Kriegen wir die D-Mark zurück?-Diskussions-Thread

  • Zitat

    Original geschrieben von AngelEye
    Wenn man das auf die Situation in Zypern anwenden würde, müsste nach dem kollektiven Einbehalten demnach gegen jeden Betroffenen ein Bescheid erlassen werden, auf den die bereits durch die Bank abgeführte Summe angerechnet wird. Davon ist aber nicht die Rede.

    Nein, es wird nicht dadurch zur "Enteignung", dass kein Bescheid ergeht. Und nur weil davon keine Rede ist, muss es ja nicht so sein, dass gegen die Abgabe in Zypern kein Rechtsweg möglich ist.


    Im Übrigen ist das Kriterium des eröffneten Rechtswegs sowieso ungeeignet für deine Verteidigung des Begriffs "Enteignung": In Deutschland kann man sich selbstverständich auch gegen eine Enteignung gerichtlich zur Wehr setzen.

  • Zitat

    Original geschrieben von phonefux
    Nein, es wird nicht dadurch zur "Enteignung", dass kein Bescheid ergeht. Und nur weil davon keine Rede ist, muss es ja nicht so sein, dass gegen die Abgabe in Zypern kein Rechtsweg möglich ist.


    Im Übrigen ist das Kriterium des eröffneten Rechtswegs sowieso ungeeignet für deine Verteidigung des Begriffs "Enteignung": In Deutschland kann man sich selbstverständich auch gegen eine Enteignung gerichtlich zur Wehr setzen.


    Ich habe auch nicht behauptet, dass es sich um eine Enteignung handelt, ich habe nur gefragt, wieso dies immer so kategorisch dadurch ausgeschlossen wird, da es ja eine Steuer sei. Und die ist es ja wohl (nach rechtsstaatlichen) Grundsätzen nicht.


    Im Übrigen habe ich nie das Kriterium des eröffneten Rechtsweges als Argument für eine Enteignung herangezogen, nur als Argument gegen die Auslegung als Steuer. Und diesbezüglich ist es so, dass es in Deutschland keine Möglichkeit gibt, Steuern zu erheben ohne dass ein Rechtsweg hiergegen eröffnet ist, wie du bezüglich des Lohnsteuerabzugs vermutet hast. Unter anderem deshalb kann die Zwangsabgabe keine Steuer sein.

  • Nochmal: Wir wissen doch gar nicht, ob sich die Betroffenen gerichtlich gegen die Abgabe wehren können. Insofern geht dein Argument, es könne schon deshalb "keine Steuer oder sonstige Abgabe im rechtsstaatlichen Sinn" sein, ins Leere.

  • Außerdem richtet sich die Einordnung der Zwangsabgabe in "Enteignung" oder "Steuer" nicht nach deutschem Recht. Die genannten Merkmale spielen also überhaupt keine Rolle.

  • Es ist müßig, die Situation in Zypern an deutschem Recht zu messen, weswegen ich auch anfangs nicht mit der AO sondern mit dem Rechtsstaatsprinzip argumentiert habe.


    Die Frage, die sich mir stellt, ist einzig und allein, ob die EU, die EZB oder wer auch immer konkret diese Maßnahme beschlossen hat, damit (wieder einmal) gegen geltendes Recht verstoßen hat. Damit meine ich nicht zyprisches Recht, weil ich das nicht beurteilen kann, aber da Zypern Mitglied der EU ist, kann man davon ausgehen, dass das Rechtsstaatsprinzip auch dort Geltung beansprucht (sonst wäre schon der Beitritt ein Verstoß gegen die Kopenhagener Kriterien gewesen). Selbst, wenn nicht, hat die EU dieses Prinzip zu achten, da diese Werte im EUV und im AEUV festgeschrieben sind.


    Ein wesentlicher Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist aber der Vertrauensschutz und das damit einhergehende Verbot der Rückwirkung von Gesetzen. Der Bürger soll und muss die Folgen seines Verhaltens gerade im Zeitpunkt des Handels kennen. Und genau dies konnte jeder zyprische Kontoinhaber bis Freitag nicht, und da im Moment Verfügungsbeschränkungen gelten, wird durch das erst noch zu beschließende Gesetz eindeutig rückwirkend der Bürger belastet.

  • Wenn man heute ein Gesetz erlässt, mit dem ab morgen Vermögen mit einer Steuer oder Abgabe belastet werden, ist das kein Fall von verbotener, echter Rückwirkung. Höchstens eine unechte Rückwirkung, die aber grundsätzlich erlaubt ist, und nur einer Abwägung unterliegt, ob das Vertrauen der Bürger in den Bestand des status quo das Interesse des Staates an der Einnahmenerzielung überwiegt. Aber dann wenden wir schon wieder deutschrechtliche Kriterien an.

  • Schon die Unterscheidung von unechter und echter Rückwirkung ist Auslegung deutscher Gerichte und deshalb hier absolut irrelevant. Es geht um die Werteordnung der EU und der darauf basierende gesetzliche Rahmen.


    Die Rechtsstaatlichkeit ist ein Wert, den sich die Europäische Union seit ihrer Gründung auf die Fahnen geschrieben hat, und der auch wegen seiner unermesslich hohen Bedeutung für das Verhältnis Bürger - Staat weit auszulegen ist. Dies gilt genauso für das von der EU-Grundrechtecharte geschützte Eigentum. Bisher war es stets das Ziel jeglicher europäischen Politik, gerade im Hinblick auf das Barvermögen der Bürger für eine umfassende Sicherheit zu sorgen (Unabhängigkeit der Zentralbank, Einlagensicherung, ...). Das schafft natürlich einen Vertrauenstatbestand, der für ein geordnetes Wirtschaftsleben unglaublich wichtig und für ein friedliches Europa geradezu fundamental ist.


    Gerade hiergegen verstoßen Forderungen, völlig unabhängig vom Gesamtvermögens eines (EU-) Bürgers (Grundbesitz, Anleihen, Barvermögen, Forderungen gegenüber Banken) unabhängig von der Einlagehöhe einen fixen Prozentsatz des Vermögens auf zyprischen Bankkonten einzuziehen und in den Staatshaushalt einzustellen.

  • Und was hat das jetzt mit dem Rückwirkungsverbot zu tun? Jetzt argumentierst du nicht mehr juristisch, sondern politisch ("für ein geordnetes Wirtschaftsleben unglaublich wichtig"; "für ein friedliches Europa geradezu fundamental"). Mit dem Rechtsstaatsprinzip hat das nichts mehr zu tun. Denn das verhindert nicht, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Politik enttäuscht werden kann.


    Ich glaube, die Diskussion ist hier nicht sehr zielführend...

  • Es geht nicht um den Fortbestand einer bestimmten Politik, es geht um die Respektierung geltenden Gesetzesrechts in der Europäischen Union. Deshalb ist die Argumentation auch nicht politisch. Politisch gefärbt ist nur die Rechtfertigung der fortdauernden Rechtsverletzungen.


    Die Europäische Union hat sich als Wertegemeinschaft entwickelt (so weit der politische Teil), dann aber nach und nach die gewachsenen Werte kodifiziert, zum Beispiel die Rechtsstaatlichkeit (Art. 21 I EUV) und das Eigentum (Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).


    Anders als bei politischen Absichtserklärungen ist die EU nun aber an diese Regelungen gebunden. So sind zum Beispiel die Konvergenzkriterien und strikte Grenzwerte eindeutig in Art. 126 AEUV festgelegt. Jede Überschreitung war ein Gesetzesverstoß, der (politisch!) mit wechselnden Begründungen gerechtfertigt wurde. Es bleibt aber ein Verstoß gegen geltendes Recht.


    Nicht anders verhält es sich mit der Zwangsabgabe in Zypern. Die das Rückwirkungsverbot beinhaltende Rechtsstaatlichkeit ist inzwischen genauso kodifiziert und deshalb geltendes Gesetzesrecht. Der Vertrauenstatbestand besteht nicht darin, dass sich die Politik nicht ändert, sondern dass die Politik an die (einst selbst gesetzten) Grenzen des Rechts achtet.


    Wenn die Politik von dem gegebenen Rahmen abweichen will (und dies kann aus ökonomischen Gründen durchaus nötig sein), müsste dies vorher zumindest durch eine Änderung der Verträge legitimiert werden. Da dies nicht erfolgt ist, wird (aus politischen Gründen) abermals geltendes Recht gebrochen.

  • Zitat

    Original geschrieben von AngelEye
    Die das Rückwirkungsverbot beinhaltende Rechtsstaatlichkeit ist inzwischen genauso kodifiziert und deshalb geltendes Gesetzesrecht. Der Vertrauenstatbestand besteht nicht darin, dass sich die Politik nicht ändert, sondern dass die Politik an die (einst selbst gesetzten) Grenzen des Rechts achtet.


    Nochmal: welche Rückwirkung?

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