Ok, die Polemik-Nummer hab ich auch drauf und lasse mich gerne auf das Niveau meines Gegenübers herab. Schließlich ist es ja unserer beide Profession, den anderen dort abzuholen, wo er gerade ist...
Wie Du richtig erkannt hast, rennen da draußen immer mehr Leute mit einer Angststörung rum (wobei es bei vielen auch nur eine diffuse Angst ist, ob sie nach ICD-10 bzw. DSM-IV auch als solche diagnostiziert werden würde, ist erstmal irrelevant). Da Du ja Manager warst und im Controlling gearbeitet hast, wirst Du mir sicherlich zustimmen, dass v.a. die großen Unternehmen und Konzerne inzwischen hauptsächlich von BWL'ern geführt werden, die nur noch Zahlen im Kopf haben und von der Materie, über die sie entscheiden keine Ahnung mehr haben. Früher war es mal so, dass im Vorstand eines Autokonzerns (um mal ein Beispiel rauszugreifen) Ingenieure saßen, die von dem, was im Unternehmen entwickelt und produziert wird, Ahnung hatten. Und so u.a. wussten, wie lange es braucht, um ein neues Produkt zu entwickeln und somit auch realistische Projektpläne aufstellten bzw. aushandelten. Heute werden nach dem Dilbert-Prinzip ein paar kluge Köpfe eingestellt (hey, das knüpft direkt da an, dass die ganzen Persilscheine im Grunde unsinnig sind!), die noch nie ein Auto gebaut haben, aber ein Cost-Income-Ratio berechnen können und ausrechnen, dass mit der Hälfte der Belegschaft sich in kürzerer Zeit die Autos billiger produzieren lassen.
So, um den Bogen wieder zur Ausgangsfeststellung zu schlagen: in der heutigen wirtschaftlichen Situation, die mehr von den Finanzmärkten und dem shareholder value bestimmt werden, würde ich als Arbeitnehmer auch mehr und mehr Ängste entwickeln - schließlich könnte mein Job der nächste sein, den sie streichen, weil es irgendwelche Zahlen suggeriert haben. Und da sich meiner Wahrnehmung nach unser Land derzeit generell in der kognitiven Triade der Depression befindet, tummeln sich eben immer mehr Menschen mit ihren Ängsten im Internet.
Und da auch im Gesundheitswesen inzwischen die Effizienz über allem steht, werden eben Pillen gereicht, anstatt dass die Leute eine gescheite Therapie bekommen, wo ihnen vielleicht wirklich geholfen wird (oder zumindest mal besser als mit Psychopharmaka). Mal abgesehen davon, dass die Wartelisten eh ewig lang sind und viele eben nicht den passenden Therapeuten sich aussuchen können (siehe Wirkfaktoren), sondern lieber den nächstbesten nehmen, als nochmal weitere 5 Monate zu warten. Vom System her werden im weiteren nur 20 Stunden bezahlt, für weitere hängt es von einem (ahnunglosen) Sachbearbeiter in der Krankenkasse ab. Aber es soll ja eh schnell gehen...
Mit der Sache hab ich im Bereich der Personalentwicklung natürlich auch, wenn nicht noch mehr zu kämpfen: Vorstände sind meistens der Meinung, dass so triviale Dinge wie Verhaltenstrainings in 2 Tagen ihre volle Wirkung zeigen und jeder Tag mehr reine Geldverschwendung ist. Motto: "wer schlau ist, lernt egal was auch in 2 Tagen. Schließlich habe ich (der Manager) ja mein Handwerkszeug auch ohne groß was zu lernen irgendwie auf die Reihe bekommen und mache hier einen phantastischen Job!"
Womit wir wieder bei dem Punkt wären, dass Ausbildungen für v.a. so triviale Dinge wie Führung, Training, Persönlichkeitsentwicklung, usw. nicht so wichtig sind, denn es kommt ja drauf an, was man macht, nicht was man gelernt hat.