Unterirdisches Arbeitszeugnis - was tun?

  • Wenn der Kontakt zu der Firma noch gut ist, würde ich das so zu regeln versuchen:


    - ehem. Chef anrufen, 2 min Smalltalk, Grund des Anrufs erklären und den Vorschlag machen, das du einen Vorschlag einrichst, wie dein Arbeitszeugnis aussehen soll. Freundlich aber bestimmt fordern.


    - Am gleichen Tag: Einreichung des Vorschlags mit bitte, doch ein solches Arbeitszeugnis binnen 2 Wochen auszustellen


    - 3 Tage später: Chef anrufen, abchecken ob das Zeugnis so geschrieben wird oder nicht. Wenn nicht, nochmal bestimmt durchblicken lassen, das der von dir gemachte Vorschlag nicht großartig diskutabel ist.


    Wenn der Kontakt zu der Firma noch in Ordnung ist und du ein realistischen Vorschlag machst (ich denke, ein "einser" Zeugnis wäre zuviel des guten...) wird sich keine Firma der Welt die Mühe machen, die Sache gerichtlich auszutragen, wenn man es auch mit einem 10 minüten abtippen deines Vorschlages bereinigen kann.


    Wie ein gutes Arbeitszeugnis aussehen muss kannst du im Internet rausfinden, eigentlich sind es immer die gleichen Floskeln.


    Zur Stellenbeschreibung vielleicht nochmal in den Arbeitsvertrag gucken, was dort steht und vielleicht übernehmen.

  • Hi,


    erstmal echtes Mitgefühl, so krass abgewatscht zu werden - ein solcher Schlag ins Gesicht ist schwer zu verdauen!


    Zur rechtlichen Lage:
    Ein Arbeitszeugnis muß prinzipiell den Wohlwollensgrundsatz erfüllen, d.h. es darf keine negativen Formulierungen enthalten. Aus diesem Grund hat sich in Unternehmenskreisen die berühmt-berüchtigte "Geheimsprache" eingebürgert, die im Prinzip doch wieder Schulnoten entspricht (z. B. stets zur vollsten 1 - zur vollsten/stets zur vollen 2 - zur vollen 3 - meist zur vollen 4).


    In der Vergangenheit war es so, daß, falls ein Arbeitnehmer gegen ein Zeugnis geklagt hat, er meistens recht bekommen hat und das Zeugnis verbessert wurde. In jüngster Vergangenheit hat es sich bei den Gerichten allerdings eingebürgert, daß eine "Nullinie" der Note 3 angenommen wird. Dies bedeutet konkret, daß bei Formulierungen, die den Noten 4,5 oder 6 entsprechen, die Beweislast beim Arbeitgeber liegt, d.h. er Dir ein grobes Versagen in Deinem Job nachweisen muss, was nicht so einfach ist. Umgekehrt ist es leider so, daß bei "Notenänderungen" auf 1 oder 2 die Beweislast bei Dir liegt, und das ist eigentlich fast unmöglich zu schaffen.


    Du kannst also ohne größere Probleme die Punkte Arbeitsweise/Zuverlässigkeit/Verhalten gegenüber Kollegen-Vorgesetzten auf einen 3er heraufsetzen lassen.


    Nachdem meine Arbeitsrechtskenntnisse schon etwas eingerostet sind, hier ein kleiner Disclaimer:
    das obige stimmt zu 90%, ab jetzt kommt Spekulation ;)


    Meiner Meinung nach war es so, daß Du extrem negative Formulierungen (z.B. die Erwähnung, daß Du pünktlich warst - ein glatter 6er, Pünktlichkeit gilt als Selbstverständlichkeit -) streichen lassen kannst.


    so, das war jetzt auch ne Menge Text, hth und Kopf hoch :)!

  • Re: Unterirdisches Arbeitszeugnis - was tun?


    Um da was dazu sagen zu können wäre es wichtig zu wissen was das blablabla in Wirklichkeit heißt. Ich verstehe sowieso nicht warum Du das tarnst, schließlich bist Du ja wohl kein Spion oder MA eines Rüstungsunternehmens... :rolleyes:

    Zitat

    Herr X erledigte die ihm übertragenen Aufgaben korrekt und in angemessener Zeit. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er eine pünktlicher und zuverlässiger Mitarbeiter war.

    Zur Jahrtausendwende hat man Punkte kritisiert indem man Selbstverständlichkeiten hevorgehoben hat - mittlerweile betreibt man dies aber nicht mehr so extrem.


    Letztendlich ist die Bewertung dieses Abschnitts wohl eine absolut subjektive Auslegungssache.

    Früher konnte man Drachen töten und durfte dann eine Jungfrau heiraten -
    heute gibt's keine mehr und man muss den Drachen heiraten :-(

  • @ Goodzilla: vollständiger Text:


    "Arbeitsbescheinigung


    Herr Printus, geboren am 16. Juli 1972, war vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 als kaufmännischer Angestellter in unserem Unternehmen, Niederlassung Troisdorf-Spich, beschäftigt.


    Sein Einsatz erfolgte nach einer firmeninternen Schulung in unserer Importabteilung mit nachfolgender Aufgabenstellung:


    - Einreihung (Rating) der eingehenden Warensendungen in die Warengruppensystematik des "Deutschen Gebrauchszollterifs" unter Nutzung der firmeneigenen Informations-/ Onlinesysteme (ISPS und TTS).
    - Auswertung der die Warensendungen begleitenden Dokumente (Frachtbriefe, Handelsrechnungen, Ursprungszeugnisse und Präferenzen)
    - Berechnung der zu erhebenden Eingangsabgaben (Zölle und Steuern)
    - Administrative Tätigkeiten


    Herr Printus erledigte die ihm übertragenen Aufgaben korrekt und in angemessener Zeit. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er eine pünktlicher und zuverlässiger Mitarbeiter war. Aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer kann eine detaillierte Beurteilung leider nicht erstellt werden.


    Für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg wünschen wir ihm viel Erfolg und alles Gute.


    Firma


    i. V. Personalleiter "


    Ich habe übrigens zwischenzeitlich mit einer Ex-Kollegin gesprochen, die zusammen mit mir gekommen und gegangen ist. Sie hat wortwörtlich denselben Text in der Arbeitsbescheinigung.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • @ Printus


    Warum muss Dich eigentlich erst ein Bekannter darauf bringen, dass das Zeugnis so mies ist?


    Wenn ich arbeitssuchend wäre, wäre meine erste Anschaffung ein Bewerbungsratgeber, in dem neben sinnvollen Tipps für eine stilvolle Bewerbung die ganzen Personaler-Codes in Arbeitszeugnissen aufgeschlüsselt sind. Das sind i.d.R. auch Vorlagen für derartige Zeugnisse drin, mit denen man die Personalabteilung in einer für sich selbst günstigen Weise entlasten kann (m.a.W. man schreibt den Krempel selbst und die nicken ab)...


    Dann wäre dir die ganze Sache nämlich sofort nach Erhalt des Zeugnisses aufgefallen und nicht erst 5 vor 12 und Du könntest Dir Anwalt, Prozesskostenhilfe & Co sparen...

    Chuck Norris liest keine Bücher: Er starrt sie so lange an, bis sie ihm freiwillig sagen, was er wissen will.

  • Zuerst einmal mein tiefes Mitgefühl, besonders der letzte Abschnitt ist wirklich unter aller Sau, mit dem Zeugnis dürfte es schwer werden einen neuen Job zu finden.


    Aber: Da Deine Kollegin den gleichen Text bekommen hat, gehe ich von einer Art " alles in einem Abwasch" -Mentalität aus. Übrigens nicht zulässig, da es sich ja um ein qualifizierendes Arbeitszeugnis handelt.


    Mein Tipp: geh erstmal von einem Versehen aus, und bring Dein Anliegen persönlich mit einem Neuvorschlag zu einzelnen Abschnitten ( oder eben allem) und erklär Deinem ehemaligem Chef, was die einzelnen Sätze für einen Personaler für eine Bedeutung hätten.


    Ich glaube dass sich keine ordentliche Firma gegen soetwas sperren wird, allein schon um keine weiteren Reibereien zu bekommen.

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er eine pünktlicher und zuverlässiger Mitarbeiter war.


    Dieser Satz ist imho das schlechteste am ganzen Arbeitszeugnis, wenn der Rechtschreibfehler wirklich im Orginaltext ist, könnte das sogar als Verneinung ausgelegt werden.


    Als erstes würde ich aber auch den freundlichen aber bestimmten Weg wählen, bevor man mit Arbeitsgericht droht.

  • Siehst Du, keine Geheimnisse die die nationale Sicherheit gefährden... ;)


    BTT: Also der Aufgabenabschnitt ist meiner Meinung nach völlig O.K., der über persönliches ist "etwas" gefährlich.


    Wenn den jemand liest der nach der alten Schule denkt ist es IMHO vorbei mit den Chancen - die alte Firma kann sich aber mit Hinweis auf die neueren Gepfolgenheiten immer rausreden. Ich hatte sowas ähnliches nämlich schon selber und der Rat eines Fach-Anwaltes war daß eine Klage da überflüssig bzw. ohne Erfolgsaussicht ist.


    Vielleicht kannst Du ja - wie vorgeschlagen - auf einvernehmlichen Weg was erreichen.

    Früher konnte man Drachen töten und durfte dann eine Jungfrau heiraten -
    heute gibt's keine mehr und man muss den Drachen heiraten :-(

  • Das Zeugnis ist echt ein Witz. Die Sache ist nur die, warst du auch tatsächlich so ein guter Mitarbeiter wie du behauptest? Ich geh nur mal von ein paar meiner Kollegen aus. Wenn die sich mal selber beschreiben müssten, würden sie vom Schwärmen garnicht mehr loskommen. Das Schlimme dabei ist, dass sie das Ganze wahrscheinlich auch noch ernsthaft glauben. Man neigt ja oft dazu sich selbst etwas besser zu sehen, als man tatsächlich ist. Das soll jetzt aber nicht heissen dass es bei dir genauso ist, nur mal zum Verständnis.


    Sollte dieses Zeugnis wirklich nicht der Wahrheit entsprechen, würde ich damit gleich zum Anwalt traben. Wenn ein Arbeitgeber dir so ein Zeugnis ausstellt, dann hat er dir bewusst ans Bein gepinkelt. Wie schon einige vorher geschrieben haben ist das schon ziemlich schlecht. Und wenn mir einer ans Bein pinkelt, pinkel ich zurück. Von einem Versehen kann da nämlich nicht die Rede sein. Wenn man Jemandem so die Zukunft erschweren will, dann ist das einfach eklig. Also zurückschiessen, mit Rechtsbeistand.


    Viel Erfolg.


    Gruss

  • Jetzt ml a ganz andere Frage zum Thema Zeugnis:
    Warum reitet ihr alle so auf diesem Zeugnis rum? Klar, die Formulierung ist nicht nur unglücklich, und ohne das Du unpünktlich wars hat die betreffende Firma echt ein Problem das aufrecht zu erhalten, aber ein Arbeitszeugnis ist doch so oder so Schall&Rauch!


    Das Stichwort heisst "Wohlwollensgrundsatz". Jeder vernünftige Personaler wird ein Zeugnis min. eine bis (wenns ganz schlecht war) zwei Noten nach oben korregieren. Im Gegenteil. Gerade wenns ganz mies war geben die meisten ein recht ordentliches Zeugnis. Ganz einfach deswegen, weil sie bei einem evtl. Arbeitsrechtsprozess so oder so die Ars**karte ziehen würden.
    Personaler wissen so etwas und sind deshalb in aller Regel froh, wenn sie so einen Schlumpf von der Backe haben. Das letzte was sich ein Personaler wünscht, ist wegen einer eigentlich wahren Formulierung noch monatelange Streitereien zu haben. Er zieht, wie gesagt, eh den kürzeren.


    Wenn ich jemanden einstelle, dann überflieg ich das Zeugnis eh nur. Bei der Masse an Bewerbungen hat man meist eh keine Zeit zu mehr. Kommt dann ein Kandidat in die nähere Auswahl, ruf ich bei seinem Ex-Arbeitgeber an und hole mir persönliche Auskünfte. Wie gesagt, ein Zeugnis ist durch die gängige Rechtspraxis nicht mal das Papier wert, auf dem es gedruckt ist!


    Charlie

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    Die 5 Sinne des Menschen:
    Unsinn, Irrsinn, Stumpfsinn, Blödsinn und mein persönlicher Liebling, der Wahnsinn.
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