Mindestlöhne sinnvoll?

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    Original geschrieben von schmidt3
    Da hier ziemlich heftig und teilweise auch ziemlich emotional diskutiert wird, habe ich mir mal ein kleines Zahlenbeispiel überlegt, anhand dessen ich "kurz" einmal die ökonomische Argumentation der Gegner von Mindestlöhnen darstellen will. Es ist naturgemäß extrem simpel gestrickt, zeigt aber wohl doch den grundsätzlichen Gedankengang....


    Was in deinem Modell vor allem fehlt, ist der Unternehmer G2, der sich die Niedrigstlöhne seiner Arbeiter aus den Steuermitteln von A-D und G aufstocken lässt, selbst keine Steuern zahlt und trotz viel höherem Gewinn G aus dem Markt drängt oder relativ schnell zu Entlassungen zwingt.

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    Original geschrieben von oleR
    schmidt3:


    Die meisten vom Mindestlohn betroffenen Branchen konkurrieren nicht mit dem Weltmarkt. Weder werden deine Briefe aus der Türkei zugestellt, noch radeln jeden Tag zwei Mann aus China an, um deine Firma zu bewachen. Damit fällt dein Beispiel mit dem ersten Absatz bereits zu Boden.


    Nein sie konkurrieren mit Arbeitslosen die Arbeitnehmer mit Hungerlohn und Zuschuß werden sollen - siehe PIN.

  • Das ist dann schon schön zu beobachten, wie ein großer Telekommunikationsanbieter sein Personal ohne Probleme nach spätestens einem halben Jahr immer austauscht - abgespeist mit einem Hungerlohn, gefördert als 3 monatige Schulungsmaßnahme mit anschließender Übernahmegarantie von 3 Monaten. Gewinnoptimierung könnte man so jetzt dazu sagen. Namen verkneife ich mir, ist aber einer der Größten.


    Oder die Firma X hat nur noch 3 feste Angestellte, die Aufträge sind da, das Personal besteht dann aus zusätzlich 20 Leiharbeitern, die 6 Euro bekommen. Das ist aber nicht saisonbedingt, sondern immer so. Jaja, gibts alles. Diese Auswüchse gilt es endlich zu beseitigen.



  • Es ist leider ein Irrtum zu glauben, daß die Arbeitnehmer in Branchen, in denen nicht handelbare Güter wie die von dir genannten Dienstleistungen produziert werden nicht unter internationalem Konkurrenzdruck stünden. Das läuft dann nicht über die Güter sondern über die Faktormärkte. Solange einige Branchen unter internationalen Konkurrenzdruck auf den Gütermärkten stehen tun das über die Arbeits- und Kapitalmärkte alle Branchen. Ein Beispiel: Angenommen durch Billigkonkurrenz aus China würde die deutsche Automobilindustrie schrumpfen und müßte Leute entlassen. Die würden dann versuchen in anderen Bereichen, z.B. eben auch im Dienstleistungssektor Arbeit zu finden und durch das vergrößerte angebot an arbeitskräften würden dann auch dort tendenziell die Löhne sinken. Du siehst also daß Dein einwand nicht stichhaltig ist.


    Was Dein politökonomisches Beispiel mit der Lobbyarbeit von G angeht, so dürfte das gerade im vorliegenden Beispiel eben auch nicht ziehen. Denn S will ja wiedergewählt werden und A,B,C,D sind vier und S nur einer. Seine Drohung würde deshalb nicht ziehen, weil boden kein mobiler Faktor ist. G kann ihn nicht mit ins Ausland nehmen. Deshalb bleibt ihm im vorliegenden Fall garnichts weiter übrig, als weiterhin seine Zielgrößezu maximieren, egal wie hoch sie besteuert wird. Ein Ende ist erst dann ertreicht, wenn sein Gewinn unter die Schwelle von 200€ fällt. Auch für Grund und boden gibt es meist noch irgendeine alternative und nicht-produktive Verwendung. Allerdings gebe ich Dir recht, daß durch die Globalisierung die Situation wenig-mobiler Produktionsfaktoren (wie Land und mit Einschränkungen Arbeitskraft) gegenüber international mobileren (Finanz- aber auch Real- und Humankapital) deutlich verschlechtert wird.

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    Original geschrieben von wswasser
    Oder die Firma X hat nur noch 3 feste Angestellte, die Aufträge sind da, das Personal besteht dann aus zusätzlich 20 Leiharbeitern, die 6 Euro bekommen. Das ist aber nicht saisonbedingt, sondern immer so. Jaja, gibts alles. Diese Auswüchse gilt es endlich zu beseitigen.


    Und, inwiefern, hilft hier ein Mindestlohn? Für die Leiharbeiter?

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    Und, inwiefern, hilft hier ein Mindestlohn? Für die Leiharbeiter?


    Genau für die. Gedacht war das ja mal, um eventuelle Engpässe der Firmen abdecken zu könne. Prima Sache, wenn dem so wäre. Mittlerweile siehts aber so aus, daß sich viele lieber Leute nehmen, die 6 Euro bekommen - respektive der Verleiher dann 15 - als eigenen Leuten mal 10€ zu zahlen. Denn die 10 kosten dem Arbeitgeber im Endefekt 20. Es hat niemand dagegen was einzuwenden, WENN die Leute halbwegs vernünftig bezahlt werden würde.


    schmidt3


    Ich weiß, das sind rote Tücher - Gewerkschaften. Ich habe nur wahllos eine Studie gegriffen, es gibt genug andere, die nicht gewerkschaftslastig sind, sondern z.T. von anerkannten fachleuten stammen.


    Nimm doch nicht immer Beispiele, die nicht betroffen sind. Autobau ist es nicht, die verdienen so viel, daß hier keiner reinfällt.


    Und wenn jetzt jemand auf die Idee kommen würde zu sagen, dann hole ich mir halt 5 Polen. Kann er, wenn er denen das geld zahlt, was als Mindestlohn festgelegt ist.

  • Zitat

    Es ist leider ein Irrtum zu glauben, daß die Arbeitnehmer in Branchen, in denen nicht handelbare Güter wie die von dir genannten Dienstleistungen produziert werden nicht unter internationalem Konkurrenzdruck stünden. Das läuft dann nicht über die Güter sondern über die Faktormärkte. Solange einige Branchen unter internationalen Konkurrenzdruck auf den Gütermärkten stehen tun das über die Arbeits- und Kapitalmärkte alle Branchen. Ein Beispiel: Angenommen durch Billigkonkurrenz aus China würde die deutsche Automobilindustrie schrumpfen und müßte Leute entlassen. Die würden dann versuchen in anderen Bereichen, z.B. eben auch im Dienstleistungssektor Arbeit zu finden und durch das vergrößerte angebot an arbeitskräften würden dann auch dort tendenziell die Löhne sinken. Du siehst also daß Dein einwand nicht stichhaltig ist.


    Halt: Was meinst du?
    Weg von der Abstraktion: Auch Friseure sind vom Weltmarkt betroffen, denn wenn VW durch Konkurrenzdruck aus China Facharbeiter entlassen müsste, würden diese wiederum notgedrungen ihr Heil zum Beispiel als Friseur suchen, wodurch in dieser Branche wie in anderen Dienstleistungsmärkten die Löhne weiter sinken würden. Richtig? Welche Auswirkungen hat ein Mindestlohn deiner Meinung nach auf diesen Prozess?


    Zitat

    Was Dein politökonomisches Beispiel mit der Lobbyarbeit von G angeht, so dürfte das gerade im vorliegenden Beispiel eben auch nicht ziehen. Denn S will ja wiedergewählt werden und A,B,C,D sind vier und S nur einer.


    In Deutschland betreiben auch die wenigsten Wähler ertragreiche Unternehmen, verdienen weit über 100.000 EUR pro Jahr, hinterziehen im großen Stil Steuern oder besitzen über 150.000 EUR netto bei Abzug der Schulden - und trotzdem wurde der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer gesenkt, wurden die Unternehmenssteuern massiv gesenkt, die Vermögenssteuer abgeschafft, Steuerhinterzieher konnten straffrei ihre Schwarzgelder zu günstigen Konditionen waschen usw. Die Argumentation läuft ins Leere. Der G wird schlicht behaupten, er könne am Weltmarkt nur bestehen, wenn die Steuern unten blieben. Allein, weil neues Agrargerät viel Kapital binde.


    Zitat

    Seine Drohung würde deshalb nicht ziehen, weil boden kein mobiler Faktor ist. G kann ihn nicht mit ins Ausland nehmen.


    Und? Produktionsmittel der Industrie lassen sich auch nicht ohne großen Kostenaufwand verlagern. Geschehen ist es trotzdem. Wenn die Bedingungen für Landwirt G im Nachbardorf günstiger sind und /oder er sich bessere Bedingungen erhofft, wird er dort Land erwerben, dort investieren und im Zweifelsfall eben aus seinem Acker einen Golfclub machen.

  • Zitat

    Original geschrieben von schmidt3
    Da hier ziemlich heftig und teilweise auch ziemlich emotional diskutiert wird, habe ich mir mal ein kleines Zahlenbeispiel überlegt, anhand dessen ich "kurz" einmal die ökonomische Argumentation der Gegner von Mindestlöhnen darstellen will. Es ist naturgemäß extrem simpel gestrickt, zeigt aber wohl doch den grundsätzlichen Gedankengang.
    Als Beispiel muß ein Dorf herhalten, das ausschließlich von der Landwirtschaft lebt. In diesem Dorf wohnen der Grundbesitzer G, dem alles Land und alle landwirtschaftlichen Maschinen gehören, sowie die vier Landarbeiter A,B,C und D, die ausschließlich ihre Arbeitskraft zur Verfügung haben. Außerdem gibt es noch den Bürgermeister S, der aber nicht am Produktionsprozeß beteiligt ist.
    Auf G´s Land wird Getreide angebaut, das er für eine festen Preis von 10€/Zentner auf dem (Welt)markt verkaufen kann. Seine einzige Alternative zur Landwirtschaft wäre es, sein Land an einen Golfclub zu verpachten, was ihm 200€ Pacht einbringen würde.
    .....



    nette Beispielrechnung. Aber außer in einer engstirnigen BWL Vorlesung bzw bei den jungen Liberalen wenig zu gebrauchen, da sehr wenig mit Praxisbezug.


    Sollte man D mit dem Rückenschaden nicht gleich aus dem Wirtschaftskreislauf herausnehmen?
    Woher kommen die 200€ des Golfclubs?
    Und sind die Golfspieler bei A bis D ohne Einkommen überhaupt während Ihres Spieles sicher. Und wollen sie da überhaupt Golf spielen? In Südafrika wohl eher nicht, wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat.


    Außerdem ist die Vorgeschichte nicht zu vernachlässigen. Wie ist G zu seinem Besitz gekommen? Spielte da eine Ausnahmezustand wie Krieg eine tragende Rolle, oder eine Wirtschaftswunderzeit?


    Wo ist der allgemeine BWL-Grundsatz von "Angebot und Nachfrage" bei einer festen Annahme von Marktpreisen? Oder wird der Preis von der Gemeinschaft zu der A-D, G und S gehören garantiert?



    Siemensanier

  • Zitat

    Original geschrieben von wswasser
    Dann wirst Du mir sicherlich auch gleich sagen können, wie die Herrschaften auf diesem Markt die Milchpreise mal eben anziehen konnten.


    Das ist doch ganz einfach, als es Butterberge und Milchseen gab, da sanken die Preise für Milcherzeugnisse. Jetzt werden Milcherzeugnisse auf den Weltmärkten knapp, durch stärkere Nachfrage wie z.B. durch Chinesen u.a. und die Preise steigen.
    Das sind die Gesetze des Marktes, so ist das einfach. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, eigentlich eine Binsenweisheit.

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard

  • Zitat

    Das ist doch ganz einfach, als es Butterberge und Milchseen gab, da sanken die Preise für Milcherzeugnisse.


    Die Bauern fanden die sinkenden Preise dann übrigens so gut, dass sie jahrelang viel zu viel produzierten.


    Zitat

    Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, eigentlich eine Binsenweisheit.


    Schon mal was von der EG-/EU-Agrarpolitik gehört? Gerade dieser Bereich hat(te) wenig mit Angebot und Nachfrage direkt zu tun.

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