Kann man einem WoW Süchtigen helfen?

  • Nach langen Überlegungen habe ich mich dazu entschlossen, den folgenden Sachverhalt mal zur Diskussion zu stellen, um so ggf. mal ein paar andere Meinungen bzw. Ideen zu bekommen.


    Es geht um einen guten Kumpel, den ich quasi mein ganzes Leben (Nachbarn) kenne. Wir haben quasi alles seit klein auf gemeinsam gemacht, zum selben Kindergarten gegangen, die gleiche Schule besucht, etc.
    Mit dem Aufkommen bezahlbarer PCs waren wir beide im Alter von 15-16 Jahren die Spielesucht quasi gleichzeitig erlegen. Über mehrere Jahre hinweg war unser Tagesablauf immer identisch: Aufstehen, frühstücken, Schule, PC, Bett. Mehrmals die Woche haben wir die Rechner jeweils zum anderen geschleppt und bis spät abends im Netzwerk diverse Spiele gespielt. Obwohl unsere schulischen Leistungen dadurch natürlich drastisch in den Keller gingen, haben wir beide mit Hängen und Würgen unser Abi doch noch geschafft.


    Während des Zivildienstes traten so langsam die ersten Unterschiede in Sachen PC-Spiele auf. Während ich mich langsam aber sicher von den Spielen löste, weil irgendwie der Reiz abhanden gekommen war, zockte mein Kumpel mit dem selben Einsatz wie eh und je weiter. Da ich auch noch recht regelmäßig spielte, hielt ich das für ganz normal.


    Direkt im Anschluss sind wir beide von zu Hause ausgezogen, um zu studieren. Zugegeben, ehrgeizigsten Studenten waren wir sicher nicht, zumindest in den ersten Semestern. Die im Vergleich zur Schule zur Verfügung stehenden Freiheiten waren einfach zu verlockend, als das man sie hätte ausschlagen können :) . Während ich die "freie" Zeit gerne mal dazu nutzte, um etwas länger schlafen zu können oder um andere Dinge zu erledigen, verbrachte mein Freund jede Minute mit zahlreichen Games.


    Irgendwann so mitte des zweiten Semesters habe ich mich dann fangen und den Weg in den typischen Studentenalltag finden können. Ein Schritt, den mein Kommilitone leider nicht geschafft hat. Semester um Semester gammelte er rum und schaffte mit Ach und Krach gerade mal 1-2 Klausuren je Semester zu schreiben, von denen dann die eine oder andere auch noch in die Hose geht.


    Den absoluten Höhepunkt erreichte das Ganze dann mit Erscheinen der World of Warcraft Beta. Seit diesem Moment zählte bzw. zählt nichts anderes mehr.


    Jetzt sind wir beide 29 Jahre alt. Seine Eltern überweisen ihm immer noch jeden Monat regelmäßig die Lebensunterhaltskosten (Miete + Studiengebühren + Taschengeld), in der Hoffnung, dass ihr Sohn nach 16 Semestern endlich sein Vordiplom macht. Er erzählt ihnen immer wieder, dass ihm nur noch eine Klausur fehlt, obwohl es in Wahrheit noch 10 sind.


    Wir beide sehen uns, im Gegensatz zu früher, auch nur noch relativ selten. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Zum einen hat er seinen Tagesablauf komplett auf das Spiel ausgerichtet. Konkret heißt das nicht vor 12 Uhr aufstehen (weil noch keiner online ist), dafür aber bis morgens 3-4 Uhr spielen. Vormittags treffen fällt dadurch schonmal flach. Abends geht zumindest ohne langfristige Vorankündigung auch nicht, weil 5 Tage die Woche Raid angesagt ist. Die anderen beiden Tage wird dann "gefarmt".


    Zum anderen drehen sich unsere Gespräche, wenn wir uns dann mal treffen, sehr zu meinem Leidwesen zu 90% auch nur um WoW, dessen Patches und dem kommenden Addon. Obwohl ich auch mal 1 Monat WoW gespielt habe, kann ich mit Begriffen wie Epic Mounts, Sunwell Instanzen und T6 Rüstungsset herzlich wenig anfangen.


    Auf diverse dezente Anregungen über die Jahre hinweg, mal etwas anderes zu machen (Buch lesen, Kino, Sportverein ...) bekomme ich immer die gleichen Antworten: Keine Zeit, keine Lust, kein Geld. Was mich aber gerade hinsichtlich unserer gemeinsamen Vergangenheit richtig trifft, sind die unterschwelligen Botschaften, denen zufolge ihm seine virtuellen Kontakte mehr bedeuten, als ich und das obwohl ich quasi sein letzter Real-Life Kontakt bin, nachdem sich seine anderen Freunde nach und nach verabschiedet haben.



    Irgendwie bin ich mit meinem Latein am Ende. Wenn wir uns nicht schon so lange kennen würden und so viel zusammen erlebt hätten, wäre der Kontakt meinerseits schon lange abgebrochen worden.
    Prinzipiell schwanke ich zwischen zwei Extremen: Entweder schließe ich mich seinen anderen Ex-Freunden an und breche den Kontakt ab, in der Hoffnung, dass er irgendwann mal wieder zur Besinnung kommt (worauf ich wahrscheinlich lange warten kann) oder ich stecke seinen Eltern die Wahrheit, damit die ihren Sohn wachrütteln.
    Momentan tendiere ich zu Option 1, da ich so nicht mit der "Schuld" leben müsste, ihn hintergangen zu haben und die Möglichkeit besteht, irgendwann mal wieder an die alten Zeiten anknüpfen zu können.



    Mich interessiert nun, wie ihr handeln würdet. Möglicherweise sehe ich das Ganze auch einfach nur zu eng.





    Ps: Sorry für den langen Text aber irgendwie hatte ich das Bedürfnis mir das alles mal von der Seele zu schreiben.

  • Tja ist schwierig bei einem Erwachsenen. Bei meinem Neffen war es einfacher, der hatte dann plötzlich keinen PC mehr.
    Hast Du mal RICHTIG Klartext mit ihm gesprochen? So richtig, nicht nur mit unterschwelligen Angeboten usw. usf.?
    Manchmal hilft auch nur der grobe Hammer..

    fm4.orf.at
    Wir leben weit über unseren Verhältnissen. Aber noch lange nicht auf unserem Niveau.

  • Red mit seinen Eltern, dass sie seinen "Unterhalt" einstellen. Dann wird er schon merken, dass er was tun muss. :p


    Ich spiele zwar auch exzesiv Online Spiele, verbringe jede freie Minute in der virtuellen Welt und trotzdem würde es mir nie einfallen mein wirkliches Leben zu vernachlässigen.


    Bei manchen hilft nur die Holzhammer Methode...

    ~done~

  • Re: Kann man einem WoW Süchtigen helfen?


    Zitat

    Original geschrieben von tobias2k
    ...oder ich stecke seinen Eltern die Wahrheit, damit die ihren Sohn wachrütteln...


    zu den dingen die ich im Leben gelernt habe zählt unter anderem auch, dass man im Leben anderer niemals Schicksal spielen soll...

    //M

  • Ich glaube der grobe Hammer ist die falsche Richtung, weil er seinen Ersatz hat und es ihm mehr oder weniger egal sein wird ob du ihn quasi sitzen lässt oder nicht.


    Ich denke du musst definitiv ne Menge Geduld mitbringen, schnell wird das niemals gehen... Du wirst halt bohren müssen und es wie gesagt eben langfristig ankündigen das ihr was machen wollt....


    Ich sag dir aber wenn du es seinen Eltern steckst und ihm noch drohst zu deinen Ex Kollegen zu gehen wirst du ihn ganz verlieren.....


    Denk dran, er hat ein zweites virtuelles Leben aufgebaut was ihn in gewisser Weise befriedigt und glücklich macht... Gehst du, hat er gleichzeitig Zeit für den nächsten Raid....


    Ich spreche da ein wenig aus eigener Erfahrung... Ich spiele auch Onlinerollenspiel, bin auch mehr oder weniger süchtig, oder besser gesagt, verrückt danach und es war gerade in meiner Studentenzeit sehr extrem... Wie du sagtest, es ist verlockend wenn man erstmal so viele Freiheiten hat.


    Glücklicherweise habe ich aber noch den Fußball, meine Freundin und meinen Arbeitgeber der mich immerhin noch ans reale Leben erinnert und mich so noch auf den Boden der Tatsachen leben lässt

  • Richtig Tacheles habe ich mit ihm noch nicht geredet, weil schon leichte Andeutungen meist das klassische "Süchtlingsverhalten" hervorruft. Auf die Frage, ob er nicht ein bißchen viel spielt, kommt dann etwas ala "Ne, das ist ganz normal. Wenn man was erreichen will, muss man da viel Zeit investieren". Bohre ich dezent weiter, wird der Ton schon etwas schärfer. So viel Zeit würde er ja gar nicht investieren, außerdem wäre es ja seine Sache, was er mit dem Tag anfängt.
    Bevor ich dann im Cafè oder in der Einkaufsstraße noch einen hitzige Diskussion entfache, lasse ich es dann meist gut sein.
    Nicht das jetzt ein falsches Licht auf ihn fällt: Im allgemeinen kann man gut mit ihm diskutieren, nur die Spielerei ist ein heißes Thema.

  • Kenne auch zwei Leute, denen ihre WoW-Sucht ordentlich die Zukunft verhagelt hat, irgendwann steht halt einfach Exmat auf dem Programm; daher ist das einzige, was imo hilft, der ganz kalte "Guantanamo"-Entzug (man verzeihe den drastischen Vergleich), sprich seine Eltern müssen ihn zurück nach Hause holen, die Geldmittel und das Internet kappen und ihn täglich an die Bücher schleifen, dann kann's noch was werden. Aber ohne so harten Druck und die entsprechend konsequente Vorgehensweise ist nicht zu machen, Spielsucht ist tasächlich eine ernstzunehmende "Sucht".

  • Hast du schon mal an professionelle Hilfe gedacht?
    D. h. ein Psychologe, der sich wirklich mit dem Thema auskennt?
    Den Punkt, an dem "gut zureden" hilft, hat er m. E. schon überschritten. Du könntest einen Termin beim Psychologen ausmachen, das Thema besprechen und deinen Freund dann zu einem Besuch überreden.
    Wenn er davon wieder wegkommt, wird er dir noch sehr lange dafür dankbar sein. Wenn nicht, kannst du dir wenigstens keine Vorwürfe machen.


    Sucht ist Sucht, egal ob Alkohol, Drogen oder PC-Spiele. Sobald jemand sein Leben so "wegschmeißt", sollte man nicht länger zusehen, sondern handeln!


    Edit: Wenn er sich vom normalen Studentenleben wirklich so stark abgekoppelt hat, solltest du ihm vielleicht dessen Vorteile (wieder?) näher bringen? Partys, Frauen, Freunde... Ruf ihn am Wochenende an, "schleif" ihn mit - vielleicht kannst du auch so schon was erreichen?

  • Für mich klingt es nicht unbedingt sinnvoll, die Geschichte entweder per Holzhammer oder per "cold turkey" zu lösen.


    Imho sollte das Ganze professionell angepackt werden, sprich: Mit Hilfe eines Suchtexperten - und das geht dann eben schnell über Deinen "Zuständigkeitsbereich" hinaus.


    Wenn seine Eltern sich wirklich 16 Semester hinhalten lassen, um das Vor(!)diplom hinzubekommen, scheint mir das Problem auch irgendwo auf ihrer Seite zu liegen. Vielleicht lassen sie sich diesen Mist nur allzu gern verkaufen, um den Problemen nicht ins Auge sehen zu müssen.


    All das ist eine Zwickmühle, das ist klar. Aber die Frage ist, ob ausgerechnet Du derjenige sein sollst/kannst, der ihn rettet.


    Mit gut Zureden wirst Du einen vollkommen Süchtigen nicht aus seiner Sucht befreien. Daher eben der Hinweis auf professionelle Hilfe.

    Hätte der Mensch nur halb so viel Vernunft wie Verstand, dann wäre alles viel einfacher in der Welt. Linus Pauling

  • Zitat

    Original geschrieben von Mephisto
    Kenne auch zwei Leute, denen ihre WoW-Sucht ordentlich die Zukunft verhagelt hat, irgendwann steht halt einfach Exmat auf dem Programm; daher ist das einzige, was imo hilft, der ganz kalte "Guantanamo"-Entzug (man verzeihe den drastischen Vergleich), sprich seine Eltern müssen ihn zurück nach Hause holen, die Geldmittel und das Internet kappen und ihn täglich an die Bücher schleifen, dann kann's noch was werden. Aber ohne so harten Druck und die entsprechend konsequente Vorgehensweise ist nicht zu machen, Spielsucht ist tasächlich eine ernstzunehmende "Sucht".

    Ehrlich gesagt halte ich das für keine Gute Idee, denn sowas wird vielleicht einige Wochen klappen, aber sobald er wieder an nem PC kommt wird er wieder rückfällig werden.


    Ich denke er muss es einfach selber einsehen das WoW nur ein Spiel ist und mab nicht sein ganzes Leben danach ausrichten darf, und viele Sachen im Reallife mehr zählen als so ein Rollenspiel.


    Meist ist es aber so das WoW oder generell gesagt die Sucht nicht das primäre Problem ist, sondern er wohl wie die meisten Süchtigen mit sich oder seiner Rolle im Real Life nicht zufrieden ist, und sich deswegen in eine zweite Welt flüchtet.


    Die einzige Methode die klappen kann ist deswegen im erstmal aufzuzeigen das auch die echte Welt für ihn Perspektiven bietet.


    Das wird aber sicher kein einfacher Weg. Denn wenn er damals schon nicht zufrieden war es er Schüler war und seine Peer Group auch Schüler waren und heute dann feststellen muss das seine Bekannten von damals ihr Studium erfolgreich beendet haben und seit Jahren im Berufsleben stehen und evtl. Familie haben, und er noch nichtmal das Vordiplom dann kann das durchaus ne Kriese geben.


    Und da hier die Sucht extrem ausgeprägt ist und auch schon extrem lange andauert, würde ich auch sagen das du allen oder intern im Freundeskreis allein nichts machen könnt. Denke da muss auf jeden Fall professionlle Hilfe durch Suchtexperten her, evtl. auch eine Selbsthilfegruppe.

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