Dies und das über Politik und Wahlen-Allgemein!

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    ... Italien hat ja ein bescheuertes und ungerechtes Wahlsystem. Da wird das Ergebnis der stärksten Partei auf eine absolute Mehrheit der Sitze aufgestockt. So werden dann z.B. aus 32 Prozeent im Abgeordenetenhaus für eine Partei über 50 Prozent. ...


    Solches Mehrheitswahlrecht existiert (in verschiedenen Ausprägungen) m.W. nicht nur in Italien, sondern auch in GB und etlichen anderen Ländern.


    Von "Italienischen Verhältnissen" zu sprechen, halte ich daher für zu einseitig. Selbst in Deutschland gab es bis zur aktuellen Wahlrechtsreform Sitzverschiebungen durch das auch hier partiell integrierte Mehrheitswahlrecht (Stichwort: Überhangmandate).


    Während in Deutschland das BVerfG den Vorrang des Verhältniswahlrechts proklamiert, setzen andere Länder in erster Linie auf das Mehrheitswahlrecht. Nur Italien an den Pranger zu stellen, halte ich für populistisch - in Sachen (oder eher gegen) Berlusconi scheint wohl jedes Mittel recht. Das kann es aber auch nicht sein ...


    Frankie



    Edit:
    Auch in Deutschland gibt es namhafte Verfechter des Mehrheitswahlrechts:


    Der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Ernst Benda drängt angesichts des politischen Patts nach der Landtagswahl in Hessen auf die Einführung des Mehrheitswahlrechts in Deutschland


    Das Mehrheitwahlrecht ganz pauschal als ungeeignet hinzustellen, dürfte nicht gerechtfertigt sein, obwohl die Nachteile auch in meinen Augen überwiegen. Andere Länder für ein solches Wahlrecht an den Pranger zu stellen, halte ich jedenfalls für verfehlt.


    Selbst der Bundesrepublik drohte zeitweise ein solches Wahlrecht - gücklicherweise konnten sich die Christdemokraten (christlich ist es also zumindest ;) ) mit ihrer seinerzeitigen Forderung nicht durchsetzen.



    (Einfache) Ansätze für ein abgewogenes Pro & contra finden sich etwa hier.

  • So war auch einer der Ursprungsgedanken des bundesdeutschen Wahlrechts - eine Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht.


    Durch die Schaffung von Überhangmandaten wurde dieses dann aber ad absurdum geführt und das Krönchen setzt die letzte Wahlrechtsreform auf:


    Ein anteiliges Mehrheitswahlrecht, dessen Auswirkungen im Nachgang durch Überhangmandate komplett beseitigt werden müssen - so als sei von Beginn an nach reinem Verhältniswahlrecht gewählt worden. Das macht Sinn ... :mad: ... allerdings in erster Linie für diejenigen, die durch sich immer weiter aufblähende Parlamente doch noch ein (schon fast) verloren geglaubtes Pöstchen einheimsen können.


    Alle anderen könnten der Versuchung unterliegen, den einen oder anderen Gedanken daran zu verschwenden, wie sinnhaltig es ist, ein Wahlsystem aufrecht zu erhalten, dessen Auswirkungen in höchstem Maße unerwünscht sind und nach der Wahl wieder umständlich "herausgerechnet" werden müssen. Weil aber kein Posten herausgerechnet werden darf, können Ungereimtheiten nur dadurch bereinigt werden, indem man für die zu kurz gekommenen Fraktionen zusätzliche Mandate schafft.


    Wer das italienische System kritisiert, sollte das kränkelnde deutsche nicht vergessen. Auch das deutsche könnte in fremden Regierungen durchaus zur Erzeugung von Heiterkeit dienen. Gerade vor dem Diktat, andere Regierungen zur Sparsamkeit aufzurufen, scheint die letzte Wahlrechtsreform geradezu aberwitzig.


    Frankie

  • Was ist mit Peer Steinbrück los? Schon wieder ist er in ein Fettnäpfchen getreten, indem er mit seiner Beschimpfung von "Berusconi" und "Grillo" sich völlig undiplomatisch verhalten hat und damit viele Italiener und auch den italienischen Staatspräsidenten verärgert hat.Dieser ist sicher kein Freund dieser beiden umstrittenen Figuren und ihrer Anhänger, diese "Clown"-Beschimpfungen gehen Ihn aber entschieden zu weit."Problem-Peer" Steinbrück ist also anscheinend immer noch nicht als Kanzler-Kandidat in der Realtät angekommen sonst würde er sich nicht so diplomatisch ungeschickt äußern. Er sagt zwar oft was Richtiges, merkt aber nicht, das man das als Kanzlerkandidat so nicht äußern darf. Es ist ja nicht falsch, wenn man z.B. meint, das Gehalt eines Bundeskanzlers sie zu niedrig, gemessen an dem was da Führungskräfte in der freien Wirtschaft verdienen, nur will man selbst Kanzler werden, darf man halt sowas nicht sagen, weil es einen fatalen Eindruck erweckt. Mal schauen was als nächstes kommt?

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard

  • Er hätte die Indianer, bzw. hier: Italiener, nur wissen lassen brauchen, dass es die - verbale - Kavallerie gibt!


    Er hätte die - verbale - Kavallerie aber nicht ausreiten lassen müssen.


    Das hätte vielleicht so ausgesehen: "ich könnte die beiden Wahlgewinner in Italien nun zutreffend als Zirkuskomiker betiteln, halte diese Aussage aber nicht aufrecht, es sei denn die Italiener geben mir erneut Anlass". o.ä.


    Im übrigen hat einer der beiden vorgeblichen "Clowns" fünf Jahre zuvor kräftig an altdeutsche Kavallerie-Reflexe gekitzelt:


    Zitat


    Italien appelliert an die deutschen Brüder: Erklärt uns den Krieg! Wir ergeben uns gern. Ihr müsst nicht mal einen Schuss vergeuden. Wir werden Levkojen und Mimosen auf euch regnen lassen: Ihr seid unsere letzte Hoffnung. Und während ihr die Panzer vorbereitet, könntet ihr euch bereits um unsere öffentlichen Angestellten kümmern. Schon jetzt schicken wir euch jeden Tag den Müll aus Kampanien – bitte nehmt uns auch die Politiker ab!


    Das hat Beppe Grillo 2008 hochoffiziell als Autor in der deutschen "Zeit" geschrieben:


    http://www.zeit.de/2008/08/italienische-Verhaeltnisse


    Wenn der schon die deutschen Panzerketten angeblich spüren will - im Guten - , muss man doch Herrn Steinbrück eine sehr disziplinierte Redeweise zugutehalten - so diszipliniert wie es sich für uns kühle Nordeuropäer auch gehört :)


    Lang lebe die Rhetorik der Levkojen und Mimosen!
    Mimosen statt Panzerketten! :)

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Was ist mit Peer Steinbrück los? Schon wieder ist er in ein Fettnäpfchen getreten, indem er mit seiner Beschimpfung von "Berusconi" und "Grillo" sich völlig undiplomatisch verhalten hat und damit viele Italiener und auch den italienischen Staatspräsidenten verärgert hat.

    Tja, wenn manche an Berlusconi denken brauchen sie halt ein Beruhigungsmittel, bei dem was Mr. B sich schon alles geleistet hat. Kleine Auswahl von der BBC: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/4122596.stm

    Zitat

    Italy's Silvio Berlusconi has stunned the Finnish government by saying he used his "playboy" charms on the country's president, Tarja Halonen.
    The Finnish government called in the Italian ambassador over the issue.
    [...]
    He famously told German MEP Martin Schulz that he would be dream casting for a Nazi concentration camp guard in a forthcoming Italian film.

  • Er (B.) hat unsere Regierungschefin auch ohne Not respektlos behandelt und gedemütigt, was besonders unverständlich ist da Deutschland Italien ja u.a. in der Müllkrise Kampaniens geholfen hat.



    http://www.youtube.com/watch?v=O5B3r7Py2h4


    Die deutsche Sprache hält da zwei Sprichwörter bereit:
    "Wer austeilt, muss auch einstecken können"
    und:
    "Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil."

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    ... nur will man selbst Kanzler werden, darf man halt sowas nicht sagen...



    Also jedem nach der Schnauze reden und alles ist gut? Nur Politiksprech ablassen und man wird gewählt? Eigene Meinungen muss man für sich behalten oder man wird nicht gewählt? Vor der Wahl versprochenes kann ja beliebig nach der Wahl vergessen werden?


    Ist schon weit gekommen wenn das Wahlvolk nur durch Pressehypes und -dows so manipuliert werden kann. Fähnchen im Wind (wer fühlt sich dabei an Angela Merkel erinnert) führen ein Land meiner Meinung nach nicht. Probleme werden ausgesessen anstatt sie zu lösen weil sich ja an der Lösung jemand stören könnte. Je weiter ich darüber nachdenke, um so mehr bin ich für einen Komplettaustausch der Politikerriege.


    Edit: Den ntv-Kommentar finde ich sehr gut!

    Bunt ist das Dasein und granatenstark! Volle Kanne, Hoschi.


    PS: CLK sind meine Initialen, haben auch nichts mit dem Auto zu tun. Gruß, Christian!

  • Ich stimme dem Vorredner Christian zu und finde, der Kommentar den Timba69 gepostet hat, trifft den Nagel auf den Kopf!


    Sehr herzerfrischend fand ich diese Stelle:

    Zitat

    Steinbrück hat nicht nur recht, er hatte auch das Recht, diese Sätze so zu sagen. Für schwiemelige Formulierungen wie die von FDP-Generalsekretär Patrick Döring - "über Berlusconi hat jeder von uns seine eigene Meinung" - mag es in der hohen Schule der Diplomatie ein "sehr gut" geben. Doch normale Menschen sprechen nicht so. Normale Menschen sind es leid, wenn Politiker so sprechen.
    Weil sie genau wissen, dass Sätze wie die von Döring nur dazu da sind, sich hinter ihnen zu verstecken.


    Die Heuchelei ist doch die, dass Döring - wenn man sein Statement "entschlüsselt" - und die gesamte F.D.P. einschliesslich Leutheusser-Schnarrenberger mit Steinbrück in der Sache durchaus übereinstimmt, also genauso denken was B. angeht, ihn - Steinbrück - aber nur deswegen zum Bösen Buben abstempelt weil er das als einziger auch laut und deutlich ausgesprochen hat.


    Dabei wäre hier Solidarität angezeigt gewesen.

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