ZitatOriginal geschrieben von Sencer
Und dir fällt da kein Widerspruch auf? D.h. die Superverdiener müssen weniger Steuern zahlen, und ziehen daher mit ihrem Geld nicht ins Ausland. Gleichzeitig müssen dieselben Leute durch den Wegfall von Steuervergünstigungen mehr bezahlen. Hmmm, klingt irgendwie widersprüchlich - entweder bezahlen sie mehr oder sie bezahlen weniger.
Und hier genau ist ja das Mißverständnis. Es gibt heute nunmal in hohen Einkommensbereichen eine hohe Diskrepanz zwischen dem, was ein Bezieher hoher Gewinne oder Einkommen nach seinem eigentlichen Steuersatz zahlen müßte und dem, was er wirklich zahlt. Warum? Weil man mit hohen Einkommen nunmal eine hohe "Manövriermasse" hat, die es erlaubt Abschreibungsmöglichkeiten und andere sog. "Steuerschlupflöcher" (was für ein dämlicher Begriff übrigens, schließlich sind das in aller Regel bewußt gestaltete Lenkungssteuerregelungen, die bewußt geschaffen wurden, um ein bestimmtes Verhalten der Steuerzahler herbeizuführen...).
Prinzipiell bin ich ja auch durchaus ein Anhänger von Lenkungssteuern, da es im Vergleich zu gesetzlichen Zwängen und Verboten die weniger eingreifende Art ist, den Bürger dazu zu bringen das zu tun, was volkswirtschaftlich sinnvoll oder auch nur politisch gewollt ist. Aber wie gesagt, nur prinzipiell - denn in der Realität ist das nunmal ein Rennen zwischen Hase und Igel, da ein solches Dickicht von Regelungen notwendig immer Möglichkeiten zur Ausnutzung und am Ende Pervertierung gut gemeinter Regelungen schafft (Schiffsfonds, geschlossene Immobilienfonds - es gibt unzählige Investitionsmöglichkeiten, die rein wirtschaftlich Schwachfug sind, sich aber auf Grund der steuerlichen Regelungen auf einmal am Ende lohnen).
Ergo: das Prinzip Lenkungssteuern und damit verknüpft der Versuch, steuerliche "Gerechtigkeit" dadurch zu schaffen, dass man versucht möglichst viele Einzelfälle zu erfassen hat sich als theoretisch gut, aber praktisch nicht durchführbar erwiesen (hatten wir das oben nicht schonmal bzgl. einer anderen Utopie? Aber lassen wir das...)
Konsequenz: Not tut eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts, die mit einem Kurieren an Symptomen nicht zu erreichen ist, sondern nur mit einem komplett neuen Einkommenssteuerrecht. Soweit so absolut richtig, was Prof. Kirchhof dort vorschlägt. Ob das Resultet dann ein linearer Steuersatz von 25% sein sollte mit entsprechenden Freibeträgen pro Person, oder ein Stufensteuersatz 15%/25%/35% ist dabei noch ein ganz anderes Thema.
Insofern ist der oben behauptete Widerspruch nicht wirklich einer - nur leider ist die Wirklichkeit selten so einfach wie eine Milchmädchenrechnung, und von daher nicht in einem Bildzeitungsartikel oder einer Sabine-Christiansen-Show mit 4 Sätzen unterzubringen. Man müßte sich intensiv mit der Materie befassen, oder zumindest klugen Köpfen wie Frieder Merz zuhören (Ich war ja völlig verblüfft, dass einige Talkshows den wieder ausgegraben haben und andererseits ihm von Angie nicht der Mund verboten wurde...). Aber das ist von Seiten der Wähler verdammt aufwändig (und wird daher von den wenigsten betrieben), und außerdem von Seiten der zu Wählenden ökonomisch unsinnig, da ja jede Stimme gleich viel zählt, und es daher einfacher ist gut klingende Phrasen zu dreschen, die zumindest gut klingen (die wirklich interessierten Bürger ignorieren den HokusPokus eh und begeben sich auf direktem Weg zu den aussagekräftigen Informationen).
Und dies führt uns am Ende des Monologs wozu? Zum guten alten Herrn Schiller (Friedrich, nicht Karl): „Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen, der Staat muß untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet“ (Fürst Sapieha in "Demetrius"). Wie weise...