Streik im öffentlichen Dienst in Baden Württemberg ! Ich verstehe es nicht !

  • Hi Leute,


    aktuell streikt bei uns in Baden Württemberg der öffentliche Dienst um gegen die Rückkehr zur 40 Stunden-Woche zu protestieren. Diese Streiks sollen landesweit ausgedehnt werden. Bei derzeit 38,5 Stunden Woche wären des ca. 20 Minuten länger am Tag. So wird es jedenfalls dargestellt.


    Ich frage: Spinnen die von Verdi ? Wegen ca. 20 Minuten am Tag länger zu arbeiten daß öffentliche Leben nahezu stillzulegen ?


    Verdi argumentiert daß bei 4 Prozent wöchentlich längerer Arbeitszeit die öffentlichen Arbeitgeber 4 Prozent der Belegschaft entlassen würden ! Wie soll so was gehen ? Wenn ich überlege daß mein Kollege entlassen wird, weil ich 20 Minuten länger pro Tag arbeite, frage ich mich wer denn dem seine Arbeit machen soll ? Ich müßte dann schon 2 Stunden pro Tag länger arbeiten um seine Arbeit auch machen zu können. Mir will es einfach nicht in den Kopf rein. Kann mir das jemand erklären ?


    PS: Der Vorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) in Baden-Württemberg, Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD), warf verdi indirekt Vertragsbruch vor und forderte die Dienstleistungsgewerkschaft erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Widder verwies im Deutschlandradio Kultur auf den Tarifvertrag, den die Gewerkschaft erst vor wenigen Monaten unterschrieben habe. Darin habe sie auf Landesebene eine Öffnungsklausel akzeptiert. Die Arbeitszeit könne auf dieser Basis auf bis zu 40 Wochenstunden ausgedehnt werden.

  • hi,


    Zitat

    Verdi argumentiert daß bei 4 Prozent wöchentlich längerer Arbeitszeit die öffentlichen Arbeitgeber 4 Prozent der Belegschaft entlassen würden ! Wie soll so was gehen ?


    es liegt doch auf der hand, dass wenn jeder mitarbeiter mehr arbeiten muss, auch mehr arbeitsleistung zur verfügung steht. pro mitarbeiter, pro woche, ca. 1,5 std. mehr arbeit. das bedeutet, dass 30 mitarbeiter dann zukünftig einen kollegen einsparen werden. so die argumentation von ver.di.


    ob das nun gerechtfertigt ist oder nicht, lasse ich mal offen... :p


    mfg,
    sope

  • Meiner Meinung nach geht es hier keinesfalls um 20 Minuten mehr Arbeit am Tag. Es geht hier imho um Machtkampf bzw. Machterhalt. Verdi verweigert sich der 40 Stunden Woche um mal wieder in Erscheinung zu treten. Mit Vernunft oder einem Kampf für die Arbeitnehmer hat das aus meiner Sicht ganz und gar nichts zu tun.


    Bedenkt man weiter, dass im den Bundesländern westlich Polens schon die 40 Stunden Woche besteht wird aus dem leichten Kopfschütteln ein heftiges Schwenken.


    Man kann es so sehen, wie es Verdi ausdrückt: "Mehr Arbeitszeit = weniger Stellen" man kann es auch anders sehen mehr Arbeitszeit = mehr und qualitativ hochwertigere Dienstleistungen für den Bürger". Ich persönlich nehme Alternative b.


    Eine solche Sichtweise ist aber für den Gewerkschafter an und für sich schon völlig unverständlich. Hier ist alles, was die Komfortzone penetriert oder auch nur hauchzart berührt ein Frevel.


    Liebe Verdi - ich mag dich nicht!

    Och danke! Und selbst so?

  • Zitat

    Verdi argumentiert daß bei 4 Prozent wöchentlich längerer Arbeitszeit die öffentlichen Arbeitgeber 4 Prozent der Belegschaft entlassen würden ! Wie soll so was gehen ? Wenn ich überlege daß mein Kollege entlassen wird, weil ich 20 Minuten länger pro Tag arbeite, frage ich mich wer denn dem seine Arbeit machen soll ? Ich müßte dann schon 2 Stunden pro Tag länger arbeiten um seine Arbeit auch machen zu können. Mir will es einfach nicht in den Kopf rein. Kann mir das jemand erklären ?


    So schaut es in großen Verwaltungen inzwischen aus:
    - Stellen werden nicht neu besetzt
    - z.T. Einstellungsstopp
    - Mehr Aufgaben fallen auf einen Mitarbeiter
    - 38,5 Stunden Woche existiert de facto nur auf dem Papier, der Rest sind überstunden.
    - Jede Verwaltung sucht zur Zeit Möglichkeiten das Personal loszuwerden (Stichwort Eigenbetriebe).
    - Niedrige Gehälter, Aufstieg nur nach vielen vielen Jahren.


    Die Zeiten sind einfach vorbei. Die Jobgarantie ist auch so nicht mehr gegeben, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Auch wenn es nur "20" min sind, rechne das doch mal auf 100 Mitarbeiter hoch. Dann sind es nämlich schon 2000 min oder aber ca. 33 h. Das macht einen kompletten Mitarbeiter aus. Und das nur bei einer kleinen Verwaltung mit 100 Angestellten. Desweiteren schmunzel ich immer darüber wie viele Leute meinen, es geht einem im öffentlichen Dienst gut (mal abgesehen von Einzelfällen).
    Die Realität sieht anders aus. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung berichten, dass z.T. ganze Ämter aufgegeben werden, Leute umgeschichtet werden bzw. in Eigenbetriebe übergeleitet werden (auch Beamte) damit sie dann nach einiger Zeit ihre Verträge aushandeln könnten (ohne dem schönen TVÖD). Könnt ihr euch vorstellen, was da zur Zeit für eine Stimmung herrscht?


    edit: Man bin ich langsam heute.

    Zitat


    Man kann es so sehen, wie es Verdi ausdrückt: "Mehr Arbeitszeit = weniger Stellen" man kann es auch anders sehen mehr Arbeitszeit = mehr und qualitativ hochwertigere Dienstleistungen für den Bürger ".


    Es gibt im Öffentlichen Dienst nicht nur abstempeln und eintüten. Da muss eben auch mal die Gesetzeslage in jedem Einzelfall geprüft werden, sei es der Bauantrag oder sonst irgendetwas. Weniger Leute heißt im Umkehrschluss auch längere Wartezeiten als bisher schon.

  • Ich erklärs dir anhand eines beispieles:


    100 Müllmänner verrichten pro Tag 100 "Arbeitseinheiten" (Bspw. 1 Arbeitseinheit = 1 Abfalleimer leeren)


    Wenn diese Müllmänner nun 4% länger arbeiten, verrichten sie auch 4% mehr Arbeit. Folglich werden neu mit der gleichen Belegschaft 104 Abfalleimer pro Tag geleert.
    Das Problem ist nur, dass es nur 100 Abfalleimer zu leeren gibt.
    Der Arbeitgeber wird natürlich nicht mehr Leute beschäftigen als nötig. Die Rechnung des Arbeitnehmers sieht wie folgt aus:


    zu leeren: 100 Eimer
    1 Mann leert pro Tag 1.04 Eimer
    100 geteilt durch 1.04 = 96.15


    Folglich werden nur noch 96.15 Leute benötigt. Der Arbeitnehmer kann also durch die zusätzlichen 4% Arbeit pro Tag 3 Leute entlassen. Die Rechnung dass 4% der Arbeitnehmer entlassen werden ist nur in etwa korrekt. exakt ausgedrückt sind es 3.85%.


    war das verständlich? ;-)

  • Man darf auch nicht vergessen, dass die Verlängerung der Wochenarbeitszeit nur der Auslöser, aber nicht die alleinige Ursache für den Streik ist. In den letzten Jahren wurden den Landesangestellten nach und nach alle möglichen Leistungen gekürzt. Fast jedes viertel Jahr kam ein Brief, in dem mal wieder eine Kürzung angekündigt wurde und irgendwann ist einfach Schluß. Wenn es Verdi nicht gäbe, hätte der öffentliche Dienst gar keine Handhabe mehr und die Arbeitnehmer müssten alles einfach so hinnehmen. Das wäre mir ein zu einseitiges Arbeitsverhältnis.

    Tankred

  • Man sollte aber auch mal die Belastung duch Personalkosten und Rentenansprüche der Beamten für den Steuerzahler berücksichtigen.
    Und das Arbeitstempo in den Verwaltungen ist immer in vielen Bereichen deutlich niedriger als in der freien Wirtschaft.
    Der Ganze Aufstand seitens Verdi dient eher mal wieder dazu seine Mitgliederzahlen zu halten.


    Wenn ich in der bestreikten Region wohnen würde, wüßte ich wo ich meine vollen Mülltonnen entleeren würde. :D

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    Ericsson T39m
    Legends never Die!
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  • Zitat

    Original geschrieben von AdministratorDr


    - 38,5 Stunden Woche existiert de facto nur auf dem Papier, der Rest sind überstunden.


    wenn man denn schon Überstunden machen muss um die Arbeit zu verrichten, was spricht dann gegen die 40h Woche?
    Dann werden auch keine Arbeitsplätze vernichtet. Sondern dann ist das nur noch eine kleine Formalität...


    PS: ach wenn ich das immer vergleiche mit meinen medizinerKollegen... die Streiken gegen die 60h Woche und die 32h-Schichten. :confused:

  • Zitat

    Original geschrieben von lalelu
    Dann werden auch keine Arbeitsplätze vernichtet. Sondern dann ist das nur noch eine kleine Formalität...


    Blöd nur, dass Menschen aufgrund von Formalitäten eingestellt werden, gell!? ;)

    Tankred

  • Warum soll es den ÖD nicht genauso treffen, wie die Unternehmen in der freien Wirtschaft auch (Großkonzerne mal ausgenommen)? Bei ständig sinkenden Steuer-/Abgabeneinnahmen kann man sich auf Dauer das alles eben nicht mehr leisten.


    Das Problem ist wohl eher die uneffektive Verteilung der Arbeitnehmer. Viele Stellen / Abteilungen / Ämter sind "übersättigt" mit Mitarbeitern, an anderen Stellen wird die Arbeit aus Personalmangel kaum geschafft.


    Wenn ich meinen kurzen Ausflug in den ÖD heranziehe, gab es dort eine EDV-Abteilung für etwa 4.500 PCs/Server und insg. ca. 6.000 Anwender. Die EDV-Abteilung bestand aus 23 Leuten. Ein Abteilungsleiter, ein stellv. Abteilungsleiter und "Teamleiter", ein SAP-Beauftragter, 15 Organisatoren und 5 Frontschweine, die die Arbeit gemacht haben.


    Effektiv organisiert, würde diese EDV-Abteilung locker mit 15 Leuten inkl. Abteilungsleiter hinkommen. So wird das Geld und Personal auch an vielen anderen Stellen "verschwendet", obwohl es woanders effektiver eingesetz werden könnte. Aber das ist abhängig davon, wie gut sich der Dezernatsleiter mit dem Amtsleiter und dieser mit dem OB/Minister versteht... :rolleyes:


    Ich finde Streiks allgemein übertrieben. Für mich wäre das Arbeitsverweigerung und Entlassungsgrund. Wenn sich die Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht immer gegenseitig derart aufgeilen und anstacheln würde, könnte man die Verhandlungen auch auf normalem Wege durchführen.



    Stefan

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