Hallo,
ich entschuldige mich dafür einen neuen Nickname angelegt zu haben - eigentlich bin ich einer der bekannteren User hier. Aber gerade deswegen möchte ich lieber meine Anonymität wahren.
Ich drehe mich im Augenblick mit einer persönlichen Entscheidung im Kreis und vielleicht könnt ihr mir ja mit etwas Input weiterhelfen. Das wird sicher ein längerer Text, wer ihn lesen mag hat vielleicht einen Rat für mich, wem es zu lang wird - ihr könnt natürlich wegklicken.
Ich bin 35 Jahre alt und habe mich bisher beruflich und finanziell durchgeschlagen.
Ich habe eine Ausbildung in einem sozialen Beruf gemacht, allerdings nie Vollzeit darin gearbeitet sondern immer nur ein wenig gejobbt. Da ich mir nie vorstellen konnte und kann in diesem Beruf zu arbeiten (hab' das damals nur als Übergangslösung gesehen) - keine Stellen, schlecht bezahlt, sehr stressig, oft Stellenabbau, allgemein kein gutes Betriebsklima in der Branche - unternahm ich den Versuch in einem ganz anderen Bereich Fuß zu fassen.
Blöderweise hat der neue Arbeitgeber "passend" zum Ende meiner Probezeit zahlreichen Mitarbeitern gekündigt und so stand auch ich mit diesem Versuch der Neuorientierung wieder auf der Straße. Die mehrmonatige betriebsinterne Schulung in dem Laden war zwar sehr gut, aber sehr speziell und nichts, was man anderswo überall nutzen kann - also anstrengend, aber eigentlich für die Katz.
Seitdem habe ich eine knappe Halbtagsstelle in einem kleinen Betrieb und erledige dort Büroarbeiten und bin das Mädchen für alles. Auch dafür habe ich natürlich erstmal die Abläufe dieses Ladens kennenlernen müssen.
Finanziell ist es verständlicherweise immer knapp gewesen durch die kleinen Stellen und auch jetzt in einem Betrieb, der gerade so schwarze Zahlen schreibt und nicht zuletzt durch kleine Gehälter spart, aber da meine Eltern ein großes Haus haben und ich dort kostenfrei Räume auf einer separaten Etage bewohne kam ich immer halbwegs zurecht.
Mir ist klar dass es so nicht ewig weitergehen kann und ich irgendwann mal einen Vollzeitjob und ein ordentliches Gehalt haben muß, auch wenn es nicht akut brennt. Es ist zwar nett bis mittags schlafen zu können und viel Freizeit zu haben, aber das ist langfristig keine Grundlage weil ich mein Leben auch selber finanzieren können sollte...
Bisher habe ich dahingehend nicht viel unternommen und es so laufen lassen, weil irgendwie läuft's ja. Vielleicht auch mit dem Gedanken dass sich bisher Vieles in meinem Leben irgendwann ergeben hat, manchmal von ganz alleine und manchmal weil Lebensumstände es erforderten.
Nun hat der Steuerberater meines Chefs ihn gefragt wieso er eigentlich einen teuren (obwohl das Gehalt mehr als mickrig ist) Mitarbeiter anstatt eines Azubis hat und das brachte ihn nun auf die Idee mich zu fragen ob ich nicht Bürokaufmann-Azubi werden möchte.
Der Chef sieht das natürlich rein finanziell, der bekommt mich dann für's gleiche Geld (Angebot: einen Tick mehr als jetzt damit ich überhaupt einen Anreiz habe - dürfte sich aber trotzdem eher noch unter dem Tarif für Steuerberater-Azubis bewegen weil kleine Firma, Existenzgründer, bla) in Vollzeit und das rechnet sich für ihn als billige Arbeitskraft. Klar dass er von der Idee seines Steuerberaters Feuer und Flamme ist.
Nun gut, die entscheidende Frage ist: Was bringt es mir?
Ich zerbreche mir jetzt sehr den Kopf ob ich das machen soll, Bürokaufmann-Azubi zu werden - oder nicht.
Dafür spricht dass ich eine Ausbildung bekäme, die mir langfristig womöglich eine bessere Grundlage auf dem Arbeitsmarkt bietet als meine soziale Ausbildung, wo aber klar ist dass ich in diesen Beruf eh nicht zurückkehren möchte. Auch die Schulung im 2. Betrieb nützt anderswo eher wenig. Meine jetzige Tätigkeit - OK, das sind praktische Erfahrungen, ohne wirkliche Ausbildung.
Dagegen spricht: Ich müßte jetzt schon wieder von vorne anfangen und stehe mit 35 wieder da, wo andere mit 18 sind. Ich werde 38 sein wenn ich die Ausbildung beende...
Lernen werde ich in meiner jetzigen Firma de facto nichts, denn da haben sich alle nur praktisch eingearbeitet und der Laden läuft halt so. Von den 3 Vollzeit-Mitarbeitern sind eh 2 Techniker, nur der Chef und ich kümmern sich um den Papierkram. Ich müßte also alles, was ich für den Bürokaufmann wissen muß, aus der Berufsschule entnehmen oder - tja, wo? - lernen.
Meine Sorge ist dass bei einer Ausbildung vorrausgesetzt wird dass man Dinge in seinem Betrieb lernt, und das wird hier definitiv nicht der Fall sein. Ich würde einfach nur länger arbeiten als bisher, mit ein paar Aufgaben mehr. Dazulernen werde ich in der Firma nichts - und muß dann aber Dinge für die Prüfungen können, die man vielleicht nicht aus der Berufsschule entnehmen kann?
Und ein nicht zu verachtender Punkt: ich müßte meinen ganzen Lebenswandel verändern. Zwar muß das eh irgendwann sein, aber es fällt nun mal sehr schwer. Sich jetzt wieder in eine kleine Azubi-Rolle zu begeben, zu wissen dass ich 3 Jahre lang (wobei man von Verkürzungs-Möglichkeiten auf 2 Jahre hört...?) definitiv nur ein kleines Gehalt habe und dafür nicht nur Vollzeit arbeiten, sondern auch lernen und den Streß von Prüfungen aushalten muß - das belastet mich im Augenblick sehr.
Manchmal frage ich mich: wäre es nicht sinnvoller, wenn der Zeitpunkt für Veränderung kommt, als Ungelernter, aber mit praktischen Erfahrungen eine Stelle zu suchen? Bringt es mich wirklich sehr nach vorne nochmal eine komplette Ausbildung durchzuführen?
Mir fehlt ehrlich gesagt etwas die Motivation und der Mut jetzt nochmal ganz unten neu anzufangen. Wie anspruchsvoll ist diese Ausbildung, gerade auch wenn mich im Betrieb niemand unterrichten kann? Fachleute, die mir Wissen eines Bürokaufmanns vermitteln können, gibt es bei uns nicht...
Ich weiß auch überhaupt nicht genau was mich denn während der Ausbildung erwarten würde. Wie läuft das ab in der Berufsschule, mit welchen Menschen ist man da zusammen? Lernt man da fachbezogen Wissen seines Ausbildungsberufes, oder auch allgemeinen Blabla - Mathe, Deutsch, Englisch? Ich habe Abi gemacht und brauche solche Fächer eigentlich nicht.
Mir ist klar dass ich am Ende alleine entscheiden muß. Aber mich streßt das Für und Wider im Augenblick ungemein weil ich nicht weiß was mich erwarten würde, wenn ich die Ausbildung mache, welchen Aufwand ich mir da an den Hals hänge, und was es mir bringt. Ob es mir etwas bringt.
Es ist eben schwer seinen Trott zu verlassen, um so mehr wenn man dadurch erstmal keinen Schritt nach vorne macht, sondern wieder bei 0 anfangen muß.
Was würdet ihr mir raten? Was kommt da auf mich zu, wenn ich es mache? Im ersten Moment sagt natürlich jeder "klar, mach es", aber das sagt sich leicht wenn man nur reden, aber nicht die Mühen durchführen muß. Es ist eben nicht nur eine Entscheidung für jetzt, sondern irgendwie stellt es ja langfristig Weichen und bedeutet entweder eine Chance, kann aber genauso einen großen Mehraufwand für wenig Nutzen bedeuten.
Vielen Dank für's Lesen und vielleicht hat der eine oder andere ja praktische Infos was mich erwartet oder eine Meinung, einen Gedanken, dazu. Ich danke euch...