EU Verfassung Frankreich: "Non" statt "Oui" - Meinungen dazu?

  • Ganz frisch ist die Nachricht ja nicht mehr, trotzdem der Link:


    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,358118,00.html


    Wirklich unerwartet ist das Ergebnis ja nicht, die Deutlichkeit aber schon, zumindest für mich.


    Mich würde mal interessieren, was ihr so zu dem Ergebnis meint, also einfach eine Sammlung von Gedanken zum Thema.


    Mögliche Fragen als Anstoß:


    - Woher kommt dieses Ergebnis, hat es einen eher abstrakten und diffusen Ursprung oder gibt es ganz konkrete inhaltliche Dinge, an denen es festzumachen ist?
    - Auf welchen Beinen steht das Ergebnis, haben die Abstimmenden den Gegenstand der Abstimmung gelesen? Wenn nein, sollten sie das tun oder ist es OK, wenn sie es nicht tun und trotzdem abstimmen?
    - Wie vernünftig ist es, eine solche Abstimmung so durchzuführen? Ist es vielleicht aufgrund der Komplexität der Sache nicht so ratsam oder ist es aufgrund der Bedeutung erst recht notwendig?
    - Wie hättet ihr euch verhalten? Also nicht nur im Moment der Abstimmung, sondern auch davor? Worauf hätte sich eine Meinungsbildung gestützt? Wie wichtig ist das Thema?


    Die Neugier kennt keine Grenzen... ;)


    o2neuling

  • Arrogantes Volk mit Angst, in Europa Macht als einstige Siegermacht abgeben zu müssen und Einfluss einzubüßen. Frankreich übernimmt mit Vehemenz und Nachdruck Führungsrollen, Franzosen sind beleidigt, wenn sie keine hohen und wichtigen Ämter in der EU bekleiden dürfen. Man denke nur an das Gerangel um den Chef der EZB. Eine zu mächtige EU auf Kosten der "Macht" von Frankreich oder die Gleichberechtigung der anderen Mitgliedsstaaten sind Frankreich ein Dorn im Auge.


    Hinzu kommt die Abrechnung mit der aktuellen Regierung. Innerpolitische Unzufriedenheit wird auf Kosten der EU ausgetragen.



    Alles in allem ein leider erwartetes Ergebnis.



    Stefan

  • Dieses Ergebnis zeigt nur, wie vollkommen schwachsinnig Volksabstimmungen zu komplexen Themen auf Landesniveau sind, in Frankreich wie in allen großen Nationen.


    Warum? Nun, abgestimmt wurde hier über die neue EU-Verfassung - aber wieviele der Wähler (unabhängig vom Abstimmungsverhalten) haben den Verfassungstext, über den sie abstimmen sollten, wohl gelesen? Vielleicht 0,1%? Oder wieviele hat das auch nur interessiert - und wieviele wollten einfach nur ihrer grundsätzlichen Abneigung gegen den europäischen Einigungsprozeß?


    Sowas ist Bildzeitungsdemokratie (wie auch immer die vergleichbaren Schmierblätter in Frankreich auch heißen) in Reinkultur - toll gemacht liebe Politiker in Frankreich, dass ihr völlig unnötig eine gesetzlich nicht notwendige Abstimmung über das Thema angesetzt habt, was jetzt den ganzen Prozeß aufhält. Aber gut, wär´s nicht zuerst in Frankreich passiert, dann in Irland, oder sonstwo... *kopfschüttel*


    Nein, mir gefällt auch nicht alles, was im europäischen Einigungsprozeß passiert, und ich kann verstehen, dass viele Menschen das als eine Art "Notbremse" sahen, weil Ihnen der Prozeß zu schnell geht oder sonstwelche Punkte stören - aber komplexe Sachverhalte auf eine Ja/Nein - Entscheidung zu reduzieren ist halt einfach eine Farce...

    Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muss dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und ncht zählen; Der Staat muss untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.
    (Friedrich Schiller, Demetrius)

  • Auf jeden Fall ist die Entscheidung ein Rückschlag für die Entwicklung Europas. Auch die Reduktion auf eine Ja/Nein-Frage birgt für sich allein schon etliche Probleme.
    Aber die Politik muss andererseits auch für die Bevölkerung gemacht und dieser v.a. auch verkauft werden. Dies wurde in Frankreich offensichtlich nicht erreicht. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob dies an dem Vertragswerk selbst liegt oder ob die Politiker einfach schlechte Verkäufer sind? Eine Politik, die sich so weit weg vom Bürger entwickelt bzw. so abstrakt wird, dass der Wähler nur noch als Mündel behandelt werden kann, geht sicher in die falsche Richtung. Ich bin der Meinung, dass die Europapolitik (quer durch alle Parteien) mehr auf die Bürger eingehen und die Motive offenlegen und erklären muss, Problembereiche gibt es auch bei uns jenseits vom Türkeibeitritt genug. Den Wähler auf den naiven dummen Bildzeitungsleser zu reduzieren stellt die Demokratie allgemein infrage, was sicher auch nicht beabsichtigt sein kann.

  • Ich stimme qwasy absolut zu, Politik muss für die Bevölkerung gemacht werden. Ich gebe einen Kommentar zur Abstimmung in den Niederlanden aus dem Kopf wieder

    Zitat

    Es ist unverantwortlich die Zukunft der EU-Verfassung, deren weitreichende Konsequenzen noch nichtmal von den Juristen der EU voll abgesehen werden können, in die Hände des Volkes zu legen


    Entschuldigung, aber eine Verfassung, deren Konsequenzen auch von Ihren Machern nicht abgesehen werden können, muss abgelehnt werden; unverantwortlich ist in meinen Augen diese blind durchzuwinken.

  • Zitat

    Original geschrieben von DeusExMachina
    Dieses Ergebnis zeigt nur, wie vollkommen schwachsinnig Volksabstimmungen zu komplexen Themen auf Landesniveau sind, in Frankreich wie in allen großen Nationen.


    Das ist auch meine Meinung.
    Nicht ohne Grund haben wir eine repräsentative Demokratie und das ist, würde jetzt ein gewisser Herr aus Berlin sagen, auch gut so.


    Die meisten Themen sind viel zu komplex und werden in der Bevölkerung in der Regel zu emotional bewertet.
    Bei emotionalen Themen haben Rattenfänger oder Stimmungsmacher mit der Bevölkerung ein leichtes Spiel.


    Noch einmal.
    Ich halte von Volksabstimmungen überhaupt nichts.
    Die gewählten Repräsentanten sind zur Entscheidungsfindung gewählt und sollten dafür qualifiziert sein.

  • Zitat

    Original geschrieben von rainbow
    Die gewählten Repräsentanten sind zur Entscheidungsfindung gewählt und sollten dafür qualifiziert sein.


    im prizip hast du ja recht
    schade nur das unsere politiker nicht auch so denken und das gegenteil von dem tun was sie beim wahlkampf erzählen ;)

    .:Gate 13:.
    Vor die Wahl gestellt zwischen Unordnung und Unrecht, entscheidet sich der Deutsche für das Unrecht.
    Johann Wolfgang von Goethe

  • Frankreich wird wohl nicht das einzige "Nein" Land bleiben:


    Zitat

    Schon am Mittwoch stimmen die Niederländer über die Verfassung ab, auch dort wird jedoch mit einem Nein gerechnet.


    Ciao...!

  • Zitat

    Original geschrieben von DeusExMachina
    [...]


    Warum? Nun, abgestimmt wurde hier über die neue EU-Verfassung - aber wieviele der Wähler (unabhängig vom Abstimmungsverhalten) haben den Verfassungstext, über den sie abstimmen sollten, wohl gelesen? Vielleicht 0,1%? Oder wieviele hat das auch nur interessiert - und wieviele wollten einfach nur ihrer grundsätzlichen Abneigung gegen den europäischen Einigungsprozeß?[...]


    Im Gegenzug,wieviele die mit "qui" stimmten,haben die Verfassung gelesen ?

    Nix..............

  • Zitat

    Original geschrieben von LikeAVirginHandy
    Frankreich wird wohl nicht das einzige "Nein" Land bleiben:



    Ciao...!


    Dann wird eben nochmal ratifiziert.
    Und nochmal und nochmal. ;)


    Ich bin mir nicht sicher, aber die Wiederholungmöglichkeiten sind wohl, mehr oder weniger, endlos.

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