Unterirdisches Arbeitszeugnis - was tun?

  • Hallo zusammen,


    ich habe ein sehr schlechtes und zudem unvollständiges Arbeitszeugnis erhalten und möchte gerne wissen was ihr mir raten würdet was ich tun soll. Der Hintergrund:


    Nach der Einstellung erfolgte zunächst eine extrem anstrengende 3monatige interne Schulung, bei der ein Prüfungsdurchschnitt von 85% erwartet wird. 3 von 4 Mitarbeitern, darunter ich, haben die 85% nicht geschafft und erfüllten damit die Einstellungsvorraussetzungen nicht - übrigens kein "Ausreißer" zufällig unfähiger Mitarbeiter, sondern die übliche Durchfallquote in dieser Schulung.


    Es kommt zur Kündigung wegen Nichterfüllens der Vorraussetzungen für die geplante Tätigkeit. Die 3 Mitarbeiter bewerben sich intern auf andere Stellen, in der Tat erfolgen Versetzungen in andere Abteilungen (bei mir: in die Buchhaltung).


    Überraschend wird nach 2 Wochen verkündet daß es "aus Prinzip" doch bei den ausgesprochenen Kündigungen bleibe, es bestehe allerdings die Möglichkeit in der ursprünglich vorgesehenen Abteilung bis zum Ende der Probezeit, also noch etwa 2,5 Monate, tätig zu sein - offensichtlich schätzt man die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die nur knapp an der 85%-Hürde gescheitert sind, nicht wirklich so schlecht ein und das herannahende Weihnachtsgeschäft erfordert hohen Personalbedarf.


    Die Mitarbeiter erledigen die Arbeit mangels Erfahrung natürlich nicht so schnell und perfekt wie die langjährigen Kollegen, erfüllen die Aufgaben aber gemessen an ihrem Können besonders engagiert weil sie hoffen sich durch gute Arbeit doch noch qualifizieren zu können (es gab in der Vergangenheit solche Fälle). Beliebtheit bei den Kollegen, Zufriedenheit der Kunden usw. sind sehr positiv, wie mehrfach bestätigt wird, und auch von der Geschäftsleitung zur Kenntnis genommen worden sein müßte.
    Trotzdem: die Mitarbeiter scheiden zum Ende der Probezeit doch aus dem Unternehmen aus, von Vorgesetzten wird versprochen aufgrund der guten Führung und weil die Kündigungen nur auf dem Ergebnis der bekannt anspruchsvollen Schulung beruhen, ein positives Zeugnis zu schreiben.


    Was ich dann aber 1 Monat später bekommen habe, war das hier:


    "Herr X, geboren xx.xx.xxxx, war vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 als kaufmännischer Angestellter in unserem Unternehmen, Niederlassung yyy, beschäftigt.


    Sein Einsatz erfolgte nach einer firmeninternen Schulung in unserer zzz-Abteilung mit nachfolgender Aufgabenstellung:


    - blablablabla
    - blablablabla
    - blablablabla
    - Administrative Tätigkeiten


    [Aufgelistet werden an dieser Stelle nur die Aufgaben der ursprünglich vorgesehenen Abteilung, nicht aber die 2 Wochen in der Buchhaltung - oder wird das mit "Administrative Tätigkeiten" ausreichend abgegolten?]


    Herr X erledigte die ihm übertragenen Aufgaben korrekt und in angemessener Zeit. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er eine pünktlicher und zuverlässiger Mitarbeiter war. Aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer kann eine detaillierte Beurteilung leider nicht erstellt werden.


    Für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg wünschen wir ihm viel Erfolg und alles Gute."


    Das Zeugnis ist datiert auf den 31. Januar 2005 und ich habe es bisher nie hinterfragt weil ich bei einer langjährigen früheren Beschäftigung nie eine Beurteilung bekommen habe und nicht einzuschätzen wußte daß dieses Zeugnis extrem mies ausfällt. Nun habe ich mehr zufällig erfahren daß mich dieses Zeugnis unterirdisch schlecht beurteilt, aber auch allein schon formal diverse Anforderungen an ein Arbeitszeugnis nicht erfüllt.


    Meine Fragen dazu sind nun:


    - offensichtlich ist das Zeugnis sehr unvollständig, man sollte einen Mitarbeiter, der immerhin 6 Monate in dem Unternehmen tätig war, sicherlich differenzierter beurteilen können. Also liegt wohl auf der Hand daß z. B. Aussagen zur Führung etc. eingefügt werden müssen?


    - reicht "administrative Tätigkeiten" um 2 Wochen (die allerdings mit Einarbeitung verbracht wurden) in der Buchhaltung ausreichend zu beschreiben?


    - vor allem: in welcher Weise sollte ich jetzt generell reagieren, gerade auch weil das Zeugnis bereits 9 Monate alt ist und offenbar ein gewisses zeitliches Problem bei der Reklamation dieser Beurteilung droht? Man liest von max. 10 Monaten, innerhalb derer man ein Zeugnis reklamieren sollte...


    - Wie soll ich meine weiteren Bewerbungen jetzt gestalten? Im Anschreiben darauf Bezug nehmen daß ich ein neues Zeugnis angefordert habe weil ich diesen Wisch inakzeptabel finde? Oder diesen Wisch besser gar nicht erst hinzufügen? Oder...?


    - weitere Tips, Ratschläge, die ich jetzt beachten sollte?


    Ganz herzlichen Dank für's Lesen des langen Textes und mögliche Hilfe aus euren Erfahrungen heraus!

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Hi,


    rechtlich weiß ich nicht viel dazu zu sagen.


    Was ich machen würde: ist das Zeugnis wichtig für deine Karriere, bzw. weitere Bewerbungen? Oder hast du genug andere, gute, Zeugnisse, so dass dieses nicht weiter fehlt? Dann lass das Zeugnis einfach weg. Die zeit dort solltest du zwar im Lebenslauf angeben, aber man muß ja nicht immer ein Zeugnis erhalten haben.


    Wobei das fehlende Zeugnis auch negativ gewertet werden kann. Also der hat keins, also war er schlecht. Hängt wie gesagt von deiner Situation ab. Wenn ich genug Alternativen hätte, würde ich es nicht anhängen.


    bastian

  • Dieses Zeugnis ist besonders wichtig, weil die Schulung in diesem Unternehmen einzigartig ist und in der Vergangenheit diverse Absolventen, obwohl sie an der 85%-Hürde gescheitert sind, von Konkurrenzunternehmen mit Kußhand genommen wurden.


    Auch ich bin dabei mich nicht zuletzt aufgrund der Schulung in dieser Branche weiter zu bewerben.


    Die bisher versendeten Bewerbungen dürften aber trotz sorgfältigster Erstellung und Bemühungen völlig für die Katz gewesen sein weil so ein Zeugnis natürlich ein totales Gegenargument ist einen Mitarbeiter nur ansatzweise für dieses Themengebiet kompetent zu finden... :o

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Wenn eine Rechtschutzversicherung besteht, würde ich mich umgehend um eine Erstberatung beim Fachanwalt bemühen. ;)


    Gerade, weil es sich hier um keinen "trivialen" Fall mehr handelt, sondern die Sache reichlich kompliziert ist.

    Hätte der Mensch nur halb so viel Vernunft wie Verstand, dann wäre alles viel einfacher in der Welt. Linus Pauling

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    Die bisher versendeten Bewerbungen dürften aber trotz sorgfältigster Erstellung und Bemühungen völlig für die Katz gewesen sein weil so ein Zeugnis natürlich ein totales Gegenargument ist einen Mitarbeiter nur ansatzweise für dieses Themengebiet kompetent zu finden... :o


    Ja ok, aber was erwartest Du denn? Natürlich sieht es nicht gut aus, dass Du bei der Prüfung durchgefallen bist. Das ist nunmal ein Fakt, den Du nicht mehr ändern kannst.


    Hier kann keiner beurteilen, ob die Prüfung unverhältnismäßig schwer war oder eben einfach nur für Dich zu schwer.


    Einer Deiner Kritikpunkte ist ja, dass die Tätigkeit in der Ersatz-Abteilung nicht hinreichend gewürdigt wurde. Hatte diese fachlich übrhaupt etwas mit dem Test zu tun?


    Vielleicht bringt ein freundliches Gespräch mit der Personalabteilung mehr als alles Spekulieren hier...

    Chuck Norris liest keine Bücher: Er starrt sie so lange an, bis sie ihm freiwillig sagen, was er wissen will.

  • Blöderweise habe ich keine Rechtsschutzversicherung - und als Arbeitsloser (mit umständehalber fast weniger Kohle als Sozialhilfeempfänger :flop: ) auch schlichtweg kein Geld für einen Anwalt.


    Sicherlich kann ich es erstmal einfach im Guten versuchen und um eine Änderung bitten, denn ich bin ja nicht im Streit von diesem Arbeitgeber weggegangen.


    Aber auch dann gibt es ja "Do's" und "Don'ts", deswegen die Nachfrage.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    Sicherlich kann ich es erstmal einfach im Guten versuchen und um eine Änderung bitten, denn ich bin ja nicht im Streit von diesem Arbeitgeber weggegangen.


    Gerade in diesem Fall solltest Du das, IMHO lässt die Anwalts-Keule erst Recht Türen zu gehen.


    Außerdem, bis so ein Prozess vor einem Arbeitsgericht anfängt, gehen auch erst mal wieder ein paar Monate ins Land, gerade bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen ist der Ausgang zudem häufig völlig unklar, da subjektiver Spielraum des Richters.

    Chuck Norris liest keine Bücher: Er starrt sie so lange an, bis sie ihm freiwillig sagen, was er wissen will.

  • Zitat

    Original geschrieben von Bob_Harris
    Ja ok, aber was erwartest Du denn? Natürlich sieht es nicht gut aus, dass Du bei der Prüfung durchgefallen bist. Das ist nunmal ein Fakt, den Du nicht mehr ändern kannst.


    Korrekt, das ist Fakt. Dagegen wehre ich mich auch nicht.


    Zitat

    Original geschrieben von Bob_Harris
    Hier kann keiner beurteilen, ob die Prüfung unverhältnismäßig schwer war oder eben einfach nur für Dich zu schwer.


    Ich denke schon daß es einen gewissen Aussagewert hat wenn regelmäßig 3 von 4 Mitarbeitern durch diese Schulung rasseln. Übrigens hatte ich mich bei der Einstellung gegen 35 Mitbewerber, zum Teil interne Bewerber, durchgesetzt. Insofern kann man nicht so einfach davon ausgehen daß es immer nur an der Blödheit der Teilnehmer liegt.
    Konkurrenten übernahmen in der Vergangenheit, wie ich mehrfach hörte, mitunter sehr gerne Leute, die an der 85%-Hürde gescheitert sind - man weiß in dieser Branche also offenbar durchaus wie man die Schulungsergebnisse zu beurteilen hat.
    Aber auch das ist nicht mein Punkt.


    Zitat

    Original geschrieben von Bob_Harris
    Einer Deiner Kritikpunkte ist ja, dass die Tätigkeit in der Ersatz-Abteilung nicht hinreichend gewürdigt wurde. Hatte diese fachlich übrhaupt etwas mit dem Test zu tun?


    Nein. Aber ich frage mich ob die Nicht-Erwähnung (falls es nicht ausreichend unter "administrative Tätigkeiten" subsumiert werden kann) nicht ein weiterer Mangel dieses Zeugnisses darstellt.


    Ich bin zum einen sehr verwundert und enttäuscht wie grottenschlecht die Beurteilung offenbar ist, denn Schulungsergebnis hin oder her, diese Beurteilung entspricht trotzdem überhaupt nicht dem gezeigten Engagement, dem Ehrgeiz, den Leistungen und der Beliebtheit bei Kollegen und Kunden.


    Zum anderen strotzt dieser Wisch offenbar vor rudimentären, formalen Fehlern weil Aussagen über die Führung, das Sozialverhalten usw. vollends fehlen und man einen Mitarbeiter nach 6 Monaten ausführlicher bewerten kann und muß.


    Zitat

    Original geschrieben von Bob_Harris
    Vielleicht bringt ein freundliches Gespräch mit der Personalabteilung mehr als alles Spekulieren hier...


    Klar, das werde ich natürlich in jedem Fall führen. Ich würde aber gerne von Erfahrungen anderer profitieren und frage deswegen hier nach was andere erlebt haben oder raten können, denn ich habe mich mit dem Thema bisher nie befassen müssen und bin daher entsprechend unerfahren.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von Bob_Harris
    Gerade in diesem Fall solltest Du das, IMHO lässt die Anwalts-Keule erst Recht Türen zu gehen.

    Ich habe ihm ja auch nicht geraten, dass er einen Anwalt auf den Gegner hetzen soll, sondern dass er sich idealerweise fachkompetent beraten lassen soll, um auf einer soliden Basis das weitere Vorgehen bestimmen zu können.


    Printus:
    Dass das in Deiner Situation nicht möglichist, leuchtet natürlich ein. Ich drück Dir die Daumen! :)

    Hätte der Mensch nur halb so viel Vernunft wie Verstand, dann wäre alles viel einfacher in der Welt. Linus Pauling

  • Zitat

    Original geschrieben von Sebastian
    Ich habe ihm ja auch nicht geraten, dass er einen Anwalt auf den Gegner hetzen soll, sondern dass er sich beraten lassen soll, um auf einer soliden Basis das weitere Vorgehen bestimmen zu können.


    @ Sebastian
    Schon klar, wollte nur das nur noch mal klarstellen, weil sich ja schon fast ganze Anwaltskanzleien finanzieren könnten, wenn jeder, der in einem TT-Thread einen Anwalt einschalten will, dies auch tatsächlich tun würde...


    @ Printus
    Falls Du Dich beraten lässt, solltest Du im Vorfeld die Kosten eines Gesprächs abklären. Günstiger sind allerdings vielleicht Bewerbungsratgeber, in denen ja meist auch Kapitel über Zeugnisse enthalten sind, mit denen man dann auch diese ganzen Personaler-Codes entschlüsseln kann.

    Chuck Norris liest keine Bücher: Er starrt sie so lange an, bis sie ihm freiwillig sagen, was er wissen will.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!