Mindestlöhne sinnvoll?

  • Zitat

    Original geschrieben von Siemensanier
    Ich merke schon, wir drehen uns im Kreis. Darum auch jetzt wieder die physikalisch / mathematische Wissenschaft als Maßstab. Ich habe schonmal geschrieben, dass ich bei diesen Naturwissenschaften von wirklichen Naturgesetzen und unumstößlichen Zusammenhängen ausgehe.


    Und dieses ist in der Ökonomie nunmal so nicht gegeben.


    Für den Methodenimport und den daraus abgeleiteten Unfehlbarkeitsanspruch gibt es sogar einen Ausdruck, das nennt man Szientismus. Auf die Politik übertragen taucht das in der Praxis heute oft als "TINA-Prinzip" ["There is no alternative"] auf. Wird TINA zu oft bemüht, sehe ich die Gefahr einer Entpolitisierung der Politik. Es ist die Uraufgabe der Politik, verschiedene Lösungswege identifizieren, zu diskutieren, den Wählern schmackhaft zu machen und schließlich sinnvoll umzusetzen. Fallen die erste drei Schritte weg, schadet das der Demokratie.


    Auf das Beispiel Mindestlohn übertragen bedeutet das, dass es die Aufgabe der Parteien gewesen wäre, jenseits der alten Systemfrage zu prüfen, wieso die Löhne in bestimmten Bereichen so extrem gesunken sind und was man dagegen tun kann. Der Einsicht, dass flächendeckende Mindestlöhne nicht die allerbeste Lösung sind, hätte eine Politik der Aufklärung über die Gründe folgen müssen, die die Bezieher niedrigster Einkommen nicht verhöhnt und ihnen eine andere Perspektive aufzeigt.


    Wer nur das altgediente Schlachtross H.W. Sinn in die Polittalk-Sendung schickt und als Politiker glaubt, damit seine Schuldigkeit getan zu haben, irrt. Die Identifikation des ökonomisch Richtigen steht wie gesagt ganz am Anfang und ist noch nicht einmal die halbe Miete. Der Ökonom muss auch nicht darauf achten, ob das aus seiner Sicht Richtige irgendwelchen Gerechtigkeitskonzeptionen genügt, ob es sich überhaupt durchsetzen lässt und wie es den sozialen Frieden in Deutschland beeinflusst.


    Zur ökonomischen Theorie möchte ich noch eins loswerden:
    kaum jemand (höchstens vielleicht Herr Sinn, aber der ist schon mehr Politiker als Wissenschaftler und in gewisser Weise religiöser, als er glaubt) wird bestreiten wollen, dass das Absinken der Löhne in bestimmten Berufen nichts mehr mit der Produktivität zu tun hat. Das Modell der Lohnfindung durch die Tarifpartner baut sehr stark auf eine gewisse "Gleichheit der Waffen" auf. Gibt es ein starkes Überangebot an weniger qualifizierten Arbeitskräften stellenweise verbunden mit der glaubwürdigen Drohung einer Arbeitsplatzverlagerung in's Ausland, funktioniert das bekannte System der Lohnfindung nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie es einmal gedacht war, als fairer Interessenausgleich, mit dem beide Seiten leben können.


    Verhält es sich so wie dargestellt, lässt sich durchaus das Argument machen, der Staat müsse punktuell eingreifen, z.B. durch eine negative Einkommenssteuer, die von der Idee her die betroffenen arbeitenden Bürger wenigstens nicht in die Nähe von Almosenempfängern rückt, da mit dem Finanzamt abgerechnet wird und nicht mit dem Sozialamt. Da ist einfach sehr viel Psychologie im Spiel. Das zu erkennen macht einen guten Politiker aus. Das zu verkennen ist seit Jahren das Privileg deutscher Wissenschaftler, die durch die Talkshows tingeln und glauben, das sei der Kern der Politik.

    “The ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful than is commonly understood. Indeed the world is ruled by little else. Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist.” (Keynes)

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Ein Lohn kann halt nur so hoch sein, daß sich das ganze wirtschaftlich noch rechnet und das ist halt nicht unbedinngt so hoch daß man davon leben kann. Nimmt man das Beispiel Frisör: Man könnte ja sagen, der Frisör soll einen doppelt so hohen Lohn bekommen wie bisher, sagen wir mal statt 3,80 Euro 7,60 Euro die Stunde. Dann kostet halt ein Haarschnitt der bisher 20 Euro kostet, dann 30 Euro. Das ist vielen zu teuer oder können sich es nicht mehr leisten. Sie lassen sich dann Ihr Haar von einem Schwarzarbeiter schneiden, der Umsatz im Frisörgeschäft sinkt und folglich müssen Mitarbeiter entlassen werden.

    Aber man muss sagen das Friseur ein durchaus qualifizierter Beruf ist, die Leute haben in der Regel Mittlere Reife, ne dreijährige Ausbildung, müssen den grössten Teil der Arbeitszeit stehen, und noch dazu konzentriert arbeiten weil man Fehler nicht soleicht korrigieren kann wie in anderen Berufen.


    Wenn man jetzt einem Friseur statt 3,80€ jetzt 10,80€ zahlen würde wären das bei pro Stunde Arbeitszeit 7€ Mehrkosten, wenn man den Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungen berücksichtigt vermutlich 10€.


    Wenn man dann statt 42€ einfach 52€ zahlt, bringt das keinen um.

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Ein Lohn kann halt nur so hoch sein, daß sich das ganze wirtschaftlich noch rechnet und das ist halt nicht unbedinngt so hoch daß man davon leben kann....


    Genau so muss es sein! Schliesslich betet das Prof Un-Sinn ja dauernd vor.
    Nimmt man z.B. ein Zimmermädchen im Hotel Vier Jahreszeiten. Würde man dem statt 4 Euro nun 8 Euro die Stunde zahlen, müsste für das Zimmer 401 statt für 400 Euro pro Nacht gezahlt werden. Da müsste das Hotel bestimmt nächste Woche zumachen und das Zimmermädchen würde seinen Arbeitsplatz verlieren. Ganz bestimmt! ;)


    Gruß


    Pitter

  • "Viele Subunternehmer arbeiten heute bereits umgerechnet teils für weniger als ein potentioneller Mindestlohnkandidat."


    Das aber auch nur, weil diese Leute keine Arbeit mehr bekommen bzw. die Kunden, siehe Auktionshäuser, nur noch den billigsten nehmen, egal aus welcher Gegend er dann kommt, hauptsache er spart irgendwo ein Euro.


    So bald dieser aber soviel arbeit hat, dass er einen anstellen muss, hätte er das Problem "Mindestlohn" aber auch. So lange er für sich alleine "rumwurschtelt", mit seiner Arbeit leben und Garantie geben kann, soll dieser doch machen was er will.
    Wenn er dann jemanden anstellt, sollte dem Angestellten zumindest der Mindestlohn gezahlt werden. :mad:


    Bei uns in der Gegend haben wir, als kleines Unternehmen, dass Problem, dass wenn wir Angebote rauslassen, zu hören bekommen: "Was, so günstig, wir wollen doch Qualität"..."So teuer, dass bekommen wir übes`s Internet doch billiger gemacht."


    Zu den Ersten sagen wir dann immer: "Wir brauchen keine Villa, 10 Angestellte und 15 Fahrzeuge um die Grössten zu sein..."...die Zweiten "Dann nehmt den, aber wenn ein Garantiefall besteht oder dieser mitten in der Arbeit abhaut, stehen wir nicht zu Verfügung."
    Was ich damit sagen will, jeder will und braucht sein Geld am Monatsende. Ob es der Kunde oder der Auftragnehmer ist. Wir haben Anfragen von bestimmten Berufsgruppen, welche wir ablehnen, da diese Leute mit dem "Werdie" Schild auf die Strasse zum Streiken gehen, aber hintenrum auf den letzten Cent runter handeln und hoffen das wir Geld zum Arbeiten mitbringen. :gpaul:


    Das Nächste, ich gehe mal nicht weiter darauf ein, sind die ganzen Handelsspannen: Herstellung-Einkauf-Verkaufspreis. Wie können auf Fahrzeuge 35%, auf Bekleidung bis 70% auf Bauwaren(sage ich mal lieber nicht) gegeben werden(Verlust machen die dann immer noch nicht)? Da liegt doch ein riesen Problem was aber keiner anspricht.


    Mindestlohn: Wie viele Firmen der modernen Sklaverei, sorry Zeitarbeitsfirmen, bekommen die Leute vom AA zugeteilt, welche dann 3,80-4,50 "verdienen", sind in den letzten 2-3 Jahren entstanden? Da sagt kein Schw...bzw. Politiker was. :confused:


    Wo ich gerade dabei bin: Wir hatten 2006 jemanden angestellt, Ende 30-ohne Ausbildung, aber lernfähig, der Arbeitslos war, kein Geld bekam und bei uns auf Teilzeit 80Std-800€ netto, plus Zulagen, hatte. Ihm wurde vom Arbeitsamt aber geraten, zu kündigen um für einen Vollzeitjob zur Verfügung zu stehen. Jetzt ist er seit einem 3/4 Jahr arbeitslos und geht beim Onkel Hartz betteln und sollte für eine Gerüstbaufirma(60 km einfache Fahrt, 4,50-, über Zeitarbeit)arbeit annehmen.
    Hauptsache AA und Zeitarbeitsfirma bzw. Vermittler verdienen.


    Pro Mindestlohn :top:
    Gute Nacht Deutschland... :(

  • schmidt3


    Der Großteil der Professoren würde auch sagen dass die Rente ab 65-67 die Wirtschaft schwächt denn es könnte doch einfach jeder solange arbeiten bis er körperlich nicht mehr dazu in der Lage ist.


    Praktisch alle Wirtschaftsführer werden sagen der 8 Stunden Arbeitstag sei Unsinn denn sie selbst würden ja problemlos 14 Stunden arbeiten und das könnte doch jeder tun. 30 Tage Urlaub sind ihnen auch viel zuviel. 10 würden auch genügen, geht ja anderswo auch.


    All diese Arbeitsicherheits- und Umweltschutzauflagen dier es hier gibt behindern auch nur die Wirtschaft. In Indien und China geht es ja schließlich auch ohne und dort wird so ein wesentlich höheres Wirtschaftswachstum erzielt als in Deutschland.


    usw. usf.


    Und rein ökonomisch betrachtet mag das ja auch alles richtig sein.


    Am Ende muß man sich halt fragen wo man seine persönlichen Präferenzen setzt und in welcher Gesellschaft man leben möchte.

  • Zitat

    Original geschrieben von Siemensanier
    Ich merke schon, wir drehen uns im Kreis. Darum auch jetzt wieder die physikalisch / mathematische Wissenschaft als Maßstab. Ich habe schonmal geschrieben, dass ich bei diesen Naturwissenschaften von wirklichen Naturgesetzen und unumstößlichen Zusammenhängen ausgehe.


    Und dieses ist in der Ökonomie nunmal so nicht gegeben. Oder warum werden wissenschaftliche Erfassungsmodelle in diesem Bereich so schnell wie in keiner anderen Wissenschaft überarbeitet / um Faktoren ergänzt / verworfen / oder sonst was. Weil es eben sehr komplexe Abhandlungen sind, die wir vielleicht gar nicht alle richtig mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln erfassen können. Vielleicht hat der berühmte Sack Reis der in China umfällt ja doch ökonomische Auswirkungen auf unser heutiges Wirtschaftsystem. Und sei es auch nur deswegen, weil sein Besitzer beim nächsten Sack besser aufpasst, dadurch zu Wohlstand gelangt und einer der weinigen Chinesen wird, der einen Pass erhällt. Sind nur 5 Millionen pro Jahr bei Mrd. Chinesen. Schonmal was von Chaostheorie gehört. Womit unsere Mathematiker schon lange rumkämpfen, lösen die Ökonomen natürlich mit links!


    Natürlich ist die Ökonomie keine exakte Wissenschaft wie etwa die Physik, sie kann das garnicht sein weil weil ihr Untersuchungsgegenstand großenteils in der Analyse menschlicher Verhaltensweisen besteht. Tatsächlich lassen sich in dieser Analyse jedoch gewiße geradezu gesetzmäßige Verhaltensweisen beobachten, die häufig um so stabiler sind, je größer die Aggregate ausfallen auf die sie sich beziehen. Der zweite Nachteil, den die Ökonomie gegenüber exakten Wissenschaften hat besteht darin, daß ihr i.d.R. Experimente unter Laborbedingungenverwehrt sind. Während ein Physiker seine Versuchsanordnung meist so einrichten kann, daß er Störgrößen isolieren und so vermutete Wirkungszusammenhänge experimentell überprüfen kann, besitzt der Ökonom dies Möglichkeit nicht, sondern ist stattdessen gezwungen, die einzelnen Wirkungszusammenhänge mit den ausgesprochen difizilen Methoden der sogenannten Ökonometrie zu separieren. Einer der von mir erwähnten Institutsleiter, Christopher Schmidt, ist übrigens ein international renommierter Arbeitsmarktökonometriker und weiß somit wohl besser über derartige empirische Zusammenhänge Bescheid als kaum jemand sonst in Deutschland.
    Was Deine Ausführungen zur Ökonomie und zur Mathematik betrifft, so beweisen sie lediglich, daß Du offenkundig noch nie ein modernes Lehrbuch etwa der Mikroökonomie in der Hand gehalten hast. Mathematik ist seit Jahrzehnten die mit Abstand bedeutendste Hilfswissenschaft in der Ökonomie. Tatsächlich sind viele Ökonomen zumindest in den "harten" theoretischen Fächern von Haus aus eigentlich Mathematiker, schlichtweg weil Subdisziplinen wie etwa die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts nichts anderes sind als angewandte Mathematik.
    Von der sogenannten "Chaostheorie" habe ich tatsächlich schon gehört, tatsächlich ist neben der Physik und der Meteorologie die Ökonomie der dritte Haupttummelplatz sogenannter "Chaostheoretiker". Anders als Du aber zu glauben scheinst, ist die "Chaostheorie" oder "Chaosforschung" für Mathematiker keine besondere Herausforderung. In ihrem Kern beschreibt sie lediglich die vergleichsweise simple Tatsache, daß Systeme nichtlinearer Differentialgleichungen sich vollkommen unterschiedlich entwickeln können, wenn man den Startpunkt minimal variiert. Solche Resultate waren für Physiker, Klimatologen, Meterologen und auch Ökonomen, die alle Mathematik als zentrale Hilfswissenschaft verwenden, überraschend, für Mathematiker sind sie jedoch ein ziemlich alter Hut. Das hat allerdings alles mit Arbeitsmarktforschung ziemlich wenig zu tun, hier kommen solche nicht-linearen Differnetialgelichungen in der Regel überhaupt nicht zum Einsatz. Dein Einwand ist somit weitgehend sinnleer.


    Zitat

    Original geschrieben von Siemensanier


    Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir/
    Ich bin die kapitalistische Marktwirtschaft, du sollst keine anderen Modelle haben neben mir!


    Wie sich doch Religionen gleichen können in Ihren Aussagen.


    Die Marktwirtschaft ist unter wissenschaftlichen Aspekten keine Religion, sondern ein vergleichsweise effizienter und sehr ressourcensparender Koordinationsmechanismus, mit dem das Verhalten vieler Millionen von Haushalten und Unternehmen mittels vergleichsweise weniger Informationen, der Preise, aufeinander abgestimmt werden kann. Sobald sich eine Ökonomie über die reine Subsistenzwirtschaft hinaus entwickelt, ist ein solcher Koordinationsmechanismus notwendig. Zu dem marktwirtschaftlichen Koordinationsmechanismus über die Preise existiert als einzig intellektuell überzeugender Gegenentwurf die Koordination über den Plan, d.h. die Planwirtschaft. (Das Faustrecht der Prärie lasse ich einmal außen vor, da es sich als langfristig extrem ineffizent erwiesen hat.) Das hat mit den Eigentumsverhältnissen zunächst einmal garnichts zu tun, es hat sowohl kapitalistische Planwirtschaften gegeben wie auch mit sozialistischen Marktwirtschaften experimentiert wurde. Bei planwirtschaftlichen Ansätzen haben sich in der Vergangenheit die nahezu unendlichen Informationsvoraussetzungen als nachgerade unüberwindbar erwiesen, zumindest solange man am Prinzip der Konsumentensouveränität festgehalten hat. Bei der Erreichung überindividueller Ziele, wie zum Beispiel dem Bau von Pyramiden oder dem Führen von Weltkriegen haben sich planwirtschaftliche Modelle dagegen durchaus bewährt . Wurde die Planwirtschaft auch noch mit einer sozialistischen Eigentumsordnung kombiniert, so kamen evidente Innovations- und Motivationsschwächen hinzu, die meisten Menschen scheinen nicht dauerhaft bereit zu sein, sich für das Gemeinwohl genauso hart ins Zeug zu legen, wie für ihr eigenes. Das Ergebnis dieser kombination waren die weitestgehend gescheiterten staatssozialistischen Experimente des Ostblocks und seiner Anhängsel.
    Ich betrachte die Marktwirtschaft also durchaus nicht als Religion, sondern als einen Koordinationsmechanismus der sich in der Vergangenheit dem alternativen planwirtschaftlichen als überlegen erwiesen hat. Insofern verstehe ich Deinen Vorwurf schlichtweg nicht. Würdest Du einem Ingenieur vorwerfen, daß er die Ansicht vertritt, daß der Otto-Motor unter einer Reihe von Kriterien effizienter arbeitet als eine Dampfmaschine? Das muß natürlich niemanden davon abhalten, irgendwo eine Dampflok zu betreiben. Sind zum Beispiel nur Wasser und Brennholz vorhanden, nicht aber Öl oder Benzin, so mag das ja die richtige entscheidung sein. Ganz fatal wird es allerdings, wenn man so wie Du versucht einen Otto-Motor mitHolz und Wasser zu betreiben, das wird einfach nicht funktionieren. Genauso wenig kann man eine Marktwirtschaft mit all ihren Vorteilen und natürlich auch Nachteilen haben, wenn man versucht zu verhindern, daß ihr Kernstück, der Preismechanismus funktioniert. Und genau das tun Mindestlöhne.

  • Zitat

    Original geschrieben von Zeus
    Am Ende muß man sich halt fragen wo man seine persönlichen Präferenzen setzt und in welcher Gesellschaft man leben möchte.


    In der Tat. Und diese Frage beantwortet der eine oder andere hier ja in beeindruckend deutlicher Art und Weise... :rolleyes:


    Auf das Argument, dass Mindestlöhne in der übergroßen Mehrzahl der Industrieländer durchaus ordentlich funktionieren, und warum diese ausgerechnet in Deutschland das Ende des Abendlandes einläuten sollen, habe ich übrigens auch noch kein wirklich stichhaltiges Gegenargument gehört. Eigentlich habe ich überhaupt noch kein Argument dagegen gehört. ;)

    Ist das eine von den Kirchen, wo man so kleine Cracker kriegt? Ich habe Hunger!

  • Zitat

    Original geschrieben von Zeus
      schmidt3


    Der Großteil der Professoren würde auch sagen dass die Rente ab 65-67 die Wirtschaft schwächt denn es könnte doch einfach jeder solange arbeiten bis er körperlich nicht mehr dazu in der Lage ist.


    Du verwechselst hier den Unterschied zwischen einer positiven und einer normativen Aussage. Ein Großteil der Professoren wird Dir sicherlich sagen, daß man angesichts unserer demographischen Entwicklung mit einerseits niedrigen Geburtenraten und andererseits steigender Lebenserwartung und unter Beibehaltung eines umlagefinanzierten Rentensystems die Wahl zwischen drei Alternativen bzw. einer mehr oder weniger auswogenen Kombination aus diesen Alternativen hat:


    1. Man kann das Rentenniveau senken


    2. Man kann den Beitragssatz erhöhen


    3. Man kann das Renteneintrittsalter erhöhen


    Das ist eine positive Ausage und ein simples Rechenexempel, das so vergleichweise einfach ist, daß es auch jeder nur mittelmäßig begabte Politiker seit mindestens 25 Jahren nachvollziehen kann. Jeder Politiker, der innerhalb dieses Zeitraums etwas anderes behauptet hat, war entweder saudumm oder er hat gelogen.
    Nun kann man zu normativen Aussagen kommen. Das wäre z.B. die Aussage, daß das durchschnittliche Rentenniveau breits heute so vergleichsweise niedrig ist, daß man es nicht mehr sehr viel weiter senken sollte. Und man könnte sagen, daß die Beiträge zur Rentenversicherung schon heute so relativ hoch sind, daß man sie nicht mehr drastisch erhöhen sollte. Wenn man diese Meinungen teilt, dann bleibt als einziges Fazit übrig, daß man das Renteneintrittsalter erhöhen muß. Das soll nicht bedeuten, daß man das gerecht oder gut findet, sondern das heißt nur, daß man gewiße Realitäten anerkennt. Tatsächlich wird in Zukunft aber wohl jede dieser drei unschönen Alternativen Realität werden: Die realen Renten werden sinken, die Beiträge zur Rentenversicherung werden weiter steigen und das Renteneintrittsalter ebenfalls. Das ist die sichere Konsequenz einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft.



    In russischen Fabriken des 19.Jahrhunderts soll es angeblich Arbeitszeiten von 18 Stunden täglich und mehr gegeben haben. Daß das kein Pferd länger als ein paar Wochen ausgehalten hat liegt auf der Hand. In den USA beträgt der durchschnittliche Jahresurlaub 14 Tage, in Japan sogar nur 12. In Japan hört man allerdings zunehmend vom Phänomen des plötzlichen Tods am Arbeitsplatz infolge von Überarbeitung. Unsere (Groß)eltern haben in den Anfangsjahren der Bundesrepublik i.d.R. ihr Arbeitsleben mit einer 48-Stunden-Woche und 14 Tagen Jahresurlaub begonnen. Tatsächlich haben die meisten das einigermaßen gut überstanden. Wieviel Stunden ein Mensch täglich arbeiten kann ohne krank zu werden und wieviel Urlaub er zur Erhaltung seier Arbeitskraft benötigt ist eine medizinische Frage, keine ökonomische.
    Was den mangelnden Umweltschutz in China betrifft, so sehen sich die Chinesen bereits heute mit so verheerenden Umweltschäden konfrontiert, daß Experten davon ausgehen, daß dren Kosten einen Großteil ihres beeindruckenden Wirtschaftswachstums aufzehrt.Das werden sie nicht mehr lange durchhalten können. Umweltschutzauflagen sind in der ökonomischen Theorie seit vielen Jahrzehnten unter den Stichwort der Pigou-Steuer etabliert, und zwar schon lange bevor irgend jemand etwas von den Grünen gehört hätte.


    Zitat

    Original geschrieben von Zeus
      schmidt3


    Am Ende muß man sich halt fragen wo man seine persönlichen Präferenzen setzt und in welcher Gesellschaft man leben möchte.


    Am Ende muß man sich vor allen Dingen auch fragen, was man sich leisten kann. Soziale Wohltaten verursachen wie auch Maßnahmen zum Umweltschutz eben auch Kosten. Diese müssen irgendwie erwirtschaftet werden. Wenn ein ähnlich gut qualifizierter chinesischer oder indischer Informatiker für 600€ im Monat 10 Stunden am Tag mit 2 Wochen Jahresurlaub arbeitet und seine Leistungen am gleichen Weltmarkt anbietet wie ein Deutscher, dann kann der mit 35-Stunden-Woche und 6 Wochen Jahresurlaub u.U. nicht auf Dauer mithalten. Und daran könnten auch böse deutsche Kapitalisten nichts ändern, selbst wenn sie das wollten.

  • Zitat

    [i]
    Am Ende muß man sich vor allen Dingen auch fragen, was man sich leisten kann. Soziale Wohltaten verursachen wie auch Maßnahmen zum Umweltschutz eben auch Kosten. Diese müssen irgendwie erwirtschaftet werden.


    In der Frage des Mindestlohns müsste es sich ja vergleichsweise einfach anhand einer empirischen Analyse der zahlreichen Länder mit Mindestlohn um uns herum überprüfen lassen ob es uns nun einen gravierenden Nachteil bescheren würde ihnen dies nachzutun.


    Und anscheinend sind ja nun etwa in Frankreich oder England trotz der Einführung von Mindestlöhnen noch keine Hungersnöte aufgetreten.

  • Ich denke das letzte Posting von schmidt3 hat einen wesentlichen Aspekt der Globalisierung verdeutlicht, der die ganze Misere verursacht.


    Nämlich das Grossunternehmen sich die Rosinen aus zwei verschiedenen Welten picken (Absatz mit hohe Endpreise in den westlichen Ländern, billige Produktion in den Schwellenländern) während Kleibetriebe und Konsumenten nur einer Welt leben können.


    Die Wirtschaft kann eigentlich nur funktionieren wenn man Lohnivau und Marktpreise in allen Ländern halbwegs gleich sind. Aber wenn man in Ländern produziert wo das Lohnniveau so niedrieg ist das sich die Leute dort die Produkte nie leisten können, dann aber die Produkte in Ländern verkauft wo man nicht produziert blutet das die bisher etablierten Länder aus.

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