Ein neues Motorola ist für die Fans der Marke irgendwie immer etwas Besonderes. Vielleicht liegt das daran, dass die Amerikaner seltener als die meisten anderen Firmen neue Modelle auf den Markt werfen. Ganz sicher liegt es aber auch daran, dass sie von Zeit zu Zeit Geräte releasen, die - bewusst oder unbewusst - am Mainstream vorbei an den designbewussten Käufer gerichtet sind. Zuletzt geschehen mit dem v70, mit dem außer eingefleischten Motorola-Fans kaum jemand wirklich was anzufangen wusste. Nicht zuletzt auch deswegen, weil Motorola auch bei so Sachen wie Features oder Bedienbarkeit schon immer recht "eigenwillig" war.
Dass es auch anders geht, zeigt derzeit das Dreigestirn aus V300, V5xx und V600. Zumindest letzteres orientiert sich insbes. hinsichtlich Verarbeitung und Materialien am Klassiker v60, und findet trotzdem eine Menge Käufer, welche Motorola vorher links liegen gelassen hatten. Gute Farbdisplays, Kamera und Bluetooth erlaubten Motorola hier nach langer Durststrecke wieder den Zugriff auf den Massenmarkt.
Mit dem V80 kommt nun der designierte Nachfolger des kultigen V70 in die Läden. Die folgenden Zeilen sollen zeigen, ob es ein würdiger Nachfolger geworden ist...
Verpackung
Beim V80 lohnt es sich, jedenfalls solange es geht, die z.B. bei einem unserer Haus- und Hofhändler nur EUR 20 teurere Limited Edition zu erwerben. Denn neben der exklusiven Ledertasche kommt das Ganze in der bereits von der V70-LE her bekannten runden Box daher. Bereits das erste Auspacken ist hier wieder ein Erlebnis - noch bevor man das eigentliche Gerät überhaupt in der Hand hält.
Die Box enthält neben dem Gerät das obligate Zubehör (Akku, Ladegerät, Handbücher), besagte Ledertasche (sehr hochwertig gearbeitet), ein mir bislang unbekanntes Adapterkabel (wird im HB nicht beschrieben, scheint dazu da zu sein, gleichzeitig ein Headset und irgendwas anderes anzuschließen) sowie das Bluetooth-Headset HS820. Letzteres scheint mir nochmals etwas kleiner und leichter zu sein als das HS810. Tragekomfort ist hervorragend.
Design/Verarbeitung
Nun, man merkt zunächst einmal deutlich, dass die Designer hier offensichtlich deutlich weniger "Luft" hatten als seinerzeit beim V70. Dieses zog damals fast unweigerlich die Blicke auf sich; sowas hatte es bisher noch nicht gegeben, es sah einfach irgendwie revolutionär aus. Beim V80 denkt man zunächst eher sowas wie "sieht irgendwie komisch aus...". Die schlichte, ovale Form ist irgendwie... naja... langweilig. In einem anderen Thread meinte bereits jemand, es sieht aus wie ein Clamshell, nur ohne Klappe. Und so ist es im Grunde auch. Die Form ist fast genauso wie bei einem V600, nur dass man es halt nicht aufklappt, sondern aufdreht. Möglicherweise war der Hintergedanke der, dass man nicht durch zuviel Extravaganz und zuviel Herumexperimentieren potentielle Käufer abschrecken wollte. Diese Rechnung könnte sogar aufgehen - geht allerdings eben leider damit einher, dass derjenige, der das V70 genial fand, mit dem V80 nicht unbedingt sofort warm wird...
Der größte Fauxpas des V80 ist IMHO jedoch dieser unsägliche Leuchtring ("Rythm Lights" genannt) - der ja manch anderen hier durchaus schon Begeisterung entlocken konnte. Ich kann diese nicht teilen. Das ganze sieht billig und lächerlich aus - sowas würde ich von einem Nokia der 3er Serie oder anderen Billiggeräten erwarten, aber doch nicht von einem hochpreisigen Motorola. Allerdings hat man auch hier wohl Zugeständnisse an die Handy-Kiddies machen wollen, und es steht zu befürchten, dass dies auch erfolgreich sein wird. Kommerziell ist das natürlich sinnvoll - und letztlich kann sich auch eine Firma wie Motorola nix von Hardcore-Fans kaufen, sondern nur von Marktanteilen und Umsatz. Trotzdem - für Leute wie mich ist es schon ein Stückweit schade, eine solche Verschandelung zu sehen...
Die Verarbeitung liegt auf hohem Niveau, auch wenn insbes. die Materialauswahl nicht an V70 oder V600 heranreicht. Vor allem der etwas merkwürdig steckbare Akkudeckel aus einem weichen Kunststoff vermag nicht wirklich zu überzeugen. Der verbleibende Teil der Rückseite (oben und unten) besteht aus dem gleichen Material wie das Antennencover des T610; sieht sehr edel aus - solange keine Fingerabdrücke drauf sind...
Der silberne Rahmen um das Gerät, den man auf den ersten Blick und durchaus auch auf den ersten Griff für Metall halten könnte, entpuppt sich aufgrund seiner Durchsichtigkeit für die Rythm Lights leider als Kunststoff. Wirklich aus Metall besteht lediglich die Rückseite des Displayteils, welcher freilich nur im aufgedrehten Zustand zutage tritt.
Alles in allem hinterlässt das Gerät aber trotzdem einen sehr gut verarbeiteten Eindruck.
Tastatur
Die Tasten sind relativ klein und heben sich so gut wie nicht von der umgebenden Fläche ab. Dies sieht zwar nicht unschick aus, erschwert aber die blinde Bedienung IMHO doch ein wenig. Die blaue Beleuchtung ist angenehm und gleichmäßig.
Display
Das Display scheint mir das aus dem V600 zu sein, also ein transmissives Farbdisplay mit der bekannt guten Ablesbarkeit bei Lichteinfall. Muss ich aber heute erst nochmal genau anschauen.
Bedienung
Hier verdient auf jeden Fall der Joystick Erwähnung. Dieser erinnert an den des T68, was bedeutet: Extrem exakte, knackige Bedienung. Die drei Softkeys daneben bzw. darunter entsprechen den Softkeys "links", "rechts" und "Menü" von V600 und Co.
Gespräche können erwartungsgemäß durch aufdrehen der Klappe angenommen und zudrehen derselben beendet werden. Die Klappe lässt sich nur um 180 Grad drehen, nicht 360 (wie beim V70).
Ansonsten gibts hier nichts neues zu vermelden - da die Software des V80 de facto exakt der des V600 entspricht, sind sämtliche Optionen, Features usw. genau wie bei diesem Gerät.
Features
Einige Neuigkeiten, die es am V600 gehäusebedingt nicht gibt:
Eine Öffnung des Deckels um nur 90 statt 180 Grad aktiviert die Kamera, mit welcher dann Aufnahmen im Querformat gemacht werden können. Dies ist freilich keine technisch realisierte Besonderheit, sondern ist genau dasselbe, als wenn man das V600 beim knipsen quer hält (Ok, die Statusinfos werden hier dann auch korrekt unten eingeblendet).
Ebenfalls neu natürlich die Einstelloptionen der Rythm Lights. Prinzipiell entspricht die Funktion dem Leuchtring des V600, d.h. der Rahmen blinkt in einstellbaren Farben bei Anrufen oder div. anderen Ereignissen. Neu ist allerdings ein Umgebungsgeräuschsensor. Da passiert nix anderes, als dass das Mikrofon aktiviert wird und die Lights dann für eine einstellbare Zeit (maximal 10 Minuten) im Takt von Umgebungsgeräuschen mitblinken. Die Empfindlichkeit ist in 7 Stufen einstellbar. "Sinn" des Ganzen soll offenbar sein, das Teil z.B. in der Disco oder in der Kneipe auf den Tisch zu legen und andere Menschen damit zu verblüffen, wie es im Takt des Basses blinkt. Ich habe selten - falsch - ich habe noch nie ein proletenhafteres Feature an einem Handy gesehen. :flop:
Trotz allem hier noch ein paar Bilder davon:
Klick!
Klick!
Klick!
Klick!
Klick!
Aufgrund des drehbaren Deckels gibt es dann noch die Möglichkeit, für "geschlossen" und "geöffnet" zwei verschiedene Wallpapers einzustellen. Für das Öffnen kann einer von mehreren (offenbar nicht änderbaren) Sounds ausgewählt werden, weiterhin kann eine Displayanimation aktiviert werden, die das Öffnen quasi nochmal auf dem Display nachvollzieht.
Bei einem angeschlossenen Headset kann man auch im geschlossenen Zustand Anrufe annehmen, ansonsten natürlich nicht. Bedient werden kann das Gerät im geschlossenen Zustand allerdings komplett (nach Deaktivierung der Tastensperre).
Apropos Headset - hier noch drei Bilder vom HS820:
(Die LED blinkt übrigens leider wieder "hart" - das softe Blinken des HS810 gibts leider nicht mehr.)
Davon abgesehen entsprechen die Features aus dem bereits genannten Grund 1:1 denen des V600. So z.B., dass sich das Telefonbuch mehrere Nummern pro Name, aber immer noch keine Adressen merken kann.
Connectivity
Auch dies kann man kurz machen - alles wie beim V600. Also Bluetooth, kein Infrarot, Datenkabelanschluss (der Anschluss ist natürlich wieder derselbe wie bei den bisherigen Geräten; alle Optionen wie Daten- oder Ladekabel, Headsets usw. sind mit dem V80 verwendbar). Zur Synchronistation werden wieder die Mobile Phonetools verwendet (inzw. per Liveupdate bei Version 2.21e angelangt).
Sprachqualität/Empfang
Beides liegt Motorola-typisch auf gewohnt hohem Niveau. Die Sprachqualität - jedenfalls in Empfangsrichtung (Senderichtung habe ich noch keinen gefragt ) ist sehr gut und hinreichend laut.
Fazit
Motorola bringt mit dem V80 ein Gerät auf den Markt, welches vor allem unter den typischen, jugendlichen Käufern von V300 und V5xx sicher viele Freunde finden wird. Allerdings auch wirklich nur dort. Als einen würdigen Nachfolger des V70 würde ich das Gerät nicht sehen wollen. Jetzt sehe ich eine Menge Leute vor mir, die sagen: "Spinnt der? Das V70 hatte kein BT, kein Farbdisplay, keine polyphonen Ruftöne, und das V80 soll schlechter sein?!?" Das werden allerdings auch in erster Linie dieselben Leute sein, denen das Rythm Light gefallen wird...
Im Ernst: Das V70 war seinerzeit eine kleine Revolution. Der Drehmechanismus (übrigens um 360 Grad, nicht, wie hier, nur 180), das invertierte Display, das Metallgehäuse - all dies machte aus dem V70 ein Kultgerät für Motorola-Jünger. Damals waren so Sachen wie Farbdisplays, BT oder Poly-Ruftöne auch noch nicht ganz so selbstverständlich wie heute.
Das V80 hingegen ist eine bekannte Software plus bekannte Features plus bekannte Ausstattung plus ein mäßig interessantes Design plus ein nicht so ganz optimal umgesetzter Öffnungsmechanismus plus diese wirklich grausigen Rythm Lights. In der Summe macht dies sicher kein schlechtes Gerät - von dem "Aha" oder gar "Oooh" - Effekt eines V70 ist das Ganze allerdings weit - zu weit entfernt...