Hallo Printus,
da das mein Spezialgebiet ist, noch zwei Anmerkungen:
- die Interflug-Maschine ist NICHT in Folge des Treibstoffablassens abgestürzt, und es haben sich auch keine Kerosindämpfe entzündet. Vielmehr verlor die Maschine ihre Integrität (und verlor ihr gesamtes Heck), weil es ein Feuer im Frachtraum gegeben hatte, dieses mangels eingebautem Rauchmelder in diesem Bereich (da gab es mit den Sowjets später echte Verstimmungen) zu spät oder gar nicht bemerkt wurde und schlußendlich so hohe Temperaturen entwickelte, daß das Heck abbrach.
- den SR111 Absturz habe ich beruflich analysiert. Experten kommen zu dem Schluß, daß nach Absetzen des "Pan Pan Pan" - Calls 17 Minuten vor dem totalen Kontrollverlust der Maschine (während des Fuel Dumps) auch bei sofortigem und direktem Anflug der nächstgelegenen Piste in Halifax die Maschine ca. 3 Minuten vor Erreichen des Flughafens abgestürzt wäre, da das Feuer in der Zwischenzeit die notwendigen Steuerorgane zerstört hätte.
Grundsätzlich hätte man den Absturz nur verhindern können, wenn die Maschine a) näher am Airport gewesen wäre b) sofort und direkt einen Notsinkflug mit anschließender Overweight Landing durchgeführt hätte.
Die Checklisten der SwissAir sahen übrigens grundsätzlich den Fuel Dump vor einer Emergency Landing vor, gleich welche Art von Notfall eintrat. Die Piloten handelten also nur nach Checklist...
Ich gebe Dir aber insofern Recht, daß im Notfall (insb. Feuer an Bord) eine direkte Landung (sog. Overweight landing) besser und sicherer sein kann, als einen Zeitverlust durch Fuel Dumping in Kauf zu nehmen.
Moderne Maschinen können eine solche Overweight Landing i.d.R. problemlos durchführen, wenn es auch zu Schäden (potentieller Tailstrike, geplatzte Reifen, überhitzte/brennende Bremsen/Reifen etc.) kommen kann. Da gehen Menschenleben vor.
MTT
EDIT: Als Anhang noch eine grobe Zusammenfassung des Interflug-Crashs (Quelle: WDR)
Protokoll einer Katastrophe - Der Todesflug IL 62
Am 14. August 1972 startet in Berlin-Schönefeld eine Iljuschin 62 der Interflug zu ihrem Reiseziel Burgas an der bulgarischen Schwarzmeerküste. An Bord vor allem Urlauber, darunter zahlreiche Familien mit Kindern. Bereits kurz nach dem Start stellt die Besatzung Probleme mit dem Stabilisator fest und entschließt sich zur Umkehr. Kein besonderer Grund zur Unruhe auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Routinemäßig wird die Feuerwehr benachrichtigt. Ein Alarm erfolgt nicht. Währenddessen wird die Lage an Bord der IL 62 immer verzweifelter. Beim Landeanflug versagt plötzlich die Höhensteuerung. Als sich die Maschine über Königs-Wusterhausen bereits im Landeanflug befindet, bricht das Heck ab. Aufgrund des hohen Tempos löst sich auch das Rumpfvorderteil. Die einzelnen Teile schlagen nacheinander auf einem Feldstück auf. Keiner der 148 Insassen und der acht Besatzungsmitglieder überlebt das Unglück. Mehrere Untersuchungskommissionen der DDR-Regierung und der Staatssicherheit, an der auch die Iljuschin-Werke in der Sowjetunion sowie die Technische Hochschule Dresden beteiligt waren, versuchen in den folgenden Jahren die Ursache der Katastrophe zu finden. Nach mehreren Simulationen kommen sie zu dem Ergebnis, dass ein Brand im Heck für das Unglück verantwortlich war. An den anderen Maschinen dieses Typs werden technische Veränderungen vorgenommen. Doch die Öffentlichkeit wird nur spärlich informiert.
EDIT II: Zur Swissair 111 zitiere ich nur kurz aus dem Untersuchungsbericht des kanadischen TSB, S. 247ff.:
"Theoretical calculations confirm that from any point along the actual flight path after the aircraft started to descend, it would not have been possible for the pilots to continue maintaining control of the aircraft for the amount of time necessary to reach the airport and complete a landing."