Altkleidersammlung Pro/Contra

  • Meine Eltern waren gerade in Pakistan, unter anderem auch in dem vom Erdbeben betroffenem Gebiet. Sie haben erzählt, das es sehr "blödsinnig" ist, dort Kleiderspenden aus Deutschland hinzutransportieren und zwar aus folgenden Gründen:


    1. Der Transport von 1 kg Ware kostet ca. 3€
    2. Die Leute dort sind auf ganz andere Kleidung angewiesen (wetter und kulturbedingt)
    3. Die dortige Textilindustrie wird nicht gefördert.


    Es ist viel Sinnvoller eine Geldspende an Caritative Organisationen zu tätigen, diese können dann bei den Textilhändlern vor Ort sehr günstig passende Kleidung kaufen und dort verteilen. So wird die dortige Wirtschaft gestärkt und es wird viel besser geholfen.

  • Da fällt mir eine kleine Geschichte zu ein:


    Letzten Herbst wollte ein Bekannter von mir seine alte Winterjacke spenden. Aber er wollte dies lieber persönlich tun.
    Daher gingen wir zum Bhf. Zoo, und Roland guckte sich die 'Penner', die sich vorm Eingang aufhielten, genau an.
    Zu einem, der ungefähr seine Statur hatte und nur ein dünnes Hemd trug, ging er dann hin und fragte ihn, ob er seine Jacke wollte.
    Der Angesprochene war erst argwöhnisch, weil er glaubte, Roland wolle ihm die Jacke verkaufen. - Aber als er verstand, dass die Jacke ein Geschenk ohne Gegenleistung sein sollte, hat er sich dann richtig gefreut. (Die 'Kunst' dabei ist, nicht einen auf barmherzigen 'Almosen-Verteiler' zu machen, sondern einfach offen zu sagen: "Die Jacke hat mir in mehreren Wintern gute Dienste erwiesen. - Sie ist schön warm. Aber ich habe nun eine neue und brauche sie nicht mehr.")


    Seine Sachen so zu spenden, ist natürlich Geschmackssache und ein wenig unkonventionell und auch keine Garantie dafür, dass man die Sachen auch immer dem 'Richtigen', also dem, der sie am dringendsten braucht, gibt, aber es ist eine Möglichkeit...




    Eine andere Möglichkeit: Ich habe mal in einer Hilfeeinrichtung für Drogensüchtige gearbeitet, wo wir einen großen Kleiderkorb samt Spiegel im Aufenthaltsbereich stehen hatten, der ständig von Mitarbeitern (und deren Freunden, Familien und Bekannten) gefüllt wurde.
    - Da konnte man dann interessante Szenen beobachten: Einige, vor allem die älteren Junkies, haben (natürlich besonders im Winter) gerne ein paar (warme) Klamotten herausgefischt.
    Bei den Jüngeren wurde vorher genau geguckt, ob die Sachen auch noch modisch up to date sind... :D
    Aber so konnte man auch immer recht gezielt im Bekanntenkreis fragen: Gibt es noch Mäntel, Schals, Handschuhe, warme Schuhe, die irgendwo übrig sind. - Und teilweise durfte man dann bei kleinen Modeschauen assistieren. ("Nee, der Pulli ist Dir doch mindest. 3 Nummern zu klein!" :D)
    Leider war es auch immer wieder so, dass die, die es wirklich am bittersten nötig gehabt hätten (Sandalen im Winter :(), zu "stolz" waren, 'Almosen' anzunehmen. - Da bedurfte es schon einiger persönlicher Überredungskunst, dass diese Leute die gerne gespendeten Sachen auch (gerne) annahmen.
    Aber so kommen bestimmt auch einige Sachen in die 'richtigen' Hände.

  • Elke2002:


    Das ist zwar jetzt ein bißchen OT, aber Du kennst Dich in diesem Umfeld ja aus und es interessiert mich wirklich mal ernsthaft.


    Vielleicht bin ich da wirklich zu blauäugig, aber irgendwie war ich immer der Meinung, dass wir in diesem Land - zumindest noch - ein soziales Netz haben, welches eigentlich dafür sorgen sollte, dass eben wirklich KEINER mit Sandalen durch den Winter laufen muss. Wenn einer wirklich gar nichts hat, kann er finanzielle Beihilfen für Wohnung, Kleidung und Nahrungsmittel bekommen.


    Täusche ich mich da? Ist das in Wirklichkeit nicht (mehr) so? Oder ist das Hauptproblem eher, dass die Betroffenen diese Möglichkeiten nicht kennen? Oder vielleicht auch zu stolz sind, sie anzunehmen (was zwar auf den ersten Blick dumm erscheint, aber, wenn man so drüber nachdenkt, auch wieder nachvollziehbar ist)?

    Ist das eine von den Kirchen, wo man so kleine Cracker kriegt? Ich habe Hunger!

  • Zitat

    Oder ist das Hauptproblem eher, dass die Betroffenen diese Möglichkeiten nicht kennen?


    Ich hab das Gefühl, dass die Leute das nicht wollen. Wie du schon sagst, in D muss keiner hungern. Daher verstehe ich Bettler auch nicht, wenn sie doch im Sozialsystem aufgefangen werden.

  • Zitat

    Original geschrieben von AdministratorDr
    Ich hab das Gefühl, dass die Leute das nicht wollen. Wie du schon sagst, in D muss keiner hungern. Daher verstehe ich Bettler auch nicht, wenn sie doch im Sozialsystem aufgefangen werden.


    Ich versuche es mal einfach zusammenzufassen:


    In unserem sozialen System wird keiner! durch den Staat alleine gelassen. Sofern du körperlich und geistig in der Lage bist wirst Du im extremsten Fall vom Staat 10.- Euro am Tag erhalten die du dir bei der Arbeitsagentur persönlich abholen kannst. Übernachten kannst Du in Sozialwohnungen und –heime die ebenfalls Durch den Staat zu Verfügung gestellt werden. Nur kannst Du dort nicht dauerhaft wohnen. Dies betrifft genau die Klientel die auf der Straße obdachlos ist. Leider sind diese zu Stolz derartige Hilfe anzunehmen. Geben tut es sie. In unserem Staat bleibt keiner alleine der bedürftig ist. Auch wenns manchmal so aussehen sollte. Jeder hat Anspruch auf Grundsicherung, das schon durch das Grundgesetz Artikel 1 geschützt ist.


    Sofern Du eine körperliche oder geistige Behinderung hast, was dich nicht mehr zum arbeiten zwingt, kann es Dir etwas besser gehen als im ersten Fall. Du kommst in ein Pflegeheim, bist rund um die Uhr betreut, oder es wird ein Vormund benannt. In solchen Fällen kann es sein daß der Staat dir eine kleine Sozialwohnung stellt oder du wohnst bei deinem Vormund.


    Diese Informationen habe ich aus erster Hand. Ein sehr guter Freund ist Vermittler und Sachbearbeiter in der Agentur für Arbeit in Heilbronn. So wie ich dies beschrieben habe so habe ich seine Erläuterungen (wir hatten das Thema mal vor kurzem) verstanden.

  • Zitat

    Original geschrieben von BigBlue007
    ...
    Vielleicht bin ich da wirklich zu blauäugig, aber irgendwie war ich immer der Meinung, dass wir in diesem Land - zumindest noch - ein soziales Netz haben, welches eigentlich dafür sorgen sollte, dass eben wirklich KEINER mit Sandalen durch den Winter laufen muss. Wenn einer wirklich gar nichts hat, kann er finanzielle Beihilfen für Wohnung, Kleidung und Nahrungsmittel bekommen.


    Täusche ich mich da? Ist das in Wirklichkeit nicht (mehr) so? Oder ist das Hauptproblem eher, dass die Betroffenen diese Möglichkeiten nicht kennen? Oder vielleicht auch zu stolz sind, sie anzunehmen (was zwar auf den ersten Blick dumm erscheint, aber, wenn man so drüber nachdenkt, auch wieder nachvollziehbar ist)?

    Nein, Du täuscht Dich natürlich nicht; rein theoretisch (!) müsste niemand in Deutschland im Winter in Sandalen rumlaufen.
    De facto ist es aber leider immer wieder der Fall... - Was ganz verschiedene Gründe hat. - Ein paar hast Du ja schon genannt. - Menschen sind halt verschieden und reagieren nicht immer 'vernünftig' oder so, wie man es von ihnen erwartet.


    In einem älteren Thread ging es zwar um Obdachlose, aber ich verlinke ihn mal, da viele (der durchaus auch subjektiven) Hürden, die Leute abhalten, Hilfe anzunehmen, auf die sie eigentlich ein Recht hätten, die ich dort genannt habe, auch für andere Zuwendungen, wie Kleiderspenden, gelten. (Bürokratie, persönliche Lebensgewohnheiten, Stolz, Schicksalsschläge - um nur mal ein paar Stichworte zu nennen.)


    Es ist natürlich auch richtig, dass jeder, der im Winter mit Sandalen rumläuft (um mal bei dem Beispiel zu bleiben), daran in gewisser Weise 'selber Schuld' ist. - Aber da bekanntlich niemand perfekt ist, sollte man dieses Argument nicht überbewerten.
    Es werden immer Leute aus dem sozialen Netz rausfallen. Und denen 'aus Prinzip' dann nicht zu helfen, halte ich für inhuman. (Wenn ich einen Autofahrer im Straßengraben finde, frage ich auch nicht erst, ob er vielleicht gesoffen hatte.)



    AdministratorDr:
    Ich sehe das so: Man erkennt bei den meiste Bettlern, ob sie es eher aus Bequemlichkeit machen (letztens saßen zwei junge Punks direkt bei Lidl im Eingang unter dem Schild, das Ausbildungsstellen auch für Ungelernte anbot. - Die haben sich aber einiges an Berliner Schnauze anhören dürfen! :D) ODER
    ob die Bettler aus einer starken (wenn vielleicht auch subjektiven) Not heraus betteln. - Denn es kann sich ja wohl jeder vorstellen, wie erniedrigend und entwürdigend es für die allermeisten Menschen ist, zu betteln und dadurch ständig wie 'der letzte Dreck' behandelt zu werden. (Da verflüchtigt sich der letzte Rest Selbsbewusstsein und Selbstachtung im Nullkommanix, und sie fühlen sich auch wie der 'letzte Dreck'.) - Und schon sind sie im Teufelskreis der Armut gefangen. - Da schwindet dann auch die Motivation, da wieder raus zu kommen sehr schnell.
    Du darfst das nicht aus der Sicht eines stabil lebenden, fest sozial integrierten Menschen sehen.

  • Zitat

    Du darfst das nicht aus der Sicht eines stabil lebenden, fest sozial integrierten Menschen sehen.


    Geb ich dir recht, fällt aber schon schwer wenn man Bettler sieht die


    a) die ganze Zeit ne traurige Miene machen, betteln und danach von einem Mercedes abgeholt werden
    b) die Leute einen direkt und meist sehr plump ansprechen ob man einen € für sie hat, dabei aber anscheinend kerngesund sind und arbeiten könnten und dabei genug Selbstbewußtsein ausstrahlen, sonst hätten sie mich ja nicht gefragt.
    c) man ihnen ein Schnitzel mit Brötchen kaufen würde, sie aber lieber Geld für was zu saufen haben wollen...


    ....

  • Zitat

    Original geschrieben von AdministratorDr
    Geb ich dir recht, fällt aber schon schwer wenn man Bettler sieht die


    a) die ganze Zeit ne traurige Miene machen, betteln und danach von einem Mercedes abgeholt werden
    b) die Leute einen direkt und meist sehr plump ansprechen ob man einen € für sie hat, dabei aber anscheinend kerngesund sind und arbeiten könnten und dabei genug Selbstbewußtsein ausstrahlen, sonst hätten sie mich ja nicht gefragt.
    c) man ihnen ein Schnitzel mit Brötchen kaufen würde, sie aber lieber Geld für was zu saufen haben wollen...


    ....


    Ja, es gibt auch solche. - Wobei der Mercedes ja nicht der eigene ist... und das plumpe Ansprechen auch die Not der Verzweiflung und nicht Selbstbewusstsein sein kann, und leider viele sozial abgestiegene Leute zur Flasche greifen und dann irgendwann alkohol*süchtig* sind, und Körper und Seele den Alk mehr benötigen als was zu Essen. :(
    Es gibt also immer zwei Seiten der Medaille...



    Ansonsten muss ich nur sagen, dass ich - besonders jetzt in der Winter- und Weihnachtszeit - doch immer wieder merke, *wie* gut es mir doch geht. - Und es sollte auch jedem klar sein, dass niemand *freiwillig* jetzt in der Kälte draußen sitzt, sondern er dafür immer seine (sicherlich nicht immer *guten* bzw. für uns nachvollziehbaren) Gründe haben wird. - Da ist erst mal Pragmatismus angesagt.



    Verurteile nie einen Menschen, ehe Du nicht wenigstens ein paar Meilen in seinen Stiefeln gelaufen bist.

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