Der Fall Mollath

  • Man sollte bei der berechtigten Empörung jedoch die zivilrechtliche Komponente nicht außer Acht lassen: Auch wenn die Täterin strafrechtlich nicht mehr zu belangen ist, muss Sie dem zu Unrecht Inhaftieren dessen (auch immateriellen) Schaden ersetzen. Das bringt auch dem Opfer u.U. mehr Genugtuung als ein bloßes Einsperren auf Staatskosten.


    edit: Auch die Freiheitsberaubung verjährt fünf Jahre nach der Tat.

  • Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    ...
    edit: Auch die Freiheitsberaubung verjährt fünf Jahre nach der Tat.


    Bei dieser Tat beginnt die Verjährungsfrist aber erst viel später zu laufen ... nämlich mit Haftentlassung. Das ist im Ergebnis schon ein Unterschied von etlichen Jahren.



    Edit:
    Nun ja ... ich bin nicht wirklich empört ... eher überrrascht über einen Umstand, über den ich in dieser Konsequenz noch nicht nachgedacht hatte. Statt Empörung überfällt mich ein gewisses Kopfschütteln ...

  • Ich weiß nicht, wer am heutigen Abend die Harry-Wörz-Film (mit anschließender Diskussion bei A. Will) gesehen hat. Ich hatte ihn als TV-Tipp eingestellt. Nach Mitternacht wird er wohl noch einmal wiederholt.


    Die Parallelen zum Fall Mollath sind bezeichnend ... auch wenn es Harry Wörz aus meiner Sicht noch drastischer getroffen hat. Die Arbeitsweise von StA und Kripo (wie sie von Prof. Neumann als üblich bezeichnet wurde) entspricht auch meinen Erfahrungen aus der Zeit meiner Tätigkeit in diesem Bereich. Für problematisch halte ich (immer noch) den Umstand, dass Staatsanwaltschaften, denen die Sachleitung von Gesetzes wegen obliegt, die Polizeien weitgehend frei werkeln lassen, um anschließend deren Ermittlungsergebnisse in einer Anklage zusammenzufassen. Das ist von Rechts wegen eigentlich nicht Sinn und Zweck der Sache.


    Ich weiß nicht, ob sich Parlamentarier Bosbach nur "verplappert" hat. Für gewöhnlich heißt es immer wieder, es gebe keine Statistiken über derartige Fehlurteile, weil sie krasse Ausnahmen darstellten (so auch Bosbach).


    Als dann aber die Höhe der Haftentschädigung diskutiert wurde (25,- € pro Tag abzüglich Kost und Logis), wendete er ein, dass sich die Länder höhere Entschädigungen einfach nicht leisten könnten. Schließlich seien in der Bundesrepublik pro Jahr insgesamt 90.000 Tage ungerechtfertigter Haftzeiten zu entschädigen. :eek:


    Will heißen:
    In der Bundesrepublik werden pro Kalenderjahr knapp 250 Jahre Haftzeit unschuldig verbüßt. Ein Hammer, dessen Größenordnung ich nicht anzunehmen gewagt hätte. Allerdings erklärt er die geringen Entschädigungssätze, weil Haftentschädigungen schließlich nicht zum Staatsbankrott führen dürfen. :rolleyes:



    Edit:
    Vielleicht kann jemand, der die Will-Runde auch gesehen hat, die Aussage Bosbachs mit den für die Landeskasse zu teuren 90.000 Tagen unschuldig verbüßter Haft verifizieren. Für gewöhnlich höre ich noch gut - dennoch kann ich (fast) nicht glauben, was ich da gehört habe.


    Allerdings:
    Hätte ich mich verhört, machte Bosbachs Aussage, höhere Haftentschädigungen sprengten die Landeskassen, wiederum keinen Sinn.

  • Ja, die Aussage mit den 90.000 Tagen habe ich genau so auch gehört und war bzw. bin immer noch Sprachlos. :eek:

    Wenn Null besonders groß ist, ist es fast so groß wie ein bisschen Eins.

  • Habe gestern Abend auch den Film und die anschließende Diskussion gesehen. Auch ich kann die genannte Zahl von 90 000 Hafttagen so bestätigen. Was ich mir aber bei der genannten Zahl und der Begründung für diesen niedrigen Satz von 25€ nicht eingängig war, ist die Tatsache, dass eine höherer Haftentschädigung den Staatsbankrott herbeiführen würde.
    Selbst bei 100 € oder gar 150 € je Tag, ginge es dabei ja dann nur um eine Summe von 10 Mio. € bzw. 13,5 Mio. € die als Haftentschädigung von den Ländern aufgebracht werden müßte. Diese Summen sind doch wirklich vernachlässigbar.
    Es drängt sich mir dabei der Verdacht auf, das eine Erhöhung dieser Haftentschädigung politisch gar nicht gewollt ist - denn für diesen betroffenen Personenkreis gibt es keine Lobby. So werden diese Menschen im Prinzip ein zweites Mal bestraft.

    Das Bessere ist der Feind des Guten

  • Der Bosbach wirkte auf mich derart seriös, dass ich ihm das fatale Ergebnis abgekauft hatte, ohne es selbst nachzurechnen. Ne, ne, ne ... da wird man von seriös scheinenden Herrschaften doch glatt noch im Sack verkauft. :rolleyes:


    Edit:
    Wenn man jetzt mal am Rechnen fängt ... ist es auch gar nicht so einfach festzustellen, wie einige wenige Einzelfälle in einem Kalenderjahr diese 250 Haftjahre zusammenbekommen sollen ....

  • Nun, 250 Haftjahre bedeutet mindestens 250 Betroffene, Jahr für Jahr, deren Existenz im Regelfalle schwerstens beschädigt, wenn nicht sogar vernichtet sein dürfte.


    Der eigentliche Skandal an der menschenverachtend niedrigen Haftentschädigung -- vom Staat (und somit von jedem Einzelnen von uns) begangene Freiheitsberaubung -- ist m.E. ja, dass diese vom BVerfG für rechtmäßig und mit dem GG vereinbar erklärt wurde...


    Bei einer Haftentschädigungs-Gesamtsumme von ca. 2.250.000.- p.a. (bei vollem Ansatz der 25.-/Tag) wird jeder von uns für diese schweren (!) Verbrechen an Unschuldigen gerade einmal mit drei (!) Cent -- pro Jahr wohlgemerkt! -- zur Kasse gebeten. Ist uns unser Rechtsstaat und die Menschenwürde und v.a. die Hilfe an die unschuldig Betroffenen, wieder auf die Beine zu kommen, wirklich so wenig wert?
    Müssten wir uns nicht alle in Grund und Boden schämen?
    Ich glaube, ich muss mal ganz schnell auf's Klo...

    :-) FrageAnDiesesForum


    Danke schonmal für jede Antwort, die mir weiterhilft.

  • Ich glaube wir verstehen diese Zahl falsch. Zuerst muss man ja bedenken, dass es sich dabei auch um Fälle handeln kann, die lange Zeit zurückliegen und erst aufgrund Gentests dann so "aufgerollt" werden.


    Es werden also zumindest nicht "pro Kalenderjahr knapp 250 Jahre Haftzeit unschuldig verbüßt".


    Evtl erfolgt die Entschädigung auch bei längeren Zeiträumen in Raten, so dass hier mehrere Einzelraten, die über Jahre gezahlt werden, jedes Jahr als volle Haftdauer erfasst werden, damit sich die Summe höher anhört?

  • Wenn ich unseren Bosbach richtig verstanden habe, wurden nicht einmalig in einem Jahr (alle) 90.000 Hafttage entschädigt. Einer Erhöhung der Haftentschädigung erteilte er eine Absage, weil aus statistischer Sicht jedes Jahr diese knapp 250 Jahre zu entschädigen sind. Ich glaube kaum, dass insoweit etwas misszuverstehen ist.


    Und die Mutmaßung, bei Zahlung in Raten (so es das überhaupt geben sollte) würden Hafttage/-jahre doppelt entschädigt, halte ich für geradezu absurd.


    Es steht für mich außer Frage, dass jedem entschädigten Hafttag auch ein tatsächlich (unschuldig) verbüßter gegenübersteht. Jede andere Annahme wäre lebensfremd.

  • Ich versuche nur, mir diese krasse Zahl zu erklären.
    Das kann doch eigentlich gar nicht sein?!? In unserer derzeitigen Mediengeneration wären da doch sicher auch viel mehr in die Presse gegangen?

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