Japaner werden nummeriert
Genau elf Ziffern hat der Code, unter dem ab sofort die Daten jedes Japaners abrufbar sein sollen. Die Regierung hat "Juki Net" gestartet, ein Computer-Netzwerk, mit dem jeder Bürger zentral registriert wird und überall identifiziert werden kann.
Das Projekt geht allerdings sogar dem fernöstlichen Volk, das ansonsten nicht für seine revolutionäre Gesinnung bekannt ist, zu weit. Interessenverbände wurden gegründet, ganze Gemeinden sperren sich gegen die Pläne. Ministerpräsident Junichiro Koizumi fand bereits einen mit Schrotkugeln gefüllten Drohbrief auf seinem Schreibtisch. Der Absender war ein radikaler Nummerncode-Gegner.
"Bei der BSE-Krise wurden unsere Kühe mit zehnstelligen Nummern versehen", hieß es kürzlich in der Erklärung eines Interessenverbands gegen die Registrierung. "Für die Beobachtung der Menschen hängen sie nun einfach eine Ziffer an." Unter der Seriennummer sollen künftig Name, Geburtsdatum, Geschlecht und Adresse jedes Benutzers auf einem zentralen Rechner abgelegt werden. Bisher waren die Daten separat gespeichert und nur den jeweiligen lokalen Behörden zugänglich.
Für zehn Euro kann jeder Japaner eine Chip-Karte mit seinen Daten erhalten. Diese soll er künftig beim Arzt, in der Stadtbücherei oder in der Straßenbahn benutzen können. Der Staat könnte theoretisch bequem Aufenthaltsort und Konsumverhalten der Japaner nachvollziehen. Die Regierung in Tokio verfolgt mit dem System nach eigenen Angaben aber ein anderes Ziel. Sie will vor allem die Effizienz der Verwaltung erhöhen. Die öffentliche Hand könne mit dem System jährlich rund 100 Millionen Euro sparen, glauben die Initiatoren.
Meinungsumfragen zufolge aber sind 80 Prozent der Japaner gegen das "Juki Net". Auch in Yamatsuri, einer kleinen Küstenstadt im Norden von Tokio, sperren sich die Menschen gegen die Pläne: Die rund 7300 Einwohner des Ortes erklärten, aus Datenschutzgründen nicht an dem Projekt teilnehmen zu wollen.
Die Stadtverwaltung erhielt daraufhin knapp 200 E-Mails von Menschen, die gerne nach Yamatsuri ziehen würden. Hunderte weitere elektronische Briefe ermunterten die Stadt bei ihrem Protest. Mittlerweile hat sich sogar der Bürgermeister von Tokio gegen das System ausgesprochen.
Alles in allem scheint es jedoch unwahrscheinlich, dass den Bedenkenträgern noch Erfolg beschieden sein wird. Immerhin hat die Regierung bereits über 300 Millionen Euro in das Projekt investiert.
Ministerpräsident Koizumi zumindest denkt nicht an einen Stopp des seit Jahren vorbereiteten Projekts. Für die Proteste einzelner Gemeinden hat er nur Kopfschütteln übrig. Die Menschen müssten sich nun einmal damit abfinden, dass sich die Welt im Zeitalter des Internet-Handels und der Informationstechnologie befindet, beschied der Regierungschef seinen Kritikern vor kurzem.
Quelle: RTL