Eure grössten Aufreger im Strassenverkehr

  • Erlebnis in der Schweiz, das bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen hat:


    vor mir ein blauer Punto. Was mir und meiner Frau auffiel: hinten stand ein kleiner Junge, vieleicht 5 oder 6, quasi zwischen Fahrer- und Beifahrersitz.
    Und: ein "L"- Aufkleber. Für mich hieß das: Fahranfänger im Besitz einer Fahrerlaubnis. An die Schweizer: was bedeutet es genau? Vielleicht begleitetes Fahren ohne Führerschein?
    Wie dem auch sei. Kreuzung ohne Beschilderung. Fahrerin will links abbiegen, LKW kommt entgegen, will das auch. Zwischen den beiden absolut keine erkennbare Verständigung per Hand- oder Lichtzeichen. Nach einigen Sekunden biegt der LKW ab. Punto vor mir bleibt stehen. Sekundenlang. Nach einer Weile kommt von rechts ein weiterer PKW.Guckt die Puntofahrerin an. Wieder kein Anzeichen einer Verständigung. PKW von rechts biegt nach links ab. Punto steht immer noch. Ich frage mich langsam, was los ist. Im Auto vor mir scheint alles wie eingefroren zu sein.
    Was tue ich? Na, hupen! Ich will schließlich, daß sich einfach irgendwas an dieser Situation ändert. Und wenn es nur ist, daß aus dem Punto mal einer die Hand hebt und um Geduld bittet. Stattdessen erschrickt die Fahrerin und würgt die Karre ab. Plötzlich dreht sich die Beifahrerin um und fängt wie wild an, mit den Händen zu fuchteln. Steigt aus, tippt auf das "L" Zeichen und fängt fast an, zu schreien.
    Ich signalisiere mit Handflächen nach unten, daß sie sich beruhigen soll. Stattdessen regt sie sich noch mehr auf und klopft an meine Seitenscheibe. Schreit mir irgendwas auf italienisch entgegen, was sich nach "Wir sind hier in der Schweiz, Sie deutscher Idiot und wir haben ein L- Zeichen drauf!". Ich bitte sie immer noch, sich wieder zu beruhigen. Die Dame steigt wieder ein und ich fahre rechts an ihr vorbei.
    Ich war weder wütend, noch wirklich höchst ungeduldig, ich war schließlich im Urlaub und kam vom Kaffeetrinken. ;)
    Ich wollte einfach nur mal darauf aufmerksam machen, daß sich die Besatzung des Puntos nicht alleine auf der Straße befindet. Und wie sonst sollte ich das tun, wenn nicht per Hupen! Die gute Frau hat sich ca. fünfmal mehr aufgeregt als ich. Ich war eigentlich ganz locker.


    Was ich damit sagen will: Autofahren ist in meinen Augen spätestens an zweiter Stelle Kommunikation. Man hat die Straßen schließlich nicht für sich alleine.
    Hätte die Beifahrerin einfach mal nach hinten geguckt und signalisiert, daß sie gerade ein Problem haben und man sich als Hintermann bitte gedulden möchte, hätte ich gerne noch gewartet. Aber dieses "da stehen und es passiert gar nichts", das ist es, was ich nicht nachvollziehen kann. Es ist doch nichts anderes, ob man im Auto sitzt oder läuft. Wenn ich auf dem Bürgersteig anhalte und den Weg versperre, signalisiere ich doch meinem Hintermann auch, daß er bitte kurz warten möchte. Oder?!


    Es war einfach überhaupt nicht zu erkennen, was sich im Auto vor mir abspielt. Gab es ein Problem mit der Vorfahrtsfrage? Ging der Gang nicht rein? War man dabei, dem Jungen zu erklären, daß er sich hinzusetzen und anzuschnallen hat? War man dabei, über das Wetter zu diskutieren? Glaubte man, man sei alleine auf der Welt?
    Logisch, daß man sich dann bemerkbar macht, hinten dran, oder?!


    Diese Nichtkommunikation ist in meinen Augen auch ein riesiges Problem. Schaut Euch mal die LKW- Fahrer an, wie die untereinander kommunizieren! Das klappt super!
    Warum nicht unter PKW- Fahrern? Wir sind offenbar alle für uns alleine unterwegs und der Rest will uns nur schikanieren?!


    Wir müssen davon wegkommen, uns nur alleine zu sehen und stattdessen kapieren, daß Straßenverkehr ein Zusammenspiel ist und nur funktionieren kann, wenn wir ihn zusammen bzw. gemeinsam betreiben und wir unsere Interesse kommunizieren und abstimmen müssen.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Zitat

    Original geschrieben von Jochen
    Diese Nichtkommunikation ist in meinen Augen auch ein riesiges Problem. Schaut Euch mal die LKW- Fahrer an, wie die untereinander kommunizieren! Das klappt super!
    Warum nicht unter PKW- Fahrern? Wir sind offenbar alle für uns alleine unterwegs und der Rest will uns nur schikanieren?!


    Wir müssen davon wegkommen, uns nur alleine zu sehen und stattdessen kapieren, daß Straßenverkehr ein Zusammenspiel ist und nur funktionieren kann, wenn wir ihn zusammen bzw. gemeinsam betreiben und wir unsere Interesse kommunizieren und abstimmen müssen.

    Super Beitrag! Stimme ich voll zu! :top:
    Und für dieses Zusammenspiel müssen wir uns erst mal klarmachen, dass die anderen da nicht unsere 'Gegner' sind, sondern Mitspieler, und wir im Grunde alle im selben Boot sitzen. Und man sich vielleicht sogar mal gegenseitig helfen könnte. Und die Stärkeren auch mal Rücksicht auf die Schwächeren nehmen sollten. - Weil Autofahren eben auch nur ein Teil des 'richtigen Lebens' ist.

  • Zitat

    Original geschrieben von Elke2002
    Und die Stärkeren auch mal Rücksicht auf die Schwächeren nehmen sollten.


    Und umgekehrt! In der Natur ist es nicht anders: die Schwachen müssen sich auch nach den Stärkeren richten. Wenn ich nicht so gut fahren kann, dann muß ich mich eben in einem kleineren Bereich bewegen, um das mal bildlich auszudrücken. Und mich vorsichtiger bewegen, noch mehr kommunizieren, andere darauf aufmerksam machen, daß ich schwach bin. Nicht voraussetzen, daß der Stärkere Rücksicht nimmt, sondern darauf achten, daß der andere auch die Gelegenheit dazu hat und ihm deutlich machen, daß man sie besonders benötigt.
    Es ist doch in einem Forum auch nicht anders: logischerweise habe ich als Newbie oder als Einsteiger die gleichen Rechte, wie jeder andere auch. Aber wenn ich noch nicht so durchblicke, halte ich mich erstmal zurück, schaue mich um, bin vorsichtiger, traue mich nicht gleich auf die Überholspur. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Erst, wenn ich mir sicher genug bin und auch die Bestätigung erhalten habe, daß ich es "kann", wage ich mich Schritt für Schritt weiter vor.
    Dieses Geben und Nehmen von beiden Seiten ist in meinen Augen der Schlüssel.
    Nicht immer nur die einen müssen und die anderen dürfen!

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Nun ist aber oft die Frage, wer denn mit wem "zusammenspielen" soll. Ich erlebe auch oft, dass wenn ich mit ca. 150-160 auf sder Autobahn links überhole, Autofahrer vor mir ausscheren auf die linke Spur mit 110, um einen LKW zu überholen. Der "Ausscherer" könnte dann mein rasches Auffahren als Nötigung auffassen, ich dagegen sein langsames Fahren vor mir. Wer gibt nun nach und wer hat recht? Der Andere könnte z.B. mich vorbei lassen und erst eine Sekunde später rüberziehen. Natürkich könnte ich generell langsam fahren... Das ist eine Kette ohne Ende und dass mein Saugdiesel dann wieder ewig braucht, um von 110 wieder auf 160 hochzukommen und mir die Schnelleren dann ihrerseits die Stoßstange "küssen" ist nur ein Teil davon.


    Letztlich haben eben beide recht und müßten Rücksicht nehmen. Aber das wird schon problematisch, wenn man korrekt den Sicherheitsabstand einhalten will. Garantiert klemmt sich einer dazwischen und ich müßte langsamer fahren, damit der Sicherheitsabstand wieder hinkommt, wo sich wieder einer zwischen setzt etc. Ich würde also eigentlich nie richtig vorwärts kommen! :rolleyes:


    BTW JoPi: Der etwas "lautere" Ton bei Menschen aus südlichen Ländern ist im Allgemeinen deren normaler Redeton und hört sich oft nur für uns Nördliche wie Schimpfen an. Das kann man hier z.B. in Kreuzberg gut erleben, wenn es mal wieder zwischen Polizei und "Jugenlichen mit Migrantenhintergrund" nicht geklappt hat!

  • Naja, aber Gesichtsausdruck, Gestik und Lautstärke waren schon recht eindeutig. Ansonsten habe ich die Tessiner eher gegenteilig erlebt: die Uhren ticken dort anders. Ich hätte gerade dort am wenigsten mit so einer Reaktion gerechnet.


    Zu Deiner Situation:


    natürlich ist es immer das Problem, daß man Situationen zusätzlich unterschiedlich einschätzt.


    Aber davon ausgegangen, daß Ihr beide die Situation gleich seht, also daß er vor Dir ausscheren "muß", mußt er Dir rechtzeitig, lange genug und deutlich genug andeuten, daß er ausscheren will, Du mußt vom Gas gehen, um auf ein identisches oder ungefährlich ähnliches Tempo zu kommen und schon gibt es eigentlich kein Problem mehr.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Natürlich müssen *alle* aufeinander Rücksicht nehmen. Mal ist der eine stärker, mal der andere. - Wenn es für mich aber leichter ist, Rücksicht auf jemanden anders zu nehmen, als es gerade für ihn ist, dann mache ich das einfach auch.
    In einer anderen Situation mit anderen Beteiligten kann das schon wieder ganz anders aussehen. - Flexibilität spielt auch auch eine große Rolle.


    Man gucke sich mal [url=http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,389289,00.html]Mondermanns "Shared Space"-Konzept[/url] an, wo die Verkehrsteilnehmer fast ohne Verkehrszeichen auskommen und so gezwungenermaßen miteinander kommunizieren müssen. - Alle kommen so viel sicherer durch den Verkehr (weil sie gegenseitig auf sich aufpassen), als wenn jeder immer nur auf sein 'Recht' pocht.

  • Zitat

    Original geschrieben von Jochen
    Zu Deiner Situation:


    natürlich ist es immer das Problem, daß man Situationen zusätzlich unterschiedlich einschätzt.


    Aber davon ausgegangen, daß Ihr beide die Situation gleich seht, also daß er vor Dir ausscheren "muß", mußt er Dir rechtzeitig, lange genug und deutlich genug andeuten, daß er ausscheren will, Du mußt vom Gas gehen, um auf ein identisches oder ungefährlich ähnliches Tempo zu kommen und schon gibt es eigentlich kein Problem mehr.


    Ich meinte schon, dass direkt vor mir ausgeschert wird, also im "letzten Moment". Da scheint der LKW "zufällig" vor ihm aufgetaucht zu sein! :rolleyes:


    elke: Das mit der Rücksicht ist so eine Sache. Wenn ich schon ewig zu sehen bin, wie ich links "anbrause", dann könnte ich nach Schulz von Thun als Appell ein: "Platz da, jetzt komm ich!" annehmen. Auch das ist ja Kommunikation, wenn auch keine eindeutige.

  • Dirk: Da würde ich schon aus Rücksicht auf mein eigenes Wohlbefinden nicht ausscheren und mich dem Heranrasenden in den Weg stellen. ;)


    Rück-Sicht (man beachte die hübsche Doppeldeutigkeit in diesem Zusammenhang) kann ja auch durchaus etwas mir Egoismus zu tun haben... :D

  • elke: Ich mache ja auch Platz, wenn einer mit 200 anbraust... Aber ich denke, das läßt sich hier eh nicht klären! ;)


    Eine Verbindung sehe ich auch zum Fahrzeug: als ich vor 15 Jahren meinen Audi 100 Porsche 924 hatte, wollten immer irgendwelche Deppen Rennen mit mir fahren, die ich dankend abgelehnt hatte, weil ich ja das "original" hatte und somit nicht mich mit meinem aufgemotzten Golf, Opel oder werweißwas profilieren mußte. Mit meinem Fabia Kombi erlebe ich sowas nicht! :D

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