Es ist noch gar nicht so lange her, da erreichte uns aus den USA die Information, dass wenn es nach den dortigen sogen. Kreationisten (christliche Fundamentalisten) geht, dessen mächtigster Vertreter den Präsidenten stellt, im Biologieunterricht parallel zur Evolutionstheorie auch die Schöpfungslehre unterrichtet werden sollte. Oder am besten gleich nur noch die Schöpfungslehre.
Damals waren wir noch belustigt über die sich wieder einmal als durchgeknallt zeigenden Amis, freilich nicht ohne eine gewisse Besorgnis darüber zu haben, dass die ohnehin nicht gerade subtil vorgehenden christlich-fundamentalistisch vorgehenden Kräfte in den USA ihren Einfluss weiter ausbreiten.
Weitgehend unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit hält das Ganze nun auch in Deutschland Einzug. Zumindest hier in Gießen.
Auslöser des lokalen Eklats war die Sendung "Intelligent Design" des TV-Senders arte. Die Sendung, die als Teil des Themenabend "Christlicher Fundamentalismus" lief, prangerte u.a. an, dass an zwei Gießener Schulen die Schöpfungslehre als Alternative zur Evolutionstheorie im Biologieunterricht vermittelt würde. Eine dieser Schulen ist die private christliche August-Hermann-Francke-Schule. OK, da kann man das notfalls noch verstehen; schließlich steckt die Ausrichtung dieser Einrichtung ja schon im Namen. Das zweite Beispiel musste einem hingegen zu denken geben: Der Biolehrer Wolfgang Meyer der staatlichen Liebigschule ist bekennender Anhänger der Schöpfungstheorie und bringt diese seinen Schülern als Alternative zur Evolutionslehre auch nahe. Und dies nicht nur verbal - in seinem Unterricht kommt ein vom Schulamt nicht anerkanntes Buch "Evolution - Ein kritisches Lehrbuch" zum Einsatz.
Das Schlimme daran: Wie jetzt bekannt wurde, geht das schon seit Jahren und durchaus mit Wissen der Schulleitung so. Diese wiegelte in einer ersten Reaktion auf den Beitrag ab, nahm den Lehrer sogar mehr oder weniger in Schutz.
Zugegeben: Das Ganze ist in diesem speziellen Fall weniger übel, als es auf den ersten Blick aussieht: Es fand ausschl. in der 13. Klasse statt, also mit Schülern, die bereits erwachsen sind und zumindest theoretisch in der Lage sein sollten, sich eine eigene Meinung zu bilden. Dennoch stellt sich die Frage, ob dies ein Einzelfall war, oder ob hierzulande inzwischen an vielen weiteren staatlichen Schulen und möglicherweise auch in unteren Klassen diese Prediger Einzug gehalten haben.
Meyer hat inzwischen erklärt, in Zukunft dieses Thema nicht mehr anzusprechen - immerhin...
Aber das Beste kommt jetzt: Scheinbar warteten in der CDU gewisse, offenbar ebenfalls christlich-fundamentalistische Kräfte nur auf den richtigen Aufhänger. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich die Kultusministerin des Landes Hessen, Karin Wolff, kürzlich derart geäußert hat, dass Evolutionstheorie und Schöpfungslehre fächerübergreifend vermittelt werden solle. Die evangelische Nachrichtenagentur idea scheibt hierzu Folgendes:
Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) hat sich im Zusammenhang mit dem Schulstreit um Evolution und Schöpfungslehre für eine fächerverbindende Auseinandersetzung mit Religion und Biologie ausgesprochen. In fast allen deutschen Schulgesetzen werde eine Erziehung im Geiste der christlich-humanistischen Kultur verlangt, erläutert sie in einem Leserbrief an die Evangelische Nachrichtenagentur idea.
Das bedeute auch, dass „es gut ist, wenn nicht der Biologielehrer verbindungslos die Evolutionslehre vermittelt und der Religionslehrer die Schöpfungsgeschichte(n) liest, als wüsste er nicht, was in Biologie unterrichtet wird“. Viele große Wissenschaftler glaubten an Gott als den Schöpfer. Allerdings geschehe dies in anderer Weise, so Wolff, „als die schon recht extremen Positionen des ‚wissenschaftlich’ daher kommenden Kreationismus“. Eine Auseinandersetzung junger Menschen mit solchen Themen sei in Schule und Familie nötig. Das Ergebnis könne die Schule freilich nicht bestimmen; der Glaube sei Angelegenheit des Schülers. Frau Wolff gehört der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU an.
Für mich kommt das einer Aufweichung der im Grundgesetz festgeschriebenen Trennung von Staat und Religion gleich. Wenn ich Kinder hätte, würde ich nicht wollen, dass sie an der Schule AUCH NUR ANSATZWEISE mit irgendwelchen religiösen Inhalten konfrontiert werden. Eltern, die das wollen, sollen ihre Kinder in den Religionsunterricht schicken. Die Begründung, man könne nicht das Eine komplett ohne das Andere vermitteln, zeigt ja bereits, worum es Fr. Wolff eigentlich geht. Würde sie sich rein wissenschaftlich mit der Problematik auseinandersetzen, gäbe es nur eine richtige Antwort. Die müsste lauten, dass die wissenschaftliche Evolutionstheorie zwar durchaus Fragen offen lasse, die noch beantwortet werden müssten. Aber die Antwort kann natürlich nicht lauten, dass man die Entstehung des Menschen, wenn man sie wissenschaftlich noch nicht vollständig erklären kann, sie dann halt mit Religion beantworten könne. Die Schöpfungslehre IST Religion und KEINE Wissenschaft, daher verbietet sie sich selbst als Denkmodell an einer staatlichen Schule in einem wissenschaftlichen Fach vollständig.
Wehret den Anfängen...
Wer von Euch schulpflichtige Kinder hat, sollte vielleicht mal nachhaken, was diese an ihren Schulen erzählt bekommen. Mir jedenfalls geht da maximal der Hut hoch...