Der allgemeine Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg-Thread

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Interessant ist die Nachsicht in Deinem professoralen Umfeld. Gehen diese auch so tolerant mit schummelnden wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Studenten um? Oder ist es "das Amt"(des Ministers), was zur Bigotterie verleitet/-blendet?


    Wieso tolerant? Aus wissenschaftlicher Sicht ist es relativ leicht, wie es mit dem "Unterschleif" aussieht: wird ein Student dabei erwischt, dann kann die Arbeit mit nicht bestanden bewertet werden, muss aber nicht. Dies liegt im Ermessen des Bewertenden, der natürlich den Fall gemäß bestem Wissen, Gewissen und Ermessen entscheiden kann. Und ganz ehrlich: wenn mir einer das gesamte Semester über "auf den Sack" ging und sich dann auch noch bei einer Abschlussarbeit etwas "ungelenk" anstellt und erwischen lässt, dann würde ein persönliches Ermessen eher dazu tendieren, ein "nicht bestanden" zu vergeben, als bei jemandem, dessen Arbeit bereits während des Semesters positiv auffiel. Wobei in der wissenschaftlichen Praxis nach meiner Kenntnis (bin nicht in dem Umfeld tätig) selbst relativ eindeutige Fälle erstaunlich häufig einer von manchen möglicherweise nachsichtigen Regelung zugeführt werden.


    Menschlich wie auch politisch würde ich mir nicht anmaßen wollen, diese Ertappten als "Betrüger" oder "Kriminelle" zu bezeichnen, denen man nicht über den Weg trauen darf. Die Kirche sollte bitteschön im Dorf bleiben. Anders wäre meine Wertschätzung bei jemandem gelagert, der den Tacho des Gebrauchtwagens zurückdreht.


    Anders sieht es freilich aus, wenn wissentlich fremde oder gefälschte Ergebnisse verwendet werden, um Karriere in der Wissenschaft zu machen. Hier gab es eine Reihe prominenter Fälle, die aber wohl selbst die heftigsten Kritiker als völlig anders gelagert einschätzen.


    Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    In einem Unternehmen wäre die Guttenberg'sche Plagiatur ein Kündigungsgrund, wenn sowas rauskäme (und auch schon viel banalere Sachen ...).


    Das ist doch - entschuldige bitte - absoluter Quatsch und entspricht nicht der Realität. Wenn ich jemanden einstelle, weil er einen Doktortitel hat, dann kann für den Fall, dass der Doktortitel nach Abschluss eines Prüfungsverfahrens der Hochschule aberkannt wird, eine Kündigung erfolgen. Sofern der Stelleninhaber sich aber bereit bewährt hat, wird ein guter Arbeitgeber dem Ex-Dr. nicht kündigen, allenfalls eine Gehaltskürzung oder Ähnliches vorsehen.


    Ein Doktor ist die Bescheinigung der Fähigkeit, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten. Es ist keine eigenständige Berufsausbildung, die einen befähigt bestimmte Berufe auszuüben. Von daher spielst Du eventuell auf Fälle an, wo der Bewerber bestimmte Fähigkeiten vortäuscht, ohne diese tatsächlich zu besitzen. Dies wäre völlig anders gelagert und ist obendrein rechtlich relativ eindeutig geregelt.

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Ich hasse ihn bestimmt nicht, aber ich habe mir anfangs etwas mehr erwartet als die Flatterhaftigkeit in den Entscheidungen und die Medienposerei. Ich bin also einer der Enttäuschten.


    Trifft wohl genau meine Einschätzung von weiter oben, es geht nicht vorrangig um die Sache, sondern eher um die Nutzung des Moments:
    Im Ergebnis kann man wohl festhalten: wer Guttenberg nicht mochte findet endlich einen Angriffspunkt; wer seine Arbeit im Vorfeld gut fand, der wird nicht durch die aktuelle Diskussion die Meinung ändern und seinen Rücktritt fordern.


    Aber zugeben sollte man auch, dass man es bei denjenigen, mit deren politischen Inhalten und Überzeugungen man nichts anfangen kann, vielleicht ähnlich versuchen würde. Zu Schade dabei, dass die "Gegenseite" keinen einzigen Politiker mit ähnlicher Popularität und vergleichbarem Potenzial aufbieten kann. Aber die Zeiten werden auch wieder kommen. Eine öffentliche Diskussion über die Qualität und Sorgfalt einer akademischen Arbeit wird soetwas jedoch garantiert nicht hervorbringen ;)

  • Stilfrage


    Zitat

    Original geschrieben von mostwanted
    @ Moskauinkasso



    Bist Du sein Anwalt? Hier wird wesentlich gröber gegen Guttenberg ausgeteilt.


    Nöö,
    aber mich ärgert es, wenn erneut eine im Ansatz sehr interessante Diskussion durch Plattheiten sabotiert wird!


    Es ist übrigens kein Freibrief, wenn (auch) andere bei ihrer Argumentation ins allzu derbe abdriften ......


    Wie schon erwähnt, genau so habe ich hier leider zu oft erleben müssen, wie ein an sich fruchtbarer Gedankenaustausch ins persönlich verletzende abgleitet und ein Thread mit einem leidigem Schloss endet.


    Im übrigen hat in diesem Zusammenhang Happy meinen ausdrücklichen Respekt für seine Toleranz und den hiesigen Gleichmut!

    "Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem." - Karl Valentin

  • Zitat

    Original geschrieben von qwasy
    ...



    Das ist doch - entschuldige bitte - absoluter Quatsch und entspricht nicht der Realität. Wenn ich jemanden einstelle, weil er einen Doktortitel hat, dann kann für den Fall, dass der Doktortitel nach Abschluss eines Prüfungsverfahrens der Hochschule aberkannt wird, eine Kündigung erfolgen. Sofern der Stelleninhaber sich aber bereit bewährt hat, wird ein guter Arbeitgeber dem Ex-Dr. nicht kündigen, allenfalls eine Gehaltskürzung oder Ähnliches vorsehen....


    Ein ein vorhandener Kündigungsgrund bedeutet ja nicht notwendigerweise die Kündigung, was anderes habe ich auch nicht behauptet. Aber ein Vertrauensverlust kann nun geltend gemacht und zur Kündigung instrumentalisiert werden, wie bei einem selbsteingelösten Bon einer Kassiererin.

    LG: V30
    Samsung: Galaxy Tab S2 LTE, A5 (2017);
    Sony: Xperia X Compact;

  • @ Moskauinkasso


    Wieso soller Happy auch anders reagieren, schliesslich habe ich ihn nicht persönlich angegriffen. Die Aussage "..er nimmt sich zu wichtig", war nicht abwertend gemeint sondern eine ganz normale Feststellung. Ich finde ausschliesslich die Mühe befremdlich, mit der permanent und unermüdlich grosse Mengen Salz in eine kleine Wunde gestreut werden. Ich bin auch nicht Guttis Fanboy, aber der Meinung das er als amtierender Verteidigungsminister 99,999% der Bevölkerung etwas voraus hat und sich durchaus Respekt verdient hat, auch vom politischen Gegner.


    Leider interessiert es auch die Medien kaum, dass er als Verteidigungsminister momentan andere Sorgen hat, die gefallenen Soldaten sollten das Volk etwas betroffener machen und es gehört zum guten Ton, jetzt nicht weiter Lärm um nichts zu machen. Momentan repräsentiert Guttenberg den Staat in einer schwierigen Situation, da kann die Hatz auf den Privatmann hinten anstehen.

    Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Ein ein vorhandener Kündigungsgrund bedeutet ja nicht notwendigerweise die Kündigung, was anderes habe ich auch nicht behauptet.


    Da hattest geschrieben, die "Guttenberg'sche Plagiatur" sei ein Kündigungsgrund. Wenn Du mit dem Terminus andeuten willst, dass nach Abschluss des Verfahrens festgestellt wird, dass es sich bei der Arbeit um ein Plagiat handelt, die Formfehler nicht geheilt werden können und deswegen der Doktortitel aberkannt wird, dann kann ich den Gedanken folgen, ohne jedoch die Einschätzung zu teilen.


    Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Aber ein Vertrauensverlust kann nun geltend gemacht und zur Kündigung instrumentalisiert werden, wie bei einem selbsteingelösten Bon einer Kassiererin.


    Das ist aber ein weiter Sprung: Wenn man jemandem kündigen will, dann findet man auch einen Grund. Wenn mir einer einen stichhaltigen Grund gibt, etwa weil er Geld veruntreut - eventuell sogar systematisch, dann kann das selbstverständlich als Anlass genommen werden. Aber es will doch wohl niemand allen Ernstes behaupten, dass Guttenberg systematisch nachlässig arbeitet? :rolleyes:

  • Zitat

    Leider interessiert es auch die Medien kaum, dass er als Verteidigungsminister momentan andere Sorgen hat, die gefallenen Soldaten sollten das Volk etwas betroffener machen und es gehört zum guten Ton, jetzt nicht weiter Lärm um nichts zu machen. Momentan repräsentiert Guttenberg den Staat in einer schwierigen Situation, da kann die Hatz auf den Privatmann hinten anstehen.


    Leider wahr.Äußerst ungünstiger Zeitpunkt für die ganze Debatte leider.

    Life is too short to be small.

  • Zitat

    Original geschrieben von mostwanted
    Leider interessiert es auch die Medien kaum, dass er als Verteidigungsminister momentan andere Sorgen hat, die gefallenen Soldaten sollten das Volk etwas betroffener machen und es gehört zum guten Ton, jetzt nicht weiter Lärm um nichts zu machen. Momentan repräsentiert Guttenberg den Staat in einer schwierigen Situation, da kann die Hatz auf den Privatmann hinten anstehen.


    Wie schon zuvor erläutert, absolute Zustimmung von meiner Seite :top:


    Auch wenn die erhobenen Vorwürfe gegen ihn weiß Gott kein Kavaliersdelikt sind, so fragt man sich dennoch, wo denn bitte aktuell die Prioritäten gesetzt werden... :rolleyes:

    Viele Grüße
    +-<=|:-)*

  • Ich habe gestern in einem Berliner U-Bahnwagen ein kleines Werbeplakat gesehen, auf dem groß und fett stand:
    Eine Frage der Ehre
    und etwas kleiner daneben: Bundeswehr - Karriere mit Zukunft :eek:
    Es ging darum, Kandidaten für das Wachbataillon zu werben, aber ich mußte unwillkürlich an zu Guttenberg und seine Karriere und nähere Zukunft als Oberbefehlshaber der Bundeswehr denken.
    Ich finde den Werbeslogan ohnehin nicht besonders gut gewählt, aber derzeit dürften die Verantwortlichen im Ministerium nicht gerade glücklich sein. ;)


    Wenn die Uni Bayreuth ihren Ruf wahren und verhindern möchte, daß sich Wortschöpfungen wie "Bayreuth-Doktor" etablieren, wird sie handeln müssen. Zumindest das "summa" läßt sich nicht aufrechterhalten. Ob zu Guttenberg mit dem eintretenden Ansehensverlust weiter sein Amt als Verteidigungsminister mit der gleichen Autorität wie bisher ausüben kann, ist fraglich.
    Mit seinem Auftritt am Freitag hat er sich keinen Gefallen getan. Wenn er schnell die Kurve bekommen hätte, hätte er seinen Ruf der Geradlinigkeit halbwegs wahren können. Er ist noch jung, sein Mandat als direkt gewählter Abgeordneter des Bundestags steht nicht zur Debatte und selbst das Amt des Bundeskanzlers wäre in Zukunft nichtmal ausgeschlossen, sofern er die Wähler überzeugen kann. Je länger er jetzt taktiert, desto schwieriger wird es für ihn.
    Ich habe zunächst gedacht, er hätte blind einem Ghostwriter vertraut. Wenn sich jetzt aber Abschnitte der von ihm beauftragten Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages in seiner Dissertation finden, muss er aber in stärkerem Maße involviert sein. Es war also anscheinend nicht eine einzelne Riesendummheit (eine nicht von ihm geschriebene Dissertation einzureichen), sondern vermutlich mehrere Schritte, was es nicht besser macht.
    Die Geschichte hat das Potential zu einer klassischen Tragödie, falls seine politische Karriere abreisst und er realisiert, daß es seine eigene Schuld war. In einer solchen Situation könnten auch Suizidgedanken aufkommen und es bleibt zu hoffen, daß er keine Schusswaffe in Reichweite hat. Seine Familie mag ihm Halt geben.


    leicht OT: Statt zum Verteidigungsminister hätte ich ihn an Merkels Stelle im Herbst 2009 zum Bundesbildungsminister gemacht. Das hätte zwar nicht zu seinem Interessen- und Fähigkeitenprofil gepaßt, aber darauf wurde bei Kabinetts(um)bildungen ja noch nie geachtet, siehe nur F.J. Jung oder M. Glos u.a. :D
    Als Bundesbildungsminister hätte er zwar kaum Kompetenzen gehabt, aber bei seinem Ehrgeiz und Durchsetzungswillen hätte er die Kultusminister der Länder vorantreiben können. Bildung wird als eines der wichtigsten Politikfelder genannt und mit der Ernennung des "Politikstars" Guttenberg zum Bildungsminister hätte man gezeigt, daß man es ernst meint. So wie er jetzt die Abschaffung der Wehrpflicht umsetzt, hätte er vielleicht auch die Bildungskleinstaaterei beschneiden können. Nun ist er allerdings für das Amt des Bildungsministers dauerhaft disqualifiziert. Eine vertane Chance. ;)

    Die Revolution (der mobilen Datenkommunikation) frisst ihre Kinder.
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    Mein MMS-Server ist offline.

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