Hausdurchsuchung wg. Schwarzsurfens in Bayern

  • Zitat

    Original geschrieben von horstie
    ...
    zumal jeder normal denkende Mensch bis dahin sicherlich keine entsprechenden Spuren mehr zu Hause zur Abholung bereit gestapelt haben wird.


    Das ist den Beamten durchaus bekannt ... man spekuliert halt auf andere Leichen, die der Betroffene möglicherweise im Keller hat. Und wenn man nur lange genug sucht, wird sich schon irgendetwas finden lassen.


    Und auch solche Zufallsfunde rechtfertigen nach deutschem Recht im Nachhinein die Durchsuchung und sind uneingeschränkt für weitere Verfahren verwertbar. Meiner Einschätzung zufolge geht es der Polizei in sehr vielen Fällen einfach nur darum "mal da reinzukommen" - wenn man jemanden auf dem Kieker hat. Alles andere wird sich möglicherweise schon finden. ;)


    Früher (und vielleicht auch in Zukunft wieder) waren Schnurlostelefone ohne Zulassung als Aufhänger sehr beliebt. Der erste Weg führte daher zum Telefon. Und hat man erst einmal irgendetwas, woran man weitere Ermittlungen anknüpfen kann, ist das schon die "halbe Miete".


    Aus dem Vortrag von RA Vetter egibt sich m.E. sehr schön, dass Polizisten strafprozessliche Vorschriften weniger als Leitlinien, sondern eher als Behinderung ihrer Arbeit ansehen, die es möglichst geschickt zu umschiffen gilt. Da Udo Vetter als Strafverteidiger täglichen Umgang mit solchen Angelegenheiten hat, kann er natürlich auf einen repräsentativen Erfahrungsschatz zurückgreifen.


    Frankie

  • Ich habe mir die ersten 20 Minuten des Vortrags angehört. Ist ganz interessant, mir aber zu sarkastisch und so unterhaltsam es sein mag, zu einseitig. Da hier mittlerweile Verschwörungstheorien gesponnen werden, bin ich draußen. Viel Spaß noch!
    Diese "kriminalistische Erfahrung" mag hin und wieder mißbraucht werden und oft juristisch nicht haltbar sein, aber sie ist auch Teil der Arbeit eines Ermittlers, auf die er nicht verzichten kann und darf.
    Ein Anwalt hat natürlich eine ganz andere Sicht darauf und das ist ja auch gut so.
    Wie gesagt, zu einseitig sollte man so etwas allerdings nicht sehen.
    Und er stellt die Dinge aus seiner Sicht bzw. aus Sicht seiner Mandanten dar. Die andere Sicht bekommen wir wie im geschilderten Fall mit der unbeschrifteten DVD, auch hier nicht zu Lesen bzw. zu Hören.
    Die gehört aber imho dazu, um die Geschichte hier besser oder überhaupt beurteilen zu können.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Also ich fand das sehr informativ. Und klar, er ist Anwalt und erzählt nur darüber, worauf man achten sollte, falls bei einem mal eine Hausdurchsuchung ansteht. Und das erzählt er sehr gut. Wieder was gelernt! :top:


    Aber ich achte jetzt auch darauf, wer um mich rumschleicht, wenn ich mal im Auto mit dem Laptop surfe. Ich renne nämlich nicht noch mal in die Praxis zurück, wenn mir was einfällt, um unverdächtig zu sein. Aber gut, ich surfe ja auch per SIMkarte... ;)

  • Merkwürdig, dass einige nicht verstehen wollen, dass hier doch tatsächlich ein unabhängiger(!) Richter die Hausdurchsuchung auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet hat.


    Demnach muss etwas mehr an der Sache dran gewesen sein, als nur der gekränkte Stolz eines Polizeibeamten...logisch, oder?


    Für die polizeiliche Kriminalstatistik, an der die Beamten gemessen werden, reicht ja auch schon der Eintrag eines Tatverdächtigen in der Anzeige...und der war schon vor der Durchsuchung dort. Demnach könnte es zumindest dem Zahlen sammelnden Beamten egal sein, wie das Verfahren letztlich endet (sofern es solche Beamte überhaupt gibt).


    Aber es scheint immer mehr zum Volkssport zu werden, Polizisten zu diffamieren, weil es gerade stark in Mode ist...aber wehe man ist selbst mal Opfer einer Straftat und man bekommt erklärt, dass die Polizei aufgrund strafprozessualer Beschränkungen gerade nicht sofort tätig werden kann....

    Lieber Fernsehsüchtig als Radioaktiv!

  • Zitat

    Original geschrieben von Lüni
    Merkwürdig, dass einige nicht verstehen wollen, dass hier doch tatsächlich ein unabhängiger(!) Richter die Hausdurchsuchung auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet hat.


    Demnach muss etwas mehr an der Sache dran gewesen sein, als nur der gekränkte Stolz eines Polizeibeamten...logisch, oder?


    Wenn man sich vor Augen hält, dass bspw. die Quote der Ablehnungen der staatsanwaltschaftlichen Anträge im Bereich der Telekommunikationsüberwachung bei unter 1% liegt, sollte man eher von einem Abnicken durch den "unabhängigen" Richter ausgehen.

    Aktuell drittpotentestes, ungesperrtes nicht Team-Forenmitglied. Von Beileidsbekundungen bitten wir Abstand zu nehmen.

  • Hast Du Fakten die für Deine Annahme sprechen oder könnte es auch einfach sein, dass die Staatsanwaltschaften im Vorfeld, gerade bei derart heiklen Ermittlungsvorgängen, die rechtlichen Voraussetzungen genau prüfen, so dass der Richter in 99% aller Fälle gerechtfertigte Maßnahmen abzeichnet?


    Der Richter ist ein weiteres Prüforgan und nicht dazu da die Staatsanwaltschaften nach eigenem Gutdünken in ihrem Handeln zu begrenzen.


    Ich kann aus eigener Erfahrung behaupten, dass die meisten StA'en eher pingeling sind, was derartige Grundrechtseingriffe angeht und dann ein Verfahren notfalls lieber einstellen.

    Lieber Fernsehsüchtig als Radioaktiv!

  • Mich würde ja zum Abschluss noch eine Sache interessieren: Wer unter denjenigen hier, die das Surfen in offenen, fremden Netzen für i.O. halten, stellt denn selbst sein WLAN zur Verfügung?

  • Zitat

    Original geschrieben von Lüni
    Hast Du Fakten die für Deine Annahme sprechen oder könnte es auch einfach sein, dass die Staatsanwaltschaften im Vorfeld, gerade bei derart heiklen Ermittlungsvorgängen, die rechtlichen Voraussetzungen genau prüfen, so dass der Richter in 99% aller Fälle gerechtfertigte Maßnahmen abzeichnet?


    Der Richter ist ein weiteres Prüforgan und nicht dazu da die Staatsanwaltschaften nach eigenem Gutdünken in ihrem Handeln zu begrenzen.


    Ich kann aus eigener Erfahrung behaupten, dass die meisten StA'en eher pingeling sind, was derartige Grundrechtseingriffe angeht und dann ein Verfahren notfalls lieber einstellen.


    Meiner persönlichen Erfahrung zufolge ist das genaue Gegenteil der Fall. RA Vetter hat das ja auch aus seiner Praxis bestätigt. Dass er nicht noch Richterschelte betreibt, gehört halt "zum guten Ton".


    Und die richterliche Unabhängigkeit (!) ist nun wirklich kein Argument. Jede Berufsgruppe muss sich für krasse Fehlentscheidungen verantworten ... nein, fast jede. Die richterliche Unabhängigkeit schafft nämlich eine Ausnahme!


    Winkt der Ermittlungsrichter sämtliche Sachen ohne eingehende Prüfung durch, kann ihm nämlich gar nichts passieren. Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung setzt nach der einschränkenden Auslegung des BGH nämlich eine wissentliche Fehlentscheidung voraus.


    Fazit:
    Weiß er nicht, das seine Entscheidung falsch ist, kann er sich auch nicht strafbar machen. Hört sich dumm an, ist aber so.


    Und bei Kollegialgerichten (mit mehreren Richtern und/oder Schöffen) kann bei Berufung auf das Beratungsgeheimnis niemals ein Richter zur Verantwortung gezogen werden. Egal, wie wissentlich und krass falsch oder gar willkürlich die Entscheidung auch sein mag. Auch das hört sich dumm an - so bestätigt es aber die höchstrichterliche Rechtsprechung.


    Ob die richterliche Unabhängigkeit in der Ausgestaltung nach deutschen Recht nun dem Bürger oder den Richtern dient, mag jeder für sich selbst beurteilen.


    Frankie

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Meiner persönlichen Erfahrung zufolge ist das genaue Gegenteil der Fall. RA Vetter hat das ja auch aus seiner Praxis bestätigt.


    Wie gesagt, habe nicht den ganzen Film geschaut.
    Aber er sagt in den ersten 20 Minuten nirgends, daß das Gegenteil der Fall ist. Das Gegenteil wäre, daß die wenigsten Richter genauer prüfen und die Staatsanwaltschaften nicht pingelig sind.
    RA Vetter hat hier von einzelnen Fällen - wohl seinen Fällen - berichtet. Wie repräsentativ diese sind, darüber hat er imho keine Aussage gemacht. Und imho schon gar nicht hat er ausgesagt, daß das eben im Gegenteil zu Lünis Aussage meistens der Fall ist.
    Und genau hier liegt imho der Hund begraben: seine Berichte sind bemerkenswerte Anekdoten, aber mit Sicherheit nicht der Normalfall. So, wie es gleichzeititg eine Dunkelziffer gleicher oder ähnlicher Fälle gibt, von denen er nichts wissen kann, gibt es eine unbekannte Zahl von Fällen, bei denen alles absolut "sauber" abgelaufen ist und niemand hoppladihopp mal eine Hausdurchsuchung angeordnet, genehmigt bzw. ausgeführt hat.
    Genau deshalb sollte man das Ganze auch richtig einordnen.


    Ich finde es bemerkenswert, daß man sich von solchen Anekdoten dazu hinleiten lässt zu glauben, daß wir hier in einem totalen Willkürstaat leben.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Lieber Jochen,


    ich habe nicht geschrieben, dass wir in einem Willkürstaat leben - davon sind wir ganz sicher weit entfernt.


    Wenn Du es richtig liest, bezieht sich die von mir hypothetisch angenommene Fallkonstellation allein auf die Entscheidungen von Kollegialgerichten mit mehreren beteiligten Richtern (z.B. Schöffengerichte mit 3 Richtern, davon 2 Schöffen).


    Würden sich die Richter im Falle einer Willkürentscheidung auf ihr Beratungsgeheimnis berufen, könnte man keinen von ihnen für die Willkürentscheidung zur Verantwortung ziehen.


    Ich sage nicht, dass es Willkürentscheidungen gibt - allein die Tatsache, dass man wegen der richterlichen Unabhängigkeit dafür niemanden jemals zur Rechenschaft ziehen könnte, führt m.E. zu einem recht unkritischen Umgang mit kritischen Angelegenheiten.


    Und ein Rechtsstaat, in dem die Justiz nicht nur unabhängig, sondern sogar eine Art rechtsfreier Raum ist, muss sich diesen Vorwurf auch gefallen lassen.


    Hier müsste dringend nachgebessert werden ... aus Angst vor der Justiz wagt sich aber keiner ran. Und ob das dann noch wirklich rechtsstaatlich ist ...


    Frankie



    Nun ja ... einer hatte sich gleich mehrfach gewagt, Gesetze auf den Weg zu bringen, die der Justitz vorraussehbar nicht zusagen. Es vor wenigen Tagen hat er sich wieder eine "blutige Nase" geholt. Bei einem Versuch, krasse Fehlentscheidungen der Justiz einer geeigneten Strafvorschrift zu unterwerfen, wäre m.E. kein anderes Ergebnis zu erwarten.

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