Besetzte Unis in Deutschland und Österreich

  • Zitat

    Original geschrieben von oleR
    ...
    Es fehlt in Deutschland an qualifizierten Handwerkern? Unsinn.


    Käme es so, würden sicherlich Akademiker einfach zum Handwerker ... Und die fachspezifischen Dinge holt er sich dann eben im 6-Monats-Schnellkurs. Punktum. Oder meinst du etwas anderes?


    Ach ja? Dasselbe denkt der Handwerker von manchem akademischen Abschluss ... nur eben anders herum ...


    Und in beiden Richtungen halte ich diese Denkweise für verfehlt. Allein beim Gedanken, ein "handwerklich begabter" Uni-Abolvent bastelt nach Jahren des Hochschulstudiums und anschließendem "6-Monats-Schnellkurs" an meiner Gasleitung und der Elektrik, wird mir angst und bange ... :rolleyes:


    Mal so nebenbei ... das war doch wohl nicht ernst gemeint ... oder irre ich hier auch schon wieder?


    Frankie

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Und was der Abschluss taugt, wird wohl erst die Zukunft zeigen.


    Das IDW bspw. hat eine ziemlich eindeutige Aussage getroffen:


    "Der Wirtschaftsprüferberuf ist ein akademischer Beruf. Der typische Ausbildungsweg führt über ein Hochschulstudium, vorzugsweise der Betriebswirtschaftslehre, und eine mindestens dreijährige Berufspraxis, die sich bei einer Regelstudienzeit von weniger als acht Semestern auf vier Jahre verlängert."


    Ob die WP-Gesellschaften Lust haben, einen Absolventen drei Jahre (Diplom aufwärts) oder vier Jahre (Bachelor) mehr oder weniger durchzufüttern bis zum WP-Examen kann man sich an drei Fingern abzählen...

  • Zitat

    Und in beiden Richtungen halte ich diese Denkweise für verfehlt.


    Welche Denkweise meinst du? Dass "Ausbildung" nie allein einem konkreten "Einsatzzweck" nützt?


    Jedenfalls universitäre Ausbildungen haben noch immer häufig genug bestenfalls einen sehr abstrakten Praxisbezug. Im Informatikstudium haben wir mit Lambda-Kalkül und Haskell programmiert und die Laufzeiten von Schaltungen berechnet. Nichts davon hilft Dir direkt weiter, wenn du mit "Programmieren" Geld verdienen willst. (Mal davon abgesehen: die wenigsten Informatiker, die ich kenne, arbeiten als Programmierer.) Du musst schon in der Lage sein, diese Strukturen zu abstrahieren. Nicht anders ist das in vielen anderen Fächern. Kaum ein Mathematiker wird in der Wirtschaft den halben Tag irgendwelche Beweise zusammenbasteln. Kaum ein Philosoph wird fürs Philosophieren bezahlt. Kaum ein Politikwissenschaftler wird direkt etwas mit der Theorie politischer Ideen im Job anfangen können.



    Zitat

    Allein beim Gedanken, ein "handwerklich begabter" Uni-Abolvent bastelt nach Jahren des Hochschulstudiums und anschließendem "6-Monats-Schnellkurs" an meiner Gasleitung und der Elektrik, wird mir angst und bange ...


    Ich gebe zu: ich habe davon keine Ahnung. Aber wie lang dauert heute die Ausbildung eines Handwerkers, der gerade aus der Schule kommt? Und wieviel der Zeit verbringt er allein mit dem Erlernen des fachlichen Wissens? Kommt nicht ein Gutteil des Wissens eher aus der täglichen Praxis denn der Theorie?

  • Zitat

    Dem Schüler und seinen Eltern wird glaubhaft und erfolgreich vermittelt, ein Studium sei so ziemlich der einzige Garant für einen Arbeitsplatz.

    Dem Bürger wird auch allgemein "glaubhaft und erfolgreich vermittelt", dass Erwerbsarbeit auch in den nächsten 50 Jahren für alle da ist und die einzige Grundlage zu einer finanziellen Lebensgestaltung ist ;)
    Weiterhin wird erfolgreich vermittelt, dass sämtliche soziale Tätigkeiten (wo es künftig tatsächlich an "Humankapital" fehlen wird) sich nicht Lohn-en und für eine psychisch meist hoch belastetende Arbeit kaum Geld zu verdienen gibt. Denn merke: mit z.B. Alten den Arsch abwischen sind keine jährlichen Produktivitätssteigerungen sowie Renditeziele von 15-25% möglich ;)


    Wenn ich mir das Gesamtsystem anschaue, gibt es hier so einige Baustellen, die mit übelster Kurzsichtigkeit angegangen werden. Auch weiterhin werden Arbeiten, die wo anders billiger zu bekommen sind aus Europa abgezogen und in Länder verlagert, wo Menschen froh sind, wenn sie für 10 Euro am Tag 12 Stunden schuften dürfen (um es mal sehr übertrieben zu sagen). Was entsprechend hier vor Ort noch gebraucht wird sind Kräfte für Tätigkeiten, die sich nicht verlagern lassen, z.B. Handwerker oder der komplette soziale Bereich. Nur damit ist nicht viel Gewinn zu machen. Was imho überhaupt hier noch Zukunft hat, sind schlaue Köpfe für ein "Invented and engineered in Germany"-Siegel. Und ob diese schlauen Köpfe aus dem McDoof des Bildungssystems mit einem verschulten Bätschlor kommen wage ich zu bezweifeln.


    Nur: das eine ist eine gesamt-gesellschaftliche Debatte die nicht geführt wird, das andere ist eine Diskussion über einen Teil des Bildungssystems. Und da ist für mich als einen Diplom-Inhaber relativ klar, dass die Umstellung auf das Ami-B-A-System in der derzeitigen Ausgestaltung ziemlich für den Popo ist. Es erfüllt ja nicht mal das, was einem die Werbeslogans versprochen haben: erleichterter Uniwechsel, erleichterte Auslandssemester und Anerkennung von Leistungen von anderen Unis, egal ob in- oder ausländisch.
    Wenn die Profs weiter nur 8 Std Lehrverpflichtung pro Woche im Semester haben, funktioniert eine brauchbare Betreuung weder mit der gestiegenen Menge an Studenten, noch mit der systembedingt gestiegenen Anzahl an Klausuren. Würde ich heute noch studieren müssen, ich tät die Uni fett verklagen, dass ich für meine Studiengebühren weniger Gegenwert bekomme.


    Was die Uni zumindest früher vermittelt hat, waren einmal Inhalte, aber viel wichtiger Strategien Fragestellungen anzugehen und auf einem viel abstrakteren Niveau zu denken sowie über den berühmten Tellerrand zu gucken. Damit wurde man für mehr als eine bestimmte Position oder Funktion in einer bestimmten Firma ausgebildet. Dass es andersrum v.a. kurzfristig viel wirtschaftlicher ist dürfte klar sein. Die Frage ist: will die Gesellschaft das? Zumal ich einen "Schmalspurangelernten" natürlich auch viel billiger einkaufen kann als einen Höherqualifizierten...

  • Würde man das Niveau vieler englischer BA-Studiengänge in letzter Konsequenz auf D übertragen, müsste man allen deutschen Abiturienten für die Schwerpunktfächer, in denen sie gut abgeschnitten haben, bereits einen Bachelor verleihen.


    Vielleicht hätten wir das wirklich so machen sollen. Wäre weniger Stress für die Schüler gewesen und der Vergleich mit anderen Ländern wäre auch fairer.


    -> Wir lassen uns hier in D Dinge madig reden, die so schlecht nicht sind.


    DUSA und oLeR haben da schon Recht.

    “The ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful than is commonly understood. Indeed the world is ruled by little else. Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist.” (Keynes)

  • Nach der bisher hier geführten Diskussion wird für mich immer deutlicher, dass es allerhöchste Zeit war für die derzeitigen Proteste der Studierenden.


    So wie es gegenwärtig ist, kann und darf es nicht bleiben!


    Allerdings ist mir inzwischen nicht mehr ganz klar, in welche Richtung die anzutretende Reise gehen sollte ... :rolleyes:


    Das werden die Studierenden hoffentlich wissen ... denn es dürfte nicht einfach werden, das inzwischen eingeführte "Wirrwarr" in Bezug auf die Art und Weise, in denen Studieninhalte vermittelt werden, wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Früher gab es Diplomierte und Graduierte. Beide hatten ihre Berechtigung. Die jeweiligen Vor- und Nachteile beider Abschlüsse waren dem potentiellen Arbeitgeber bekannt und er konnte sich für die seiner Einschätzung nach zu seinem Betrieb besser passende Variante entscheiden. Dagegen halte ich das demnächst auf dem Arbeitsmarkt anzutreffende "Leipziger Allerlei" für relativ intransparent. Ein "Schritt nach vorn" ist für mich was anderes ... und Klarheit inbezug auf den Studienabschluss halte ich persönlich für relativ wichtig.


    Mit Geld allein ist das nicht zu bewirken.


    Frankie

  • Ich bin gerade nach Hause gekommen und hab mal kurz durchs TV-Programm gezappt. Hängen geblieben bin ich beim Statement eines Vertreters der Architektenkammer, wonach wohl niemand ernsthaft erwarten dürfe, dass man im Architekturbereich diese "Praktikanten mit Bachelor-Titel" als Architekten ansehen oder gar beschäftigen werde. Architekten mit 6-semestrigem Studium, das gerade den zeitlichen Umfang einer Berufausbildung habe, könne man der Kundschaft wohl kaum zumuten.


    Auch der anwesende Leiter eines Archtekturbüros stellte klar, dass für ihn die Einstellung eines Bachelors als Architekt überhaupt nicht in Betracht komme. Er sei sich sicher, dass der Bacherlor-Abschluss allein niemandem nutzen werde.


    Herzlichen Glückwunsch an die Schöpfer dieses Systems!


    Frankie

  • Die Architekten sind mit ihren 12 Semestern aber auch etwas besonderes ;)


    Ich muss kkramer hier auch mal Recht geben.
    Was ich in meinem Bachelorstudium gelernt habe, brauche ich zu 90% in meiner momentanen Tätigkeit nicht (gehobener Dienst).
    Das führt dazu, dass man sich überhaupt nicht mehr ausgelastet fühlt. Da man im Studium extrem unter Druck stand, richtig rangeklotzt hat und jetzt "rumdümpelt".


    Jetzt fängt man natürlich auch ein Fernstudium an, damit einem der Schritt in den höheren Dienst offen steht.
    Aber was ich bis jetzt an Einblicken in den höheren Dienst gesehen hab, denke ich dass ein Master dafür wieder vollkommen überzogen ist. Dafür reichen auch ein paar Verwaltungs-Weiterbildungen ;)


    Andererseits haben DUSA und oLeR natürlich auch Recht. Man lernt durch das Studium vor allem abstrakt zu denken, sich neuen Stoff anzueignen und strukturiert an Probleme heran zu gehen.


    Trotzdem muss ich sagen, dass im Gesamtfazit der saure Beigeschmack "für dumme Nüsse" so rangeklotzt zu haben überwiegt.

    Original geschrieben von bernbayer:
    "Eine Kampagne in ZUsammenhang mit Guttenberg kann man der Bild-Zeitung nicht vorwerfen."

  • Zitat

    Original geschrieben von raix
    ...
    Was ich in meinem Bachelorstudium gelernt habe, brauche ich zu 90% in meiner momentanen Tätigkeit nicht (gehobener Dienst).
    ...


    Jetzt fängt man natürlich auch ein Fernstudium an, damit einem der Schritt in den höheren Dienst offen steht.
    ...


    Also erkennt selbst die öffentliche Verwaltung den von ihr geschaffenen Bachelor nicht als vollwertigen Universitäts-Abschluss an. Da hatte ich etwas anderes erwartet. Mit dem Abschluss eines "gewöhnlichen" Universitätsstudiums hat man nämlich die Befähigung für den höheren Dienst.


    Wenn der Bachelorabschluss nur als Voraussetzung zum gehobenen Dienst taugt und damit dem Abschluss an der Polizeischule entspricht, den in NRW inzwischen jeder Polizeibeamte hat und der gar zum dilettieren bei der Kripo befähigt ... dann frage ich mich ernsthaft, was solche Studiengänge an einer Uni zu suchen haben ... wenn ich den Thread hier richtig interpretiere und der Bachelor der Regelabschluss sein soll.


    Im Hinblick auf die Studienzeit hätte der Bachelor in Ermangelung einer praktischen Ausbildung in meinen Augen ja nicht einmal Fachhochschulniveau ... was soll das Ganze dann an der Uni?


    Frankie

  • Das Schlimme (jedenfalls aus Studentensicht) dabei ist ja, dass es offensichtlich in diversen Fächern nicht genug Masterplätze geben wird. Dafür fehlt schlicht das Geld. Ausgesiebt wird überwiegend nach Bachelornote, dh. der Prüfungsstress wird noch stärker * und auf der Straße stehen eher die mit schlechteren BA/BSc-Noten.


    * Ich erkenne keinen Sinn darin, wie heute üblich jede gottverdammte Vorlesung mit einer Klausur abzuschließen, deren Note in den Bachelor bedeutend eingeht. In der Politikwissenschaft sieht das teilweise so aus, dass der Dozent eine Vorlesung von 300-600 Hörern hat, vor der Klausur kurzerhand 20-30 Fragen austeilt und ankündigt, 80 % der Klausurfragen aus diesem Katalog zu nehmen. Es entsteht das "Bulimielernen": schnell die bekannten Fragen auswendig in den Kopf (Hintergründe sind unwichtig) und in der Klausur möglichst gut wieder auskotzen.

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