ZitatOriginal geschrieben von iStephan
Der von Frankie erwähnte "soziale Druck" / "Soziale Kontrolle" in Warteschlangen führt ja geradezu zum Zwangs-Outing Betroffener in der Öffentlichkeit.
Seh ich persönlich nicht so. Aber das mag daran liegen, dass ich in einer Großstadt lebe und mir unbekannte Leute an der Kasse relativ egal sind. Ich schmeiß auch keine Tiernahrung in die Spendenbox für's Tierheim, nur weil der vor mir das auch gerade gemacht hat.
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Oft dienen die "Hilfsprojekte" hauptsächlich dem Ego, der Selbstdarstellung der "Zugpferde". Wenn ich Til Schweiger schon höre, *kotz*.
Ob Einzelpersonen oder Unternehmen - Natürlich gehört die (Corporate) Social Responsibility oder jegliche ähnliche Maßnahme meist zur Imageverbesserung, als positiver Werbeeffekt und erfolgt durch möglichst minimalen Aufwand. Manchen Menschen hingegen nimmt man ihre Bemühungen auch ernsthaft ab.
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Die Pfandautomaten wo man den Pfandbon in eine Box stopfen muss, Edeka, oder wo der Automat das Pfand gleich auffrisst, haben den Nebeneffekt, dass die Öffentlichkeit meint, etwas für Arme tun zu können (Gewissen beruhigen.) Womöglich werden dann weniger Pfandbehälter im öffentlichen Raum zurückgelassen die die Betroffenen dann nicht mehr selber = autonom auflesen können.
Ich hab bspw. bei Lidl noch nie auf den Spendenknopf gedrückt und auch niemanden gesehen, der das gemacht hat. Pfandbehälter in der Öffentlichkeit werden, davon mal ab, sowieso doch meist aus Bequemlichkeit zurückgelassen. Wer auf jeden Cent achtet, der nimmt das Geld sowieso mit. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand sich eben dann extra die Mühe macht, leere Flaschen durch die Gegend zu schleppen, weil er 25 Cent spenden will. Wer spenden will, der tut es im Allgemeinen eh - und dann in größeren Mengen. Aber nicht so. Ich denke eher, dass das ad hoc-Entscheidungen vor Ort bei der Abgabe sind und nur in wenigen Fällen wirklich so geplante Vorgänge, dass man selbst schon unterwegs über das Pfand nachdenkt. Zumal einem die bedürftigen Flaschensammler eh im Hinterkopf sein sollten.
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PFandbons angeblich Spendenzwecken zuzuführen bedeutet, das Geld kommt Sozialpädagogen zugute, die dann neue Macht haben als Verteiler von Wohltaten
Eine latente Abneigung gegen Sozialpädagogen? Bei Lidl gehen die Spenden ja bspw. zur Deutschen Tafel. Da werden vermutlich weniger SozPäds neue Machtgefühle ausleben können.
Abgesehen davon gehen bei den meisten Spenden (die über Organisationen laufen) Verwaltungskosten und mehr ab, so dass es immer wieder ein Teil des Spendengeldes "wem anderes zu gute kommt".
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Sowohl die Aktion "deutschland rundet auf" als auch die Pfand-Spende-Systeme sind durch und durch egoistisch strukturiert und schaden dem sozialen Klima.
Durch und durch egoistisch sicherlich nicht. Positiv ausgedrückt herrscht da eine Win-Win-Situation. Reputation für die Unternehmen, neue Spendenerschließlungen bei Personen, die zuvor tendenziell nicht gespendet haben.
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An einer bayerischen Uni gibt es eine Aktion, wo Pfandflaschen aus Cafeterien gesammelt werden und gebündelt abgegeben und das Geld in einer Spendenbürokratie zusammenläuft. Auch dies hat eine Verknappung freier Barmherzigkeit zur Folge;
es ist nur ein egoistischer Vorwand, zu behaupten es sei für die Armen "entwürdigend" in einen Abfalleimer zu greifen zwecks Pfandflaschen - in Wahrheit ist es entwürdigend wenn er das nicht mehr kann, weil White collar people ihm auch noch diese Grundlage entzogen haben.
Tjaha, immer diese bösen Gutmenschen, die einen damit nur entwürdigen und auch noch die Verletzungsgefahr durch einen Griff in den Mülleimer reduzieren wollen. Klar, kann ich deine irgendwo Sichtweise verstehen, zumal mir auch bis heute nicht bewusst war, dass wirklich auch die Entwürdigung des Menschen so in den Vordergrund gerückt wird - für mich stand bei solchen Projekten in meinem Kopf immer bislang der sichere Erhalt des Pfands (sprich: nicht im Mülleimer verschwindend) im Vordergrund. Letztlich würde mich aber doch eher interessieren, ob da tatsächlich ein Entwürdigungsprozess stattfindet oder doch einfach nur bewirkt wird, dass da eben nicht mehr so extrem im Müll gewühlt werden muss - was ja letztlich so oder so stattfinden wird, da die Flaschensammler sicherlich nicht davon ausgehen, dass jeder so handelt. Den von Dir angesprochenen "egoistischen Vorwand" sehe ich aber trotzdem nicht grundsätzlich. Das klingt für mich mehr nach grauer "hauptsache dagegen"-Theorie, wie sie sich durch deine ganzen Beiträge zieht.
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Wie gesagt: Mit den althergebrachten ethischen Grundsätzen des Abendlandes sind diese "Spendenangebote" völlig unvereinbar!
Wie soll denn ein Spendenablauf in der heutigen Welt für Dich bitte genau ausschauen?
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Viel schwieriger ist es, den konkreten Bitten eines Armen konkret und korrekt zu begegnen. viel leichter ist es, ohne diese zu fragen irgendwelchen Zielgruppen in der Dritten Welt "Hilfsprogramme" überzubraten, - siehe Ulrich Wickert und seine Mädchenkampagnen, *kotz* - weil man dann als Befehlsgeber was gemacht wird auftritt.
Wie sieht dann für Dich die Umsetzung aus?
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Es geht um die Erkenntnis, dass man den Armen letztlich nur durch die Unterlassung von etwas ethisch Bösen (= alles abernten, Pfandbons monopolisieren und indirekt Pfand verknappen; Pfandbehälter den Armen wegnehmen indem sie organisiert gesammelt werden; Kleingeld-Münzen aus den Portemonnaies wegnehmen damit sie in der Fussgängerzone keinen Bettlern und Musikern mehr gespendet werden können ... und und und) helfen kann; das "Gutes" in Form von unerbetenen Gaben die an anderer Stelle mit untergrabener Autonomie und Unterwerfung verknüpft sind gar kein "Gutes" sein kann vom ethischen Standpunkt aus.
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Ebenso wird die Budgetwirkung eines gefüllten Geldbeutels geringer, wenn ich an der Supermarktkasse kein Kupfergeld mehr herausbekomme weil ich ja "Aufrunden " gesagt habe. Es ist noch augenfälliger, wenn man im gedachten Beispiel kurz danach an der Toilettenfrau des Einkaufszentrums vorbeigeht, der man früher vielleicht auch die Kupfermünzen mit aufs Tablett gelegt hätte. Dann hat man vielleicht nur noch ganze Euros im Geldbeutel , und diese stehen dann im verschärften Wettbewerb mit den eigenen Konsumbedürfnissen, sodass für die Toilettenfrau (oder den Toilettenmann) im Einkaufszentrum auch nix mehr abfällt - oder weniger.
Letztgenannten Effekt würden Volkswirte vermutlich Budget- oder Einkommenseffekt nennen - bildhaft gesprochen, Leuten die bereits an der Supermarktkasse "aufgerundet" haben, denen sitzt das Geld nicht mehr so locker .
Sorry, aber das ist alles zu heuchlerisch. Letztlich sagst Du doch nichts anderes, dass die Spendenbereitschaft der Bevölkerung - vermutlich resultierend aus deiner eigenen Sichtweise - sich bei Klofrau, Bettler, Straßenmusiker und Co. im Allgemeinen auf die 'nervigen Kupfermünzen' bezieht, die man gerne aus dem Portemonaie los wird, weil sie eher stören, als einen wirklichen Wert zu verkörpern. Wie Du sagst, man hätte früher die Kupfermünzen mit bei der Toilettenfrau hingelegt, einfach weil sie da sind, nicht weil sie einen Wert haben. Weil sonst wäre es ja egal, ob Du 10 Cent als Einzelmünze oder zusätzlich 10 Cent in Form von 1,2,5-Centstücken gibst. Ist diese Denkweise nicht minder "entwürdigend", wenn wir schon auf dieser Ebene hier sind, weil es da gar nicht um den Wert als solches geht, sondern einfach mehr um das "klassische Kleingeldloswerden"? Hier müsste man dann auch konsequent sagen, wie schon bei den neben den mülleimernstehenden Flaschen: White Collar-Gutmenschentum, das letztlich die andere Person herabwürdigt, weil man ja das blöde Kleingeld noch on-top packt, hauptsache man hat das Gefühl noch was getan zu haben. Aber vermutlich freuen sich die Toilettenfrauen am Ende des Tages trotzdem über das Geld - wie wohl auch die Flaschensammler über jede gesammelte Flasche.
Diesbezüglich kannst Du Dich auch gerne Mal vor Fußballspielen, Festivals oder ähnlichen Großveranstaltungen umschauen. Da kommen die Sammler dann einfach mit Einkaufswagen an, in die die Besucher ihren Pfand, den sie nicht mit ins Stadion/aufs Gelände nehmen dürfen, reinwerfen können und sollen. Oder wenn ich hier in der Stadt im Park grillen gehe. Da werd ich mancherorts alle drei Minuten von einem Flaschensammler angesprochen, ob das Pfand schon leer sei. Ob die sich jetzt alle selbstentwürdigen, weil sie nicht mehr in den Müll greifen - oder am Ende halt doch nur jede gesammelte Flasche zählt?
Mir ist deine Sichtweise insgesamt einfach zu "anprangernd". Sicherlich will ich Dir nicht widersprechen, was den Unternehmensvorteil durch solche Einrichtungen/Aktionen oder wie auch immer angeht. Insgesamt gesehen bleibt aber trotzdem fraglich, ob es nicht trotzdem schöner ist, wenn irgendwo "aufgerundet" wird (mal abgesehen davon, dass ich es seit dieser Aktion noch nie erlebt habe, dass es gemacht wurde - und ich selbst vergess das beim Einkaufen auch immer, dass es diese Aktion überhaupt gibt), als wenn gar nichts passiert? Nur weil da eventuell vielleicht die Bettler, Straßenmusiker und co dann kein Kleingeld mehr bekommen könnten, weil weniger davon im Portemonaie ist? Ich weiß ja nicht. Ich würde eher vermuten, dass die Spendensummen dann zwangsläufig höher sind, bei den Leuten, die bewusst spenden. Denn, wenn Du von sozialer Konditierung und Kontrolle sprichst, dann wird doch derjenige, der erst sein Portemonaie zückt und dann sieht, dass er nur noch Eurostücke im Geldbeutel hat, dass nicht einfach wieder wegstecken, weil er Angst hat, dass er dabei vom Nachbarn gesehen werden könnte. Und wer eh nichts geben will, der gibt auch weiterhin nichts.
Aber klar, grundsätzlich fällt Kleingeld langfristig weg und das geht dann eben sicherlich zu Lasten der hier diskutierten Punkte. Auch - oder vor allem - durch den Gebrauch von EC-Karten. Gleichzeitig hast Du aber vor allem in Großstädten auch so eine Reizüberflutung durch Fastfoodläden, Bäckereien und Co, dass Du eh immer Kleingeld brauchst, um über den Tag zu kommen.
Übrigens gab es solche Sachen wie "Bitte aufrunden" auch früher vor Jahrzehten schon. Da stand dann halt einfach nur neben der Kasse eine transparente Spendenbox (als Kind ist mir die erstmals bei McDonalds aufgefallen, weil ich die Münzen so faszinierend fand). Ist das gleiche in Grün. Und die Leute hatten trotzdem noch Kleingeld, um es loszuwerden. Das aber nur abschließend...