Geiz ist geil? Oder wird wieder mehr auf Service geachtet?

  • Das Problem der deutschen Wirtschaft ist doch nicht, daß man im Ausland billiger produziert, sondern, daß die dortige Konkurrenz genauso gut produziert. Deutsch sein rechtfertigt keine 40% oder mehr Preisaufschlag.


    Und die deutsche Wirtschaft hat angefangen, massenweise Menschen zu entlassen, da gabs das erfundene Problem "Geiz ist Geil" noch garnicht-Geiz war allenfalls bei den Ackermanns geil, in Bezug auf Lohnerhöhungen etc..


    Die deutsche Wirtschaft zu unterstützen, daß ist als ob man seinem Henker dabei hilft, die Guiliotine zu schärfen. In anderen Ländern gibts auch Discount, da hat aber der Hochpreisanbieter noch Achtung vor den Kunden und beschimpft sie in den Medien nicht für ihre Kaufentscheidungen.


    Und man muss ja nun wirklich lange, sehr lange suchen, bis man heute ein deutsches Produkt findet, daß sich dermaßen abhebt, daß man es unbedingt will. Im Übrigen kapieren viele auch nicht, daß in Deutschland Marktpreise gezahlt werden. Der eigentliche Wert eines Produkts ist längst irrelevant. Und wenn in der Tönnies Schlachtfabrik 30000 Schweine und mehr pro Tag geschlachtet werden, dann kann man nicht behaupten, das Fleisch noch so viel kosten muss, als ob 30000 Schlachter jeden Tag ein Schwein schlachten. Das Fleisch wird dadurch weder besser, noch schlechter...

  • Und selbst die Billigprodukte könnten in Deutschland und innerhalb der EU produziert werden ohne groß die Preise nach oben zu verändern.


    Das einzige was schrumpfen würde, wäre die kurzfristigen Gewinne vieler Konzerne und Akteingesellschaften.


    Aber die produzieren ja lieber in Fernost, um ihre Anleger zu beigeistern.


    Und das grade in China, wo eine unvergleichliche Ausbeutung der Menschen und Zerstörung der Natur stattfindet.


    Als Beispiel seien mal die ständig an der Oberfläche kokelnden Kohlevorkommen am Rand der Wüste Gobi genannt (C02 Belastung etc.) oder massiv sinkende Grundwasserpegel in Teilen Chinas.

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    Ericsson T39m
    Legends never Die!
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  • Interessante Diskussion.


    Erstmal muss man Service definieren, was ist Service ?


    Service bedeutet dass ich Unterstützung bei einer „Sache“ bekomme. Ob das nun der Handwerker oder der Verkäufer im Supermarkt ist, ist vernachlässigbar.


    Als Beispiel: Ich will mir einen Fernseher anschaffen. Nun habe ich zwei Möglichkeiten: Ich investiere meine Freizeit und Geld um mit Hilfe von Zeitschriften, Internet und Erfahrungen von Freunden mein für mich passenden Fernseher zu finden der auch entsprechende Qualität aufweist. Kaufen tue ich ihn dann im Internet weils da günstig ist. Das ist die zeitintensivste Version. Oder aber ich gehe in den nächsten Elektromarkt und lasse mir von einem Verkäufer den für mich passenden Fernseher raussuchen indem ich ihm sage was ich mir vorstelle. Das dauert weniger als die erste Variante und kostet mich persönlich auch weniger. Der Unterschied: ich habe andere „Leute“ für mich arbeiten lassen. Das ist Service. Dadurch dass ich selbst weniger tun mußte, muß ich für diese Arbeit bezahlen. Das ist der höhere Preis als gegenüber einer Internetbestellung. Service ist nicht gleich kostenlose Leistung, Service ist wie jede andere Tätigkeit eine Arbeit die bezahlt werden muß !


    Was ich sagen will ist dass Service nichts anderes ist als mir Arbeit abzunehmen und das muß bezahlt werden. Beim oben genannten Beispiel könnte ein Elektrofachmarkt auch ganz ohne Verkäufer auskommen und somit Waren günstiger anbieten. Vorausgesetzt er stellt Informationsquellen in Form von Katalogen in seine Verkäufsräumen zu Verfügung. Ähnlich macht dass die Kaufland Warengesellschaft in Ihren Supermärkten. An den Elektroartikeln sind Kataloge und Infoflyer angebracht womit man die Artikel untereinander vergleichen kann. Ich bekomme die Artikel günstiger, muss mich aber selbst informieren und tätig werden.


    Nun zu der Geiz ist geil Mentalität:


    Leider ist es so dass es immer mehr Familien gibt deren Einkommen im unteren Bereich liegt. Diese Klientel kann es sich einfach nicht leisten einen Fernseher für 900 Euro zu kaufen, weil das Geld einfach nicht da ist. Diese müssen zwangsläufig 300.- auf den Tisch legen und der Fernseher ist in drei Jahren kaputt, was mit dem teuren nicht gewesen wäre. Das ist aber egal, denn diese Käuferschicht hat nicht die Möglichkeit diese Geld anzusparen oder aufzubringen. Auf genau solche Käufer zielen die großen Ketten und Märkte.
    Familien die sich teure Anschaffungen leisten können, machen dies auch. Man trifft in den Großmärkten selten Leute „die mit Geld umsichschmeißen“. Beobachtet dass mal beim nächsten Einkauf.


    Wie bekommt man den Karren aus dem Dreck ? Das schafft weder der Erzeuger noch der Verbraucher alleine. Nur zusammen ist es möglich. Leider jedoch unterliegt die freie Marktwirtschaft der Dynamik des Marktes, es ist nahezu unmöglich das zu Steuern.


    Billig-Arbeiter aus dem Osten:


    Auch hier hat man nahezu keine Möglichkeit dies zu steuern. Solange ein Dachdecker aus dem Osten von Europa sich für die gleiche Arbeit eines deutschen Dachdeckers mit weniger Gehalt zu frieden gibt, wird es auch hier weiter Arbeitsplatzabbau und Lohnrückgang geben. Das liegt schlicht und ergreifend an der Mentalität. Man ist halt in solchen Ländern auch mit weniger zufrieden. Ich frage mich immer wieder wie manche Polen es schaffen über die Runden zu kommen. Man muß mal sehen dass die 48 Stunden nach Stuttgart fahren und dort für 900 Euro einen ledierten BMW abholen, diesen in Polen wieder richten und dann für gutes Geld verkaufen. Wie soll diese Rechnung aufgehen, wenn nicht so dass man sich eben mit weniger zufrieden gibt.


    Just my 2 Cent

  • Ich habe letztes WE nicht schlecht gestaunt als ich auf der A31 bei Shell tanken war. Ich stieg aus dem Auto aus und schon kam ein netter Mann in einem gelben Overall auf mich zu und fragte mich ob er denn mein Auto tanken dürfe, meine Scheiben reinigen und nach Öl und Wasser gucken soll. Er gab mir eine Karte auf der etwas mit einem Euro stand und sagte mir, dass ich diese an der kasse abgeben soll und wenn mir der Service den einen Euro wert sei, diesen auch bezahlen kann und wenn nicht ist es auch nicht schlimm. Ich habe selbstverständlich den einen Euro gern gezahlt und bin super begeistert von dieser alten Sache die Shell da wieder aufleben lassen will. Den Tankwart gabs ja damals schon :-) Also es klappt durchaus noch mit guten Service in Deutschland.

    Ja die Welt ist rund!

  • Das Spielchen machen wir manchmal auch in unserem Laden. Die Leute meinen daß wir an einem 900 EUR-Notebook 400 EUR verdienen und nach Abzug unserer Unkosten immer noch 380 EUR Gewinn in der Tasche haben.


    Also lassen wir diejenigen, denen das alles zu teuer ist und "Im Internet gibt es aber einen der verkauft es für..." schätzen was sie glauben daß wir an dem Ding verdienen. Und dann zeigen wir ihnen die Kalkulation. Es war noch keiner dabei der nicht mit den Ohren geschlackert hätte...


    "Service" ist aber nicht nur andere für sich arbeiten lassen, weil oft sind die Verkäufer in den Großmärkten auch nicht fit bei dem was sie machen, sondern "Service" ist auch daß im Garantiefall kulant - oder zumindest fair, denn selbst das ist oft nicht mehr selbstverständlich - mit mir umgegangen wird.


    Beispielsweise Gericom - natürlich sind die sehr preisgünstig, aber wehe es gibt einen Defekt. Schmeißt einfach nur mal Google mit de Stichworten "Gericom" und "Erfahrungen" an - da gehen euch die Augen über.


    Es ist nun mal einfach so daß eine faire und kompetente Beratung Zeit kostet, allein die Möglichkeit von Garantiereparaturen und auch hier wieder die Zeit, die ein Mitarbeiter sich damit auseinander setzen muß, kostet.


    Zu den polnischen Bauarbeitern: klar können die billiger sein - die müssen hier ja auch nicht leben, sondern hausen im Sommer für 2,50 die NAcht auf dem Campingplatz und sind danach mit harten Euros wieder verschwunden. Ein deutscher Handwerker muß sein Geld ordentlich versteuern, und muß seine hiesigen Lebenshaltungskosten bezahlen - und eine Miete kostet nun mal wesentlich mehr als 2,50 EUR pro Nacht. Er muß sich hier krankenversichern, Beiträge zu irgendwelchen BErufsgenossenschaften zahlen, ein Gewerbe angemeldet haben etc. Und er muß für seine Arbeit gerade stehen, und ist nicht, nach seiner Abreise, wie der Pole nicht mehr greifbar wenn Pfusch entdeckt wird.


    Ich sehe das Problem mehr darin daß


    a) viele Menschen nicht mehr das Geld haben sich qualitativ hochwertig zu versorgen, weil einfach kein Geld für hochwertige und nachhaltige Käufe vorhanden ist (die im ersten Moment in der Anschaffung teurer sind) und


    b) daß die "Geschäftslandschaft" zunehmend nur auf Billiganbieter zugeschnitten ist und es nur noch die Wahl zwischen "Ramsch" und "Luxus" gibt. Ein Mittelfeld, bei dem man nicht den billigsten Schrott kaufen muß, aber auch nicht völlige Luxusartikel, bricht zunehmend weg.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Gammelfleisch aus NRW aufgetaucht:
    lecker


    Da wünsche ich dann doch gleich mal den Feinschmeckern einen guten Appetit, die sich darüber freuen, dass es einen beliebten Auf-Die-Hand-Ethno-Snack in einigen Teilen Deutschlands schon für 75 cent gibt. Dann noch lecker Spezialsauce dazu...Ein Gedicht.


    Bin mal gespannt, wo in NRW der erzeugende Betrieb war. Ich vermute wieder mal Gelsenkirchen, Duisburg oder Bottrop.

  • Nur mal so zum Thema Importe aus China usw.


    Ich seh das alles halb so wild.
    Wir haben weit größere Exporte als Importe, insgesamt im Jahr 2006 155,3 Milliarden Euro Überschuß im Warenverkehr (Quelle Destatis.de). Insgesamt profitieren wir vom freien Warenverkehr, trotz Kleidung aus China oder DVD Player aus Japan usw.


    Da seh ich überhaupt keinen Grund dazu, deutsche Produkte zu bevorzugen, wenn sie bei gleicher Qualität teurer sind. Wir können nicht dem Rest der Welt unsere Waren verkaufen und gleichzeitig deren Waren boykottieren, es ist immer ein geben und nehmen.

  • Ohne es jetzt großartig belegen zu wollen, bin ich der Ansicht, dass die Servicequalität seit Anfang der 90iger Jahre in Deutschland schrittweise eingespart wurde. Die Qualität der Produkte hat sich meiner Meinung nach erst einige Jahre später drastisch verschlechtert. Seit der Euroeinführung wurde das Qualitätsniveau auf allen Ebenen katastrophal. Inzwischen würde ich ich behaupten, dass die Geiz ist geil-Mentallität die Gesellschaft so durchdrungen hat, dass es sich mehr als lohnt, Dinge einfach wieder selbst zu machen. Das fängt mit dem Brot an und hört mit der Pizza nicht auf. Das gilt nicht nur für den Lebensmittelbereich sondern auch für die Bildung und das Handwerk. Wer Qualität möchte wird evtl. noch im Gebrauchtwarenladen fündig, aber nicht in den Flagshipstores, den Konsumtempeln der Großstädte, den Universitäten oder den Schulen. Wer bitte braucht einen qualitativ hochwertigen Fernseher??? - wenn darüber nur Müll ausgestrahlt wird. Wer braucht einen Lehrer, der nichts lehren kann?


    Problematisch ist, dass es sich dabei um einen sich selbst verstärkenden Prozess handelt. Wer kein Geld hat, kann auch kein Geld ausgeben. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an unseren Einheitskanzler Kohl, der die Maxime vorgab, den Gürtel enger zu schnallen. Gleichzeitig hat er auch noch die sogenannte Freizeitgesellschaft angeprangert und damit nicht nur weitere Arbeitsplätze vernichtet sondern auch ein Stück Kultur Deutschlands. Nun liegt die Schuld nicht alleine bei Kohl, sondern vielmehr an der Gesellschaft selbst, die sich an dieser Maxime orientiert hat.


    Made in Germany gibt es nicht mehr in seiner einstigen Bedeutung. Ich hoffe, dass dies die heranwachsende Generation irgenwann erkennt. Aberwitzig finde ich es, die Jugendlichen als Pisageneration abzustempeln, wenn man bedenkt, dass sie in gewissem Sinne ein Produkt der Gesellschaft sind, die die heutige politische Verantwortung trägt. Mit Hinblick auf den Generationenvertrag würde es mir als Jugendlicher speiübel werden, wenn ich heute auch nur eine Rente für diejenigen finanzieren müsste, die angeben Verantwortungsträger zu sein und deshalb mehr Gehalt einfordern bzw. erhalten.

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