Mindestlöhne sinnvoll?

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    Original geschrieben von bernbayer
    Mindestlohn ist Unsinn. Es gibt kein vernünftiges Argument dafür. Und er hilft auch keinen Betroffenen. Arbeitsplätze, wo die Lohnkosten sich nicht rechnen, werden abgebaut, anders funktioniert eine Marktwirtschaft nicht. Es ist besser der Staaat zahlt einen Zuschuß zum Lohn, als der Arbeitsplatz ganz wegfällt und er dann die ganzen Kosten für nicht mehr vorhandene Arbeit zu tragen hat.


    Klar ist es für den Bundeshaushalt (zumindest kurzfristig) besser wenn sie nur 300€ Sozialleistungen draufzahlen müssen, statt komplette sagen wir mal 800€ zu zahlen.


    Aber dem Betroffenen geht mit dem Job wirtschaftlich auch nicht besser als wenn er garkeinen Job hätte, auch seine Kaufkraft ist nicht höher als wenn er garkeinen Job hätte.


    Ich denke beim Leben in Deutschland nicht nur auf betriebliche Kennzahlen achten, sondern auch auf Gute Sitten, und da gehört es dazu die Gehälter nicht nur rein nach Angebot und Nachfrage zu regeln, sondern nach Qualifikation und Einsatz des Arbeitnehmers. Menschenwürdig und damit existenzsichernd muss die Vergütung aber in jedem Fall sein, sonst ist es wirklich ein Hungerlohn. Und auf solche Jobs kann man dann auch verzichten.

  • Bisher gibt es kein politisches System das besser funktioniert, als die soziale Marktwirtschaft. In der Theorie ist eigentlich der Sozialismus das gerechteste System.In der Praxis ist dieses System kläglich gescheitert. Es führt dazu das alle gleich arm werden. Soziallismus ist daneben auch noch totalitär, demokratischer Sozialismus ist ein Widerspruch in sich.

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Es wird hier so getan, als würden in Deutschland nur Hungerlöhne gezahlt. Die meisten Arbeitnehmer haben einen ordentlich bezahlten Arbeitsplatz und das ist auch gut so.


    Das sehe ich nicht so. Sicher gibt es auch diejenigen mit ordentlichem Verdienst, aber der Trend geht seit langem zu den Extremen. Die klassische Mittelschicht der Gesellschaft wird kleiner, wärend die Superreichen und die prekär lebenden Bevölkerungsgruppen zunehmen.


    Dazu kommt dass die Gefahr des Absturzes heute viel größer ist als früher. Wer seinen Job verliert, nach einer Scheidung Unterhalt zahlen muß oder alleinerziehend ist, wer krank wird, wer bei Arbeitsplatzverlust nicht mehr ganz jung ist, läuft große Gefahr rasend schnell auf die unterste Ebene zu fallen. Man fällt nicht ein bisschen zurück, sondern es geht ruckzuck ganz abwärts.
    Vielen Menschen macht das Angst weil niemand kann garantieren dass er nicht krank wird, dass er seinen Job nicht verlieren wird, dass seine Ehe gut geht. Selbst wenn alles gut geht - allein schon Kinder zu haben ist ein Armutsrisiko. Das ist pervers, um so mehr als gerade dieses Land sehr dringend auf Kinder angewiesen ist.


    Es gibt Menschen, die in irgendwelchen Fortbildungs-, Umschulungs- oder anderen Maßnahmen stecken und die somit nicht in den üblichen Arbeitsmarktzahlen erscheinen. Manche beantragen aus Scham keine zusätzlichen Leistungen obwohl sie anspruchsberechtigt wären. Manche Menschen (beispielsweise Mütter, deren Kinder inzwischen zur Schule gehen) würden arbeiten wenn sie einen adäquaten Job finden würden, da sie aber keine Stelle finden muß zwangsläufig das Gehalt des Mannes reichen - auch die sind in keiner Statistik repräsentiert, werden nicht erfaßt, aber es gibt sie. Oder manche Alten, die eigentlich noch ein paar Jährchen berufstätig wären wenn sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten - da sie aber keine Chance haben verschwinden sie in der Rente oder Überhangslösungen, um bis dahin irgendwie zu überbrücken. Oder Lebenspartner, die als Hausfrauen/Hausmänner/"Privatiers" vom Partner mitgeschleppt werden, eigentlich aber gerne selber etwas verdienen würden wenn sie ein Jobangebot wahrnehmen könnten...


    Beachtet man diese Dunkelziffer kommt eine beträchtliche Gruppe an Menschen zusammen, die alleine nicht klarkommen können und eigentlich auch arbeitslos und auf Unterstützung durch Dritte angewiesen sind, aber aufgrund ihrer Lebensumstände nicht als solche erfaßt werden. Die gelten theoretisch als "gut versorgt", aber auch nur deswegen weil sie an irgendjemandes Tropf hängen. Verlieren sie diesen Bezug sind sie ruckzuck in einer ganz dummen Lage weil sie alleine keineswegs mehr zu der von dir genannten gutbürgerlichen Gruppe gehören...


    Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Es gibt aber auch Arbeit dich sich nur bis zu einer bestimmten Höhe des Lohnes rechnet, da kann man nicht einfach diesen Lohn durch den Staat künstlich hochsetzen.


    Aber der Staat kann dann auch nicht durch Steuergelder, nämlich ALG-Zuschuß, derartige Arbeit am Leben halten obwohl diese Jobs sich nicht tragen. Das ist doch genauso ein Eingriff ins Wirtschaftssystem, nur von der anderen Seite her...


    Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    So ein Arbeitsplatz verschwindet oder die Arbeit wird schwarz verrichtet oder der Mindestlohn wird durch Umgehungstatbestände ausgehebelt.


    Ja - aber dann muß der Arbeitsplatz angemessen bezahlt werden. Oder er fällt weg, aber dann war er auch nicht wirtschaftlich und es ist korrekt dass er wegfällt. So funktioniert Marktwirtschaft nun mal.


    Mißbrauch jeder Art ist illegal und deswegen ist das kein faires Argument. Sicher ist diese Gefahr gegeben, da liegt es an der Politik sowas durch konsequente Anwendung der dafür vorgesehenen Gesetze zu vermeiden.


    Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Nur hier sollen doch dann Kombilöhne greifen Niemand will doch z.B. Kombilöhne für Branchen,wo bereits durch Tarifverträge gut bezahlte Löhne existieren, wie zB in der Metallindusrie. Die können auch gute Löhne bezahlen, weil die Produktivität entsprechend ist. Das gilt für viele weitere Branchen.


    Um die geht's ja nicht, wo eh schon ausreichend bezahlt wird stellt sich die Frage nach dem Mindestlohn nicht mehr.


    Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Es sagen doch auch die führenden Wirtschaftsinstitute, daß ein Mindestlohn kontraproduktiv ist. (z.B. Prof. Sinn) Manche wissen es halt besser, als die Experten.


    Sinn ist kein Papst, der den Anspruch auf Unfehlbarkeit haben kann, vor allem ist er sehr ideologisch unterwegs. Mir ist Prof. Hickel aus Bremen wesentlich sympathischer, und was der sagt klingt komplett anders und ist viel näher an der gefühlten Wahrnehmung der Menschen als das, was der Sinn verzapft.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Bisher gibt es kein politisches System das besser funktioniert, als die soziale Marktwirtschaft.


    Das sehe ich genauso. :top:


    Unter sozialer Marktwirtschaft verstehe ich jedoch das was wir in Deutschland in den Neunziger Jahren und zu Anfang der 2000er Jahre hatten. Also eine Marktwirtschaft, in der durch Gesetze und Sozialsystem auch die Entfaltungsmöglichkeit und Würde wirtschaftliche schwächerer Personen gesichert ist.


    Das was wir jedoch heute haben, und noch stärker von verschiedenen Usern gefordert wird geht immer mehr in Richtung einer absoluten Marktwirtschaft mit sozialen Resten, die gerade noch das Überleben des Einzelnen sichern, aber nicht mehr die Entfaltungsmöglichkeit und die Würde.


    Einen Vollzeitjob nachzugehen und dann sowenig dabei zu verdienen das man noch zum Sozialamt gehen muss ist imho einfach menschenunwürdig.

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus


    Sinn ist kein Papst, der den Anspruch auf Unfehlbarkeit haben kann, vor allem ist er sehr ideologisch unterwegs. Mir ist Prof. Hickel aus Bremen wesentlich sympathischer, und was der sagt klingt komplett anders und ist viel näher an der gefühlten Wahrnehmung der Menschen als das, was der Sinn verzapft.


    Hoffentlich ist Sinn ökonomisch gesehen nur Papst, denn wäre er das nicht, wäre er ja nicht nur Stellvertreter sondern Gott.


    Die zwei genannten Prof´s zeigen aber schön ein weiters Problem, nämlich die wahre Bewertung der Produktivität einer Leistung. Eine Gesellschaft ohne Frisöre würde sehr zottelig aussehen. Daher scheint eine Produktivität dieses Berufsstammes nachweislich zu bestehen. Aber ein Wissenschaftler kann auch mit Irrglauben Produktivität vorgaukeln.

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus




    Sinn ist kein Papst, der den Anspruch auf Unfehlbarkeit haben kann, vor allem ist er sehr ideologisch unterwegs. Mir ist Prof. Hickel aus Bremen wesentlich sympathischer, und was der sagt klingt komplett anders und ist viel näher an der gefühlten Wahrnehmung der Menschen als das, was der Sinn verzapft.


    Sinn ist sicher nicht der Papst. Aber das Ifo-Institut ist nicht das einzige, sondern sieht es genauso wie die allermeisten führenden Wirtschaftsintitute. Prof. Hickel vertritt eine Außenseitermeinung. Er ist schon immer dem linken Lager zuzurechnen und vertritt dann auch die entsprechenden Thesen.

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard


  • Was du unter Marktwirtschaft verstehst, ist keine, sondern Sozialismus. Alle müssen gleich arm sein, dann ist es gut. Sozialismus ist eine Neidgesellschaft. In der Marktwirtschaft gelten andere Gesetze.

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Was du unter Marktwirtschaft verstehst, ist keine, sondern Sozialismus. Alle müssen gleich arm sein, dann ist es gut. Sozialismus ist eine Neidgesellschaft. In der Marktwirtschaft gelten andere Gesetze.

    Ich denke man kann nicht behaupten das wir in Deutschland unter Helmut Kohl und in der ersten Legislaturperiode von Gerhard Schröder Sozialismus hatte.


    Nicht alle müssen gleich arm oder gleich reich sein, aber es muss einfach bestimmte Mindestbedingungen geben, wenn es auf freiwilliger Basis nicht klappt. Und das hat sich die letzten Jahre abgezeichnet.

  • Zitat

    Original geschrieben von Martyn
    Das sehe ich genauso. :top:


    Unter sozialer Marktwirtschaft verstehe ich jedoch das was wir in Deutschland in den Neunziger Jahren und zu Anfang der 2000er Jahre hatten. Also eine Marktwirtschaft, in der durch Gesetze und Sozialsystem auch die Entfaltungsmöglichkeit und Würde wirtschaftliche schwächerer Personen gesichert ist.


    ...


    Das Experiment "Sozialismus" in östlichen Gefilden ist gescheitert, ohne Zweifel.
    Aber auch da gab es Egoisten, die dieses zur eigenen Machterhaltung missbrauchten. Nur warum soll der Kapitalismus mit genau den gleichen EgoistischenAnsätzen (siehe prof. Sinn) wesentlich längere Zeiträume überbrücken?


    Und unsere bisherige soziale Marktwirtschaft ist auch schon lange nicht mehr überlebensfähig! Nur gönnen wir uns uns den Luxus durch Auslagerung von Produktionskapazitäten (Globalisierung) diese künstlich am Leben zu halten.
    Ohne den Zukauf von menschenunwürdigen Produktionakapazitäten in das System, wäre auch dieses schon lange zusammengebrochen.

  • bernbayer
    Das mag ja sein.
    Trotzdem ist die Meinungsvielfalt unter den deutschen Ökonomen und Volkswirtschaftlern weit größer, als es die Medienhoheit des IFO-Instituts nahe legt.


    Darüber hinaus:
    Spätestens seit dem Ende der Ära Adam Smith, der auch noch Moralphilosoph war, versteht sich die Ökonomie als Wissenschaft, für die ethische Erwägungen keine Rolle spielen.


    Das bedeutet aber auch, dass man bestenfalls Aussagen darüber machen kann, was effizient ist. Nicht aber darüber, was die Mehrheit für gerecht hält, wie die Leute leben wollen und so weiter.
    Problematisch ist dabei, dass oft theorielastig und wenig empirisch geforscht wurde; die modellhafte Unterstellung eines Menschen ohne moralische Präferenzen vereinfachte zwar die Theoriebildung, bedeutete aber auf der anderen Seite eine Blindheit gegenüber wichtigen Aspekten des Alltags.

    “The ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful than is commonly understood. Indeed the world is ruled by little else. Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist.” (Keynes)

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