die Sanktionen (aber natürlich nicht abschließend).



    Aber in der Tat: Wir sollten wenigstens einig sein, worüber wir hier diskutieren. :)

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Ich hatte es so aufgefasst, als dienten die Sanktionen nicht in erster Linie einer Bestrafung für Vergangenes (wie den Anschluss der Krim an Russland), sondern eher einer Sanktionierung des gegenwärtigen Verhaltens (oder eher Nichtstuns) mit dem Ziel, Putin dazu zu bewegen, die Aufständischen im Osten zur Aufgabe (und Abgabe ihrer Waffen) zu bewegen. Insoweit wird vorausgesetzt, dieses stünde in seiner Macht.


    Nein, die ersten Sanktionen wurden bereits im März beschlossen als unmittelbare Reaktion auf das initiierte Referendum und die anschließende Annektierung der Krim durch Russland. Die Lage in de Ost-Ukraine verschärfte sich erst später.

  • Diesen Teil der Sanktionen hielte ich dann für unsinnig. Sanktionen halte ich dann für berechtigt, wenn man damit ein Ziel verfolgt, zu dem der Sanktionierte gebracht werden soll. Sie werden so lange aufrecht erhalten, bis der Sanktionierte das Geforderte unternimmt bzw. unterlässt.


    Weil Russland die Krim aber niemals nicht wieder hergeben wird, gäbe es überhaupt kein denkbares Szenario, bei dem die Sanktionen (ohne Gesichtsverlust) wieder aufgehoben werden könnten. So bstünden sie bis in alle Ewigkeit - zum Schaden aller Beteiligten, und insbesondere wohl Europas. Auch wird Russland irgendwann die russischen Betroffenen für ihre eingefrorenen Vermögen entschädigen müssen/wollen und sich natürlich an amerikanischen (soweit vorhanden) und europäischen Vermögen schadlos halten (im Rahmen der Verhängung von Gegensanktionen).


    Kann eine solche Situation Ziel der Verhängung von Sanktionen sein?

  • Zitat

    Original geschrieben von rmol
    Endlich mal ein postives Zeichen von Putin - wenn es sich tatsächlich bewahrheiten sollte.... Es fehlt aber noch die Aufforderung, die Präsidentenwahl vom 25. Mai stattfinden zu lassen.

    Wieder mal zu früh gefreut

    Zitat

    "Die Führung der Volksrepublik Donezk hat einstimmig beschlossen, das Referendum wie geplant am 11. Mai durchzuführen", sagte Roman Ljagin, Chef der "Zentralen Wahlkommission" und Verfechter der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk", SPIEGEL ONLINE. Auch die Separatisten in der Stadt Luhansk erklärten, sie würden das Referendum über die Loslösung von der Ukraine nicht verschieben.

    Allerdings heißt es auch

    Zitat

    Am Donnerstag erklärte der Kreml außerdem erstmals deutlich, Russland werde die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine anerkennen - falls die Führung in Kiew zuvor ihren Militäreinsatz im Osten beende.


    Nun müsste Putin nur noch erklären, wie die Wahl am 25. Mai stattfinden soll, wenn die Separatisten sie nicht zulassen und ein Militäreinsatz gegen sie ausgeschlossen sein soll.


    Warum muss ich da an Goethe denken? „Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nun nicht los.“

  • Das Dilemma für Putins verleugnete Vorhut ist, daß sie praktisch weder in der Position sind noch die Ressourcen haben, um jetzt schon ein flächendeckendes Referendum in der Ost-Ukraine durchzuführen, beziehungsweise auf unbestimmte Zeit hin in ihren Trutzburgen auszuharren. Sie sind unter Zeitdruck.

    LG: V30
    Samsung: Galaxy Tab S2 LTE, A5 (2017);
    Sony: Xperia X Compact;

  • Ein weiteres Dilemma dürfte sein, dass dieses Referendum in meinen Augen so verbindlich ist, wie das berühmte Fahrrad, das in China umfällt.


    Bisher wüsste ich jedenfalls keinen Außenstehenden, der


    a) diesem Referendum eine rechtserhebliche Wirkung zubilligt und
    b) ein Interesse daran hätte, bei einer evtl. Umsetzung behilflich zu sein.


    Lediglich wenn ein potenter Partner beide Voraussetzungen mitbringen würde, ginge von dem Referendum eine Gefahr aus - einen solchen sehe ich aber nicht). Im Falle der Krim war Russland ein solcher Partner.


    Meine Einstellung zum Referendum im Osten: Je früher, desto besser. Nur so können die Separatisten schnellstmöglich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und zu einer vernünftigen Position anlässlich von (aus meiner Sicht unverzichtbaren) Friedensverhandlungen gebracht werden.


    Das geht in erster Linie dadurch, dass sie selbst merken, dass ihr Ansinnen keine reelle Chance auf eine Umsetzung hat. In der Folge könnten sie sich mit einer (bereits zugesagten) föderalen Struktur zufrieden geben.


    Allerdings müsste sich das Regime in Kiew zu Verhandlungen mit den Separatisten bereit zeigen ... was es bisher kategorisch ablehnt.



    Edit:
    Wenn all das in trockenen Tüchern und eine neue Regierung etabliert ist, könnte bei fortbestehendem Interesse in aller Ruhe ein erneuter Anlauf für ein landesweites demokratisch legitimiertes Referendum (wahlberechtigt wären alle Ukrainer) zur Einheit der Ukraine gestartet werden (oder eben auf eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen).

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Diesen Teil der Sanktionen hielte ich dann für unsinnig. Sanktionen halte ich dann für berechtigt, wenn man damit ein Ziel verfolgt, zu dem der Sanktionierte gebracht werden soll. Sie werden so lange aufrecht erhalten, bis der Sanktionierte das Geforderte unternimmt bzw. unterlässt.


    Naja, mit der Argumentation wären Sanktionen ja immer dann "unsinnig", wenn der Sanktionierte behauptet, dass er das sanktionierte Verhalten keinesfalls einstellen bzw. zurücknehmen wird. Das dürfte in so gut wie allen Konstellationen der Fall sein, sonst bräuchte es ja keine Sanktionen. Mit diesen soll ja gerade gezeigt werden, dass ein bestimmtes Verhalten nicht toleriert wird. Das kann u.U. auch "bis in alle Ewigkeit" geschehen, s. Iran oder Nordkorea. Oder bist du hier auch für eine Rücknahme der Sanktionen, nur weil das dortige Regime "ohne Gesichtsverlust" nicht von der Entwicklung von Atomwaffen Abstand nehmen kann/wird?

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