Der Fall Mollath

  • Nun ja ... bisher wurde der Presse gegenüber auf deren Nachfragen immer steif und fest behauptet, in dieser Frage existierten keine Statistiken. So konnte die Presse auf (angeblich) nicht existente Zahlen auch nicht eingehen.


    Daher wunderte mich, dass Bosbach überhaupt mit einer Zahl aufwarten konnte, die offiziell bisher nie existierte. Von daher auch meine Mutmaßung, dass sich Bosbach schlichtweg "verplappert" hat mit der Bekanntgabe einer Zahl, die bis dato ein gut gehütetes Geheimnis war.


    Vielleicht warten wir ja mal ab, ob die Presse diese Zahl aufgreift, um mögliche Missverständnisse aufzuklären. Wenn nicht (was ich mir kaum vorstellen kann) gibt es andere Wege, Klarheit zu schaffen. Zumindest in meinem Gedächtnis ist diese Zahl erst einmal langfristig abgelegt, um sie bei geeigneter Gelegenheit anzubringen.


    Auch ich habe gewisse Schwierigkeiten bei Gedanken an derartige Auswüchse. Zumal die Zahl der rechtskräftig festgestellten unschuldig verbüßten Zeiten (als Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch) de facto ja nur die Spitze eines Eisbergs bilden dürften. Die nahezu unüberwindlichen Hürden eines solchen Verfahrens kamen im Wörz-Film recht deutlich zu Ausdruck.

  • Zitat

    Original geschrieben von fadf
    ...(bei vollem Ansatz der 25.-/Tag)

    25 Euro.
    Wörz hatte dazu neulich passend gesagt, das selbst wenn man ihm 5 Millionen geben würde, das nicht die verlorengegangene Lebenszeit wieder gut macht.
    Job weg, Familie weg, Freundeskreis weg, Psyche schwer belastet, Ersparnisse sind für Anwaltskosten draufgegangen etc.
    Alles was ein lebenswertes Leben ausmacht, wird demjenigen genommen.


    Übrigens:

    Zitat

    Original geschrieben von wikipedia.de
    Ohne Rechtsgrundlage werden allerdings von der Entschädigung die Kosten für Betreuung und Verpflegung während der Haftzeit, ca. 6 € pro Tag,[1] abgezogen, sodass die reale Entschädigung noch erheblich gemindert wird.

    Also bleiben dem Geschädigten höchstens 19€ am Tag.
    Das der Staat sich selbst noch dort seinen Anteil sichert, obwohl er Verursacher des Problems ist...Wahnsinn.

    Dieser Account ist nicht mehr aktiv.

  • Der Causa Mollath muss man wirklich zu Gute halten, das sie den Fokus der Öffentlichkeit (endlich) auf ein Problem gerichtet hat, das es immer schon gegeben hat. Bleibt zu hoffen, dass die gegenwärtige Sensibilisierung der Öffentlichkeit nicht einfach wieder spurlos versickert.


    Hier können Medien wirklich mal beweisen, dass die Pressefreiheit auch ein hohes Gut für alle Bürger sein kann. Rein potenziell ist halt jeder betroffen.


    Schau'n wir mal, wie es weitergeht ... droht das Ganze zu versickern (was ich nicht hoffe), könnte ich mir durchaus vorstellen, selbst initiativ zu werden. Insbesondere das Internet ist inzwischen ein Weg, der sogar dem einfachen Bürger Gehör verschafft. Der Fall Mollath ist ein eindrucksvoller Beweis dafür.

  • Zitat

    Will heißen:
    In der Bundesrepublik werden pro Kalenderjahr knapp 250 Jahre Haftzeit unschuldig verbüßt. Ein Hammer, dessen Größenordnung ich nicht anzunehmen gewagt hätte. Allerdings erklärt er die geringen Entschädigungssätze, weil Haftentschädigungen schließlich nicht zum Staatsbankrott führen dürfen. :rolleyes:



    Edit:
    Vielleicht kann jemand, der die Will-Runde auch gesehen hat, die Aussage Bosbachs mit den für die Landeskasse zu teuren 90.000 Tagen unschuldig verbüßter Haft verifizieren. Für gewöhnlich höre ich noch gut - dennoch kann ich (fast) nicht glauben, was ich da gehört habe.


    Umgerechnet auf ca. 60.000 Inhaftierte bedeutet das, das jeder 250. Häftling unschuldig einsitzt.


    Bei der Arbeitsweise der deutschen Justiz und den lebensfremden Richtern halte ich diese Quote für möglich.


    Gruß


    HHFD

    Gesendet von meinem Motofone F3

  • So wird man auch wieder nicht rechnen dürfen. Der Großteil dieser 250 Jahre wird sich auf U-Haft beziehen, deren Dauer in den meisten Fällen einige Wochen bis wenige Monate betragen dürfte, so dass die Zahl der betroffenen Bürger wohl eher einem Vielfachen von 250 entspricht.


    Allerdings wird man die Relation nicht ganz außer Acht lassen dürfen ... auch wenn jeder Einzelfall einer zuviel ist. Die Relation rückt Bosbachs Zahl zumindest in den Bereich des Vorstellbaren - in der Sendung hatte sie mich auf Anhieb ein wenig erschrocken.


    Die Berichterstattung der nächsten Zeit im Auge zu behalten, scheint mir daher auch weiterhin der richtige Weg. Ich denke, dass ein derart emotionales Thema nicht einfach bei der nächsten Schlagzeile in Vergessenheit gerät. (Blinder) Aktionismus war jedenfalls noch selten das geeignete Mittel.

  • Hi


    ich habe so gerechnet daß man sagen kann, wenn man an einem beliebigen Tag ins Gefängnis geht, ist je einer pro 250 Insassen zu Unrecht dort.



    1 / (90.000 Hafttage / (60.000 Häftlinge * 365 Tage)) = 250



    Wie lange jeder im Schnitt einsitzt, darüber kann man nur spekulieren: setzen wir die durchschnittliche Haftdauer von 7 Monaten auch für die Unschuldigen an, so haben wir ca. 420 Betroffene pro Jahr.


    Das ist ziemlich viel.


    Gruß


    HHFD

    Gesendet von meinem Motofone F3

  • Absolut ja - prozentual eher nicht; in jedem Beruf ist man vor Behandlungsfehlern (hier wohl eher Verhandlungsfehlern :rolleyes: ) nicht gefeit.


    Da die festgestellten Fälle der Inhaftierung wiederum nur ein Bruchteil der tatsächlichen Zahl sein können (das wird wohl niemand ernsthaft bestreiten) und mir Vergleichszahlen (etwa aus dem Ausland) nicht bekannt sind, weiß ich für mich überhaupt nicht, wo ich die nunmehr bekannt gewordene Zahl einordnen soll. :confused:


    So extrem erschreckend sie auf den ersten Blick scheint, wirkt sie jedenfalls nicht mehr, wenn man sie in der Relation betrachtet. Ob man allerdings überhaupt so rechnen darf, mag (vorerst) dahingestellt bleiben.


    Auch ein Vergleich mit anderen Berufsgruppen hinkt: Während etwa im medizinischen Bereich eine Vielzahl der Behandlungsfehler offenbar werden dürfte, wird der Anteil tatsächlich festgestellter Fälle von Fehlurteilen gegen null tendieren. Der Film über den Fall Wörz zeigt m.E. eindrucksvoll, warum das so ist.

  • Wenn ich in dem Artikel den Satz "am frühen Abend sagt dann Mollaths ehemaliger Pflichtverteidiger aus" lese, frage ich mich, wie dieses Mandat zustande gekommen ist.


    Wenn ich den Artikel lese, gewinne ich den Eindruck, dass dieser Pflichtverteidiger gegen den Willen Mollaths bestellt wurde - und zwar im Zusammenhang mit der Absicht des Gerichts, Mollath in der Psychiatrie wegschließen zu wollen. Anders ist die Pflichtverteidigerbestellung für mich momentan nicht zu erklären.


    Vor diesem Hintergrund war der Pflichtverteidiger aus Sicht Mollaths ebenso vertrauenswürdig wie der medizinische Gutachter, der gegen seinen Willen beauftragt wurde.


    Den Inhalt des Artikels dürfte man vor dem Hintergrund würdigen müssen, dass der Pflichtverteidiger aus der Sicht Mollaths (und eben auch aus rechtlicher Sicht) eine notwendige Voraussetzung für seine Einweisung in die Psychiatrie war. Ohne die beabsichtigte Einweisung hätte es den Pflichtverteidiger aus meiner Sicht niemals gegeben.


    Ich hoffe, dass ich den hinter allem steckenden Gedanken vermitteln konnte, der aus dem Artikel leider nicht hervorgeht, rechtlich aber sonst kaum zu erklären ist.

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