Überwachung via "stummer SMS"

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Gefährlich leben gewöhnlich nur diejenigen, die (arglos) einfache Taten begehen, denen die Ermittlungsbehörden aber wider besseres Wissen eine Katalogtat unterstellen, die sie niemals begangen haben. Ein sehr beliebtes Spielchen, das inzwischen immense Ausmaße angenommen hat. Denn: Auch wenn sich im Laufe des Verfahrens (erwartungsgemäß) herausstellt, dass der Beschuldigte keine Katalogtat begangen hat, bleiben die Ergebnisse aus der TÜ in aller Regel dennoch verwertbar.


    Meinst du damit, dass jemand beispielsweise einen Ladendiebstahl begeht, die StA aber, da sie gerade nichts besseres zu tun hat, dem Täter Hochverrat oder Subventionsbetrug in besonders schwerem Fall vorwirft, daraufhin eine TÜ beantragt, welche durch den gleichgültigen Richter natürlich genehmigt wird, daraufhin das Handy des Täters überwacht und ein Telefonat abhört, in welchem dieser den Ladendiebstahl gesteht und dieses abgehörte Geständnis später zur Verurteilung wegen Diebstahls führt? Und das ganze ist dann beliebtes Spielchen, welches inzwischen immense Ausmaße angenommen hat? Hast du dafür irgendwelche Quellen?

  • Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    Meinst du damit, dass jemand beispielsweise einen Ladendiebstahl begeht, die StA aber, da sie gerade nichts besseres zu tun hat, dem Täter Hochverrat oder Subventionsbetrug in besonders schwerem Fall vorwirft, daraufhin eine TÜ beantragt, ...


    Ganz so krass wird man es nicht treiben ... die unterstellten Vorwürfe betreffend eine Katalogtat sind schon solche, die mit der vorgeworfenen Tathandlung in Zusammenhang stehen könnten. Beliebt sind insbesondere die Unterstellung gewerbs- bwz. bandenmäßigen Handelns oder auch "Nebenprodukte" wie Geldwäsche oder bestimmte Vorwürfe aus dem Steuerstrafrecht. Man legt halt "ein Schüppchen drauf" obwohl man weiß, dass dies nicht gerechtfertigt ist.


    Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    ..., welche durch den gleichgültigen Richter natürlich genehmigt wird, daraufhin das Handy des Täters überwacht und ein Telefonat abhört, in welchem dieser den Ladendiebstahl gesteht und dieses abgehörte Geständnis später zur Verurteilung wegen Diebstahls führt? ...


    So ist es im Prinzip. Die Rechtsprechung des BGH untersagt das leglich in Fällen, in denen die Anordnung der TÜ einen offensichtlichen Akt der Willkür darstellt. Das dem Ermittlungsrichter bei dieser Prüfung eingeräumte Ermessen ist allerdings derart groß, dass sich Willkür bei geschicktem Vorgehen mit Sicherheit nicht wird nachweisen lassen - zudem unterläge eine Beweiserhebung in diesem Punkt dem "Freibeweis", der nicht an starre Regeln gebunden ist. Persönlich habe ich noch keinen Fall erlebt, in dem einem Ermittlungsrichter von seinen Kollegen Willkür unterstellt worden wäre.


    Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    ... Und das ganze ist dann beliebtes Spielchen, welches inzwischen immense Ausmaße angenommen hat? Hast du dafür irgendwelche Quellen?


    Wie ich zuvor bereits geschrieben hatte, gibt es diese Fälle, in denen wider besseres Wissen und damit willkürlich gehandelt wird, offiziell überhaupt nicht. Wer sich allerdings mit der Durchführung von Ermittlungsverfahren beschäftigt, weiß aus Erfahrung, dass dem so ist. Gelegentlich findet man auch in der juristischen Literatur Abhandlungen zu diesem Thema. Insbesondere im Rahmen des ersten Anlaufs zur Vorratsdatenspeicherung erinnere ich mich an deutliche Stimmen, die genau diese real zu befürchtende Missbrauchsgefahr als schlagendes Argument gegen die Vorratsdatenspeicherung anführten.


    Solltest Du konkretes Interesse haben, wird Dir Tante Google ganz sicher weiterhelfen.


    Frankie

  • Bist du StA oder Polizist und kannst diese Vorgehensweise aus eigener Erfahrung bestätigen, oder hast du dein Insiderwissen lediglich vom Hörensagen, bzw. "Tante Google"?

  • Was ich nun bin, mag dahingestellt bleiben ... Einsicht in Straf-/Ermittlungsakten haben auch andere Personenkreise. Ich kann Dir versichern, dass die Zahl der Strafakten, die über meinen Tisch gewandert sind, zumindest im vierstelligen Bereich liegt. Von daher dürfte es nur wenige Taschenspielertricks in Strafverfahren geben, die ich noch nicht persönlich gesehen habe.


    Im Unterschied zum amerikanischen Rechtssystem ist es in Deutschland so, dass "Füchte von verbotenen Bäumen" in Strafverfahren fast uneingeschränkt Verwendung finden dürfen - allenfalls der Baum selbst bleibt außen vor. Aber eben auch nicht immer.


    Verstößt ein amerikanisches Ermittlerteam bei seinen Ermittlungen gegen die Rechte von Beschuldigten, dürfen die hierdurch gewonnenen sowie sämtliche auf der unlauteren Ermittlungsmaßnahme aufbauenden Erkenntnisse im Strafverfahren nicht verwendet werden. Halten sich Ermittler in einem frühen Stadium schon nicht an Recht und Gesetz, platzt hierdurch nicht selten das gesamte Strafverfahren. So sind US-amerikanische Ermittler stets darauf bedacht, die Rechte von Beschuldigten zu respektieren. Selbst in diversen amerikanischen Kriminalfilmen wird dieses Problem häufig thematisiert.


    In Deutschland ist das anders. Zwar dürfen die durch illegale Maßnahmen gewonnenen Erkenntnisse selbst meist nicht verwertet werden - nicht aber die hierdurch im Verlauf des Verfahrens hinzugewonnenen.


    Bildlich:
    Gewönne man in Deutschland auf illegale Weise das Geständnis eines Drogenhändlers, in dem er das Lager der Drogen preisgibt, dürfte dieses Geständnis nicht verwertet werden. Was dem Beschuldigten aber nicht helfen wird, weil der Drogenfund selbst mit den sicherzustellenden Spuren des Beschuldigten als lupenreines Beweismittel gilt. Im amerikanischen Rechtssystem dürfte der Drogenfund nicht verwertet werden, weil man ihn mangels des illegal herbeigeführten Geständnisses (möglicherweise) nicht gemacht hätte.


    Diese Eigenart des Deutschen Rechtssystems, die Rechtsbrüche in Ermittlungsverfahren zwar nicht direkt, in den meisten Fällen aber doch indirekt belohnt, halte ich nicht für geeignet, die Rechte der Bürger adäquat zu schützen.


    Allerdings darf man sich keiner Illusion hingeben:
    Die oben beschriebenen Rechtsfolgen illegaler Operationen sind in Deutschland politisch gewollt und stehen in keiner Weise zur Disposition. Eine ideale Lösung existiert in solchen Fällen ohnehin nicht - auch die amerikanische hat handfeste Nachteile, weil das Drogenlager möglicherweise auch ohne das Geständnis hätte gefunden werden können und dennoch nicht als Beweismittel eingeführt werden darf.


    Ein "Belohnungscharakter" illegaler Ermittlungsmaßnahmen führt sicher nicht dazu, sie unattraktiv zu machen. Und spätestens, wenn unbescholtene Bürger aufgrund realer Vorkommnisse reale Sorge verspüren, von solchen Maßnahmen irgenwann einmal betroffen zu werden, ist das Maß voll. Und etliche hier eröffnete Threads beruhen auf genau dieser Angst (ein strafrechtlich nicht zu beanstandendes Leben dieser Mitglieder einmal unterstellt).


    Hier ein kurzes (anonymisiertes) Beispiel aus dem Protokoll einer TÜ:


    "A soll sich bei B melden, sie sei 'geil' und möchte von A 'gef*ckt' werden. B meint, mit A sei nichts mehr los."


    Weder A noch B hatten sich eine strafbare Handlung zu Schulden kommen lassen - und dennoch weiß ein nicht kleiner Personenkreis um dieses und andere Telefonate von Frau B. Schlimstenfalls wird solche TÜ in Gegenwart der Öffentlichkeit in die Hauptverhandlung eingeführt - was durchaus möglich ist.


    Je kleiner der Bezirk der Ermittlungsbehörde, um so größer die Gefahr einer "kleinen Welt". Ich denke, dass Personen, die persönlich keinen (wenn auch ungewollten, aber notwendigen) Einblick in solch schmutzige Wäsche haben, sich nicht vorstellen können, wie belastend das sein kann ... nicht nur für A und B. Und von diesen As und Bs gibt es verdammt viele. Selbst, wenn man nur der A ist, mag das im Falle eines gewissen Familienstands zu Unannehmlichkeiten führen. :mad:


    Frankie



    Edit:
    Statt Tante Google zu bemühen, könntest Du zum grundlegenden Problem auch einige Vorlesungen einer nahegelegenen Unviversität aufsuchen. Es handelt sich nämlich nicht um "Geheimwissen". Ich denke, dass Du im Lehrplan des zweiten Semesters fündig werden müsstest. Das war jedenfalls eine meiner ersten Begegnungen mit dieser Problematik, die ich auch heute noch mit Interesse verfolge. Wen zweieinhalb Männer oder vier verzweifelte Hausfrauen langweilen, muss sich halt eine Ersatzbefriedigung suchen, wenn die Glotze blockiert ist. ;)



    Edit2:
    Mir aufgrund meiner Äußerungen unterstellen zu wollen, ich gehöre zum Kreis derer, die nicht einmal über juristisches Halbwissen verfügen (Deine zweite Alternative), halte ich eigentlich schon für mehr als frech ... :p

  • Lieber Frank, unterstellen möchte ich dir gar nichts. Auch die Problematik "Fruit of the poisonous tree" ist mir durchaus bekannt, darum ging es mir jedoch nicht. Ich habe sogar mehr als zwei Semester an einer Universität studiert, die Problematik, dass sich Ermittlungsbehörden Geschichten ausdenken, um A und B heimlich bei ihren Liebesgeschichten zuzuhören, war jedoch nie Gegenstand einer Lehrveranstaltung. Auch während meiner Zeit als Referendar, in welcher ich nicht nur Einblick in die richterliche Tätigkeit, sondern auch als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft selber vor Gericht aufgetreten bin, habe ich von einem solchen Verhalten nichts mitbekommen. Und ja, auch ich habe bereits einige Strafakten zu Gesicht bekommen.


    Im Gegenteil, die meisten Richter und Staatsanwälte sind froh, wenn ihre Akten vom Schreibtisch verschwinden. Sich Dinge auszudenken um eine TÜ zu erwirken wäre daher so ungefähr das letzte, was sie tun würden. Ich kann daher deine Behauptungen zu diesem Thema nicht nachvollziehen und interessiere mich, wie du zu diesen Schlussfolgerungen kommst. Daher meine Nachfrage. Schade, dass du nicht sagen möchtest, wie du an deine Informationen kommst. Falls du diese doch noch durch objektive, belegbare Quellen belegen kannst, wäre das schön. Bis dahin sind Aussagen zu Sachverhalten, die es "offiziell nicht gibt" und ohne Erklärungen zur Herkunft deines Wissens ebenfalls frech. :p

  • Ich bestreite nicht, dass meine Aussagen, die eben nicht durch offizielle Statistiken belegbar sind, durchaus als "frech" eingestuft werden dürfen. Das liegt aber in der Natur der Sache. Ein jeder Kritiker staatlichen Handelns ist es gewohnt, nicht gerade offene Türen einzulaufen. Wo wir im übrigen wieder beim "Frank erklärt die Welt"-Thema wären.


    Denn konkret ist es Eines, das mich stört: Die deutsche Kanzlerin als "Musterschülerin" in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Ganz sicher wird man die Bundesrepublik Deutschland (noch) mit einem der besten Rechtsgewährungssysteme der Welt in Verbindung bringen dürfen.


    Die Vermessenheit, mit der deutsche politisch Verantwortliche aber durch die Welt schreiten, ist mir inzwischen ein Dorn im Auge. Deutschland ist keineswegs der Musterschüler, den man international darzustellen versucht.


    Leider gelingt es der politischen Kaste immer wieder, einen nicht gerechtfertigten "Heiligenschein" erleuchten zu lassen. Und das sowohl vor heimischem als auch (teilweise) vor internationalem Publikum. Mein erklärtes Anliegen ist es, sowohl die deutsche Bevölkerung als auch (verblendete) ausländische Beobachter "auf den Boden der Tatsachen" zurückzuholen. Für mich gehört es einfach zum Gebot der Fairness, Dinge beim Namen zu nennen.


    Deutsche Verantwortliche haben zum Teil nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung davon, wie Völker anderer Staaten über deutsche Verlogenheit denken. Persönlich ist meine Verwandtschaft (und auch Bekanntschaft) über große Teile Europas verstreut. Insbesondere in Großbritannien und Frankreich hat man diese "Mehr Schein als Sein"-Maxime schon zu einer Art deutschen Programmatik erklärt - ohne, dass dies hier auch nur im Geringsten wahrgenommen wird. Wenn ich Peter Scholl-Latour gelegentlich den Rücken stärke, wird dies oft genug mit Missfallen registriert.


    In einer globbalisierten Welt gilt es, Glaubhaftigkeit zu bewahren ... ein Gut, das mit Gold kaum aufzuwiegen ist. Sofern notwendig, muss man (auch in Sachen Glaubwürdigkeit) sogar auf europäischer Ebene Rückgrat beweisen und freiwillige Leistungen um die Ezwungenen kürzen. Europa bedeutet nicht zwangläufig den Verlust rechtsstaatlicher Identität ... zumal der EUGH seine Aufgabe als Schutzinstanz von Bürgerrechten in meinen Augen vorzüglich umsetzt.


    Persönlich gehe ich davon aus, dass der EUGH der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ein Ende stezen wird. "Vorauseilender Gehorsam" ist etwas, das in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts gehört.


    Rein persönlich würde ich nicht davor zurückschrecken, jeden Eingriff in meine persönliche Freiheit vor dem EUGH klären zu lassen. Glücklicherweise verfüge ich über ausreichende finanzielle Ressourcen.


    Frankie



    Edit:
    - hab hier nur sentimentalen Kappes gestrichen -

  • Zitat

    Original geschrieben von mostwanted
    Mit Überwachung dieser Art bekommt man ein wenig mehr Sicherheit, ohne das ein Quentchen Freiheit eingeschränkt wird.


    Das ist ein großer Irrglaube; sehr trügerisch.


    Bitte nicht persönlich nehmen. Ich möchte hier außerdem nicht zu sehr politisch werden. Deshalb ist dies mein letztes Statement dazu.

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