Hallo zusammen,
mein Arbeitgeber hat mir ein neues Handy spendiert. Mein "altes" 6310 war noch ganz fit, aber bei einem neuen Gerät sagt man ja selten nein. Derzeit gibt´s bei uns nur Siemens, bevorzugt das S55. Das ist erstmal nicht zu ändern.
Also freue ich mich über ein modernes Telefon, endlich mit Farbdisplay und einer sonst kompletten Ausstattung. IR, Blauzahn, gutes Adressbuch. Sowas brauche ich. Letzten Donnerstag kommt dann das Päckchen und es wird Zeit, das Gerät mal zu testen. Einen S55-Test sollte man sich jetzt hier aber nicht erwarten, sowas gibt es sicher schon im TT. Ich hatte nun am Wochenende Zeit, mich mit demm Gerät zu befassen, und mein "altes" 6310 war auch noch da. Das S55 ist ja (zumindest was sein technisches Alter angeht) das modernere Gerät, von daher hoffte ich, einen Fortschritt für meine tägliche Arbeit damit erkennen zu können. Das Fazit gleich vorweg: das S55 ist eine Enttäuschung.
Aber nun im Detail:
Vom 6310 war ich ein Handy gewohnt, welches mit folgenden (im täglichen Arbeits-Einsatz wichtigen) Features glänzen konnte:
- extrem lange Standby-Zeit
- gutes Display (wenn auch nicht farbig)
- laute Klingeltöne
- gute Profilfunktion (zeitlich begrenzbar)
- HSCSD
- Bluetooth
- Infrarot
- Telefonbuch mit mehreren Namen pro Nummer
- tolle Ergonomie
- schnelle Reaktion auf alle Eingaben
- guter Empfang/gute Akustik
Natürlich ist das 6310 nicht perfekt. Es ist vor allem relativ gross, was sich bei der Bedienung las Vorteil herausstellt, es aber nicht mehr Hosentaschen-kompatibel erscheinen lässt. Zudem ist die Tastenbeleuchtung gruselig, am Tag erkennt man fast nichts auf den Tasten. Dennoch war ich über die letzten 2 Jahre ziemlich zufrieden mit dem Teil. Doch nun tritt das S55 als Konkurrent auf. Erstmal fällt auf, dass es sehr schön klein ist. Das passt gut in jede Tasche. Der Preis der Grösse: die Tasten liegen eng beeinander, im direkten Vergleich zum 6310 fühlt es sich fast zerbrechlich an. Aber das ist erstmal Gewöhnungssache. Bleiben wir dennoch bei den Tasten: sehr glatt, sehr dicht aneinander, kaum fühlbare Trennung zwischen den Tasten, alle in unterschiedlichen Grössen. Zum schnellen und fast blinden Bedienen also nicht geeignet. Und auch die Beleuchtung ist nicht wirklich besser als beim 6310. Ein fast weisses Licht, welches die Beschriftung auf den silbernen Tasten tagsüber teilweise schwer erkennbar macht. Dafür leuchten die 9 und das "s" auf der 7 besonders hell. Die Hörer-Tasten liegen unergonomisch schräg und klein ziemlich weit aussen, die Menütasten sind spitz und wirken in ihrem chrom-Plastik-Look ehr billig. Dafür reagiert aber das Steuerkreuz sehr präzise und die Tasten haben allgemein einen gut fühlbaren Druckpunkt. Dennoch tippt es sich auf dem Nokia schneller, zielsicherer und einfacher. Und das hat nicht nur was mit Gewöhnung zu tun.
Kommen wir zum Display: dass das Display des S55 nicht mit denen moderner Farb-Handys mithalten kann, war klar. Von daher bin ich also vom privaten Nokia 6230 wohl ziemlich verwöhnt. Mit einem Mono-Display hätte das S55 ehrlicher gewirkt, als mit diesem "wir-müssen-um-jeden-Preis-auch-farbig-sein"-Display. Das gute Mono-Display des S45 hätte auch dem 55er noch gut gestanden. Weiter geht´s in die Menüs: naturlich ist das eine Umstellung, wenn man jahrelang ein Nokia gewohnt war. Allerdings hatte ich auch schon über einen längeren Zeitraum ein S45, von daher findet man sich zurecht. Dennoch erscheint mir der Aufbau der Nokia-Menüs erheblich logischer. Schade ist auch, dass das Siemens teilweise recht träge reagiert. Getröstet wird man dann mit einer unsäglichen "Fische-Animation". Naja... schön ist das nicht. So schnell wie es beim 6310 möglich ist, kann man jedenfalls nicht durch die Menüs des S55 zappen. Passend zum "trendigen" Farb-Display gibt´s natürlich auch trendige Poly-Töne. Allesamt arg leise und reichlich kindisch. Einem Business-gerät steht das schlecht zu Gesicht. Aber will das S55 überhaupt ein solches sein? Also Nachfolger das S45 vermutet man das ja schon. Also auch akustisch keine Sensation. Weniger wegen der Töne als solche, sondern wegen der zu geringen Lautstärke (im Vergleich zum 6310). Alles nur schlecht? Natürlich nicht! Die Gesprächsakustik des S55 ist beeindruckend gut. Das muss festgehalten werden. Anrufer klingen warm und natürlich. Hier kann das 6310 nicht mithalten, obwohl es auch nicht schlecht klingt. Zudem ist das S55 wohl auch ein Triband-Gerät. Auch hier muss das 6310 (in der "nicht-i"-Version passen), ebenso bei der Java-fähigkeit. Beide Punkte interessieren mich derzeit aber wenig. Interessanter ist für mich die Möglichkeit, das Gerät am Notebook als Modem zu nutzen. Mit dem 6310 war das kein Problem, sowohl über IR als auch über Blauzahn. Beides bietet das S55 auch. Es ist ebenso problemlos als Modem nutzbar. Aber.... ein Ding gibt es, welches mich enorm stört: Das S55 beherrscht kein HSCSD. Somit kann man es nicht für halbwegs flotte Datenübetragung nutzen, die auf Zeitbasis abgerechnet wird. Gerade diese HSCSD-Verbindung habe ich mit dem 6310 oft genutzt, um mich mal schnell ins Intranet unserer Firma einzuwählen. Das wird mit dem S55 nun nix, und das ist wirklich ärgerlich! Ebenso unschön ist es, dass das S55 keine zeitlich begrenzbaren Profile bietet. Wie praktisch war´s beim 6310! Profil "Meeting" aktiviert und um 14:00 Uhr enden lassen. Feine Sache. Das Siemens stellt man leise (oder in ein leises Profil) und nach dem Meeting vergisst man es. Den Anrufer um 15:00 Uhr hört man dann nicht, denn leise ist das S55 ja selbt in der lauten Einstellung. Dafür versöhnt dann aber das recht umfangreiche Adressbuch des S55 wieder etwas. Retten kann es das Siemens aber nicht.
Tja, das klingt nach der alten Diskussion "wer ist besser, Nokia oder Siemens?". So allgemein kann man das nicht sagen, immer noch nicht. Aber darum geht´s auch nicht. Mag sein, dass mein Vergleich ein wenig wie "Äpel und Birnen vergleichen" ist. Aber ich habe nur diese beiden Geräte zur Verfügung und derzeit (dienstlich) wohl keine Alternative zum S55. Und als S45-Nachfolger will sich das S55 ja auch ein bisschen als Business-Gerät sehen, oder? Mit modernen Zugaben wie Farbdisplay und Poly-Tönen. Ob es im konkreten Fall nicht sinnvoller gewesen wäre, in Ergonomie und Funktionalität (HSCSD) zu investieren? Ich wette, man hätte damit mehr ernsthafte Kunden überzeugen können, Spielkinder freilich weniger.
Versteht das ganze nun bitte nicht als Siemens-Verriss oder Nokia-Lobeshymne. Es ist meine Meinung zu genau diesen beiden Geräten, die sich hier zum Vergleich stellen. Und es ist ein Vergleich aus Sicht eines Benutzers, der das Handy als Werkzeug in seinem Arbeitsalltag braucht. Daher geht´s auch nicht um Themen wie Spiele, Java oder WAP.
Ich werde mein 6310 schon etwas vermissen und habe die Hoffnung nicht aufgegeben, das S55 zurückgeben zu können und vielleicht doch ein Nokia-Gerät erhalten zu können. Mal sehen...
d@niel