"Komisch," denkt ihr jetzt vielleicht, "im Zeitalter von GPRS und Farbdisplays ein Bericht über ein 6 Jahre altes Handy?"
Ja, warum, denn nicht - das Nokia 8110, von seinen Fans liebevoll "Banane" genannt, ist und bleibt nämlich ein absoluter Klassiker und ein Meilenstein in der Handy-Geschichte.
Das 8110 hat einen festen Platz in meiner Handy-Sammlung und ich lasse dafür gelegentlich sogar Handys wie das 8850 oder das T68 zu Hause.
Natürlich kann ein solcher Bericht nicht so ausführlich werden, wie einer über eins der aktuellen Modelle, die ja mit Technik geradezu vollgestopft sind. Er mag auch nicht völlig objektiv sein, auch wenn ich mich bemühe - ich bin eben ein Fan des 8110!
Ich erinnere mich noch an das Jahr '95, als das 8110 vorgestellt wurde. Es war klein, es war leicht, es war schön und es war sündhaft teuer. Es gab damals wohl kaum einen Handyfreak, der nicht gerne ein 8110 besessen hätte. Das 8110 ist der Urvater der 8000er-Reihe von Nokia, die ja schon immer das Luxus-Segment war - für damals 1200 DM ohne Vertrag bekam man locker zwei 2110 oder später 3110. Nicht nur vom Preis her war es eine Sensation, sondern auch vom Design: ein sanft geschwungenes Gehäuse mit einer stufenlos einstellbaren (aktiven) Schiebeklappe hatte es bis dahin noch nicht gegeben.
Durch die Verwendung eines Lithium-Ionen-Akkus konnte ein revolutionäres Gewicht von nur 152 g erzielt werden, die Abmessungen von 141 x 45 x 25 mm waren seinerzeit ebenfalls beispiellos.
Nun will ich etwas genauer auf ein paar Punkte zum 8110 eingehen:
Design, Verarbeitung:
Natürlich wirkt das Design heutzutage veraltet und nicht mehr zeitgemäß, da es trotz des geschwungenen Gehäuses recht kantig ist - seinerzeit war es wie gesagt sehr extravagant. Soweit ich informiert bin, gibt es allerdings auch bis heute kein anderes Handy, das eine solche "Bananenform" aufweist; das 8110 ist also in dieser Hinsicht einzigartig.
Die Verarbeitungsqualität ist um längen besser als die aktueller Nokia-Modelle! Trotz des recht filigran wirkenden Schiebeklappen-Mechanismus sind die Spaltmaße perfekt und das Gehäuse ist bombenfest zusammengesetzt. Gegen ein solch solides Handy wirkt ein 6210 oder gar ein 8210 extrem "schepperig" und zerbrechlich.
Ausstattung:
Verglichen mit aktuellen Handys ist die Ausstattung sehr spartanisch, zur damaligen Zeit war sie jedoch fulminant.
Das 8110 besitzt trotz seines Alters neben den Standard-Features schon einen LiIonen-Akku, einen geräteinternen Speicher für 125 Nummern, integriertes Softmodem, recht fein auflösendes Punktmatrix-Display, umfangreiche Ruflisten, 16 verschiedene Klingeltöne und einen optionalen Vibra-Akku. Das Nachfolgemodell 8110i beherrscht zusätzlich noch das Nokia Smart Messaging. Spiele, T9, WAP etc. sucht man natürlich vergebens - die meisten dieser aktuellen Features waren eben '96 noch gar nicht erfunden.
Menüführung, Bedienung:
Die Menüführung lässt schon Ansätze der heute verwendeten erahnen, ist aber trotz des geringeren Umfangs noch nicht ganz so einfach und intuitiv, da manche Befehle noch anders erfolgen, noch keine Menügrafiken vorhanden sind und die Softkeys noch nicht so durchdacht belegt sind.
Heutzutage kann man ja bei allen Nokia durch Druck auf die rote Hörertaste in den Standby-Screen zurückspringen - dies geht beim 8110 noch nicht und es ist eine separate C-Taste dafür vorhanden. Über diese C-Taste können auch einzelne Zeichen in einer Rufnummer oder SMS gelöscht werden.
Eine weitere Taste, die später wegrationalisiert wurde, ist die ABC-Taste, die zum Umschalten zwischen Buchstaben und Ziffern dient: es kann im Speicher nämlich nur Rufnummer ODER Name angezeigt werden und noch nicht beide zusammen.
Die Funktionsauswahl der beiden Softkeys ist begrenzt: im Standby-Screen führt die linke ins Menü, die rechte in den Rufnummernspeicher. Innerhalb des Menüs bestätigt die linke eine Auswahl, die rechte führt einen Schritt zurück. Durch langen Druck auf den rechten Softkey gelangt man ebenfalls in den Standby-Screen zurück; die Funktion ist also doppelt belegt. Im Rufnummernspeicher fungiert der linke Softkey übrigens als Optionstaste.
Bei den aktuellen Modellen sind die Softkeys "anpassungsfähiger"; die gesamte Bedienung wird dadurch natürlich vereinfacht.
Ebenfalls etwas umständlicher gelöst ist die Umschaltung zwischen Groß- und Kleinschreibung beim Schreiben einer SMS: es muss die betreffende Taste gehalten werden; heute kann man mit einer separaten Taste umschalten, was einen nicht so "aus dem Rhythmus" bringt.
Die 7 Hauptmenüs sind folgende: 1. Anrufregister, 2. Mitteilungen, 3. Anrufoptionen, 4. Telefonoptionen, 5. Sicherheitsoptionen, 6. Speicherfunktionen, 7. Ruftonoptionen. Ich denke, die Menüs erklären sich von selbst und ich muss nicht näher darauf eingehen.
Die Bedienung an sich ist im Großen und Ganzen gut gelöst, allerdings liegen die Tasten wegen der Schiebeklappe sehr flach im Gehäuse. Die oberste und die unterste Tastenreihe lassen sich durch eine Kante unter dem Display bzw. durch die Klappe etwas fummelig bedienen.
Standby- und Gesprächszeit:
Die Werksangaben bei Verwendung des Leicht-Akkus sind max. 70 h Standby und 2 h Gesprächszeit - bei meinem Gerät ist der Akku aber nach spätestens 15 h wieder komplett leer, was aber vor allem am Alter liegen wird.
Sehr positiv ist die schnelle Ladezeit: nach nur einer Stunde ist der Akku wieder so gut wie vollständig geladen.
Empfang und Sprachqualität:
In diesen beiden Disziplinen ist das 8110 kein Meister und man merkt, dass sich auch hier in den letzten Jahren einiges getan hat. Auch im gut versorgten City-Bereich zeigt die Empfangsanzeige des öfteren nur zwei Balken an. Mit dem 8850, das ja für seinen miesen Empfang bekannt ist, habe ich diesbezüglich weit weniger Empfangsschwächen.
Die Sprachqualität ist ebenfalls nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit. Man kann sein Gegenüber zwar klar und deutlich verstehen, bei heutigen Modellen klingt der Gesprächspartner aber merklich klarer und volltönender. Ein deutliches Ruherauschen und gelegentliches GSM-Brummen trübt zusätzlich etwas den Klangeindruck, die heute standardmäßige "Enhanced Fullrate" war damals im D-Netz meines Wissens aber auch noch nicht eingeführt.
Kult-Faktor:
Wie schon beim StarTAC extrem hoch! Unter Liebhabern war dieses Telefon schon immer ein Leckerbissen, da es ein absolutes Edel-Telefon aus einer Zeit ist, als erst knapp 5 Millionen der Deutschen ein Handy besaßen und nicht (wie heute) über 50 Millionen. Außerdem hat es seine eigene Ästhetik und ist wie gesagt einzigartig, so dass man es einfach lieben muss.
Einen zusätzlichen Popularitäts-Schub hat das 8110 durch den Film "Die Matrix" bekommen, da es dort verwendet und regelrecht in Szene gesetzt wurde. Fans der dort gezeigten automatischen Klappe muss ich allerdings enttäuschen: der Mechanismus wurde extra für den Film eingebaut und ist bei den "echten" 8110ern nicht vorhanden - die seitlichen Tasten dienen in Wirklichkeit nur der Lautstärkeeinstellung.
Fazit:
Wer ein flippiges Handy mit allen erdenklichen Spielereien sucht, sollte das 8110 nicht ins Auge fassen, da es davon meilenweit entfernt ist.
Für Sammler hingegen ist es ein Muss, für Freunde des Designs oder für Individualisten, die nicht auf der SMS-, Logo- und Klingelton-Welle mitreiten wollen, ein zuverlässiges ausgereiftes Gerät. Trotz seines Alters: ein Hingucker ist es immer noch und wird es vermutlich auch immer bleiben!
Liebe Grüße,
Mooney