Hallo,
ich fühle mich durch die vielen populistischen Aussagen hier im thread "genötigt" Sebastian mal an die Seite zu treten.
ZitatOriginal geschrieben von Printus
Grund 1: Offenbar hat der Herr Kaplan keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Er ist weder politisch noch religiös verfolgt und deswegen kein Asylbewerber - also wird er in sein Herkunftsland abgeschoben.
Falsch. Herr Kaplan hat einen sog. Duldungsstatus. Das ist die juristisch "unterstste Stufe" einer Aufenthaltserlaubnis. Daher darf er nicht abgeschoben werden.
ZitatOriginal geschrieben von Printus
Grund 2: Der Herr Kaplan hat ein Attentat auf die türkische Staatsführung geplant, deswegen ist er in der Türkei auf der Fahnungsliste und die Türken haben einen Ausliegferungsantrag gestellt.
Ist über diesen Auslieferungsantrag in letzter Instanz entschieden?
ZitatOriginal geschrieben von Printus
Grund 3: Der Herr Kaplan kennt unsere demokratische Grundordnung nicht an und arbeitet mit seinem Kalifatsstaat gegen die hiesige Demokratie, gründet eine verfassungswidrige extremistische Vereinigung. Das macht ihn zu einer in diesem Land unerwünschten Person.
Unerwünscht, aber rechtlich geduldet (s.o.).
ZitatOriginal geschrieben von Printus
Grund 4: Der Herr Kaplan hat zwar seine Gefängnisstrafe verbüßt, aber er ist ja kein einfacher Falschparker sondern hat zum Mord angestiftet. Als straffällig gewordener Ausländer, noch dazu wegen eines so schweren Vergehens, muß er ausgewiesen werden.
Nein! Solange nicht letztinstanzlich über seine Abschiebung entschieden ist, muß und darf er nicht ausgewiesen werden.
Nun noch zwei Anmerkungen, die man IMHO nicht aus den Augen verlieren sollte:
- Der direkt nach der Urteilsverkündung ergangene Haftbefehl des AG Köln, der von der Ausländerbehörde beantragt wurde, mit den Ziel M. Kaplan in Abschiebehaft zu nehmen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das OVG hatte ausdrücklich die Revision gegen ihr Urteil zugelassen, somit war ein Rechtsgrund für einen derartigen Haftbefehl eigentlich von vorn herein nicht gegeben. Es war (zumindest mir) klar, dass dieser Haftbefehl umgehend von einer höheren Instanz (Verwaltungsgericht) kassiert wird.
Das ganze aktuelle Dilemma ist letztendlich nur durch diese ungeschickte Vorgehensweise der Ausländerbehörde entstanden. M. Kaplan darf sich, wenn er sich zu gewissen Zeiten bei der Polizei meldet, in Köln aufhalten wo er will. Er muß auch nicht in seiner Wohnung auf die Polizei warten, die ihn aufgrund eines (offensichtlich unrechtmäßigen) Haftbefehls festnehmen will. Selbst wenn er zu Hause gewesen wäre, wäre er längst wieder aus dieser Abschiebehaft entlassen worden.
- Ein weiteres Problem ist nach wie vor die (zumindest angezweifelte) Rechtsstaatlichkeit der Türkei. Die Oposition bspw. wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass die Türkei in die EU aufgenommen werden soll. Aber bei der Abschiebung von Herrn Kaplan wird dies offensichtlich wieder ganz schnell vergessen. Da wird plötzlich kein Zweifel mehr daran gehegt, dass M. Kaplan einen rechtsstaatlichen Prozess bekommt. Das passt einfach nicht zusammen. Mir als Richter wäre da auch nicht wohl in meiner Haut, wenn sich die große Politik noch nicht mal einig ist über die Beitrittsfähigkeit der Türkei zur EU aufgrund Menschenrechtsverletzungen, und dann soll man einen Menschen dahin abschieben.
Gruß
muli