Rechtsnachfolger Deutsches Reich

  • Ohne überhaupt inhaltlich auf die Diskussion dieser verqueren Wirrköpfe einzugehen frage ich mich wirklich ob es für diese Herrschaften keine anderen Probleme in Deutschland zu lösen gibt als eine dogmatisch sauber begründete Rechtsnachfolgeregelung des Deutschen Reiches. -


    An der Rechtmässigkeit der derzeitigen Bundesrepublik gibt es aber auch überhaupt gar keine begründeten Zweifel. -


    Dass die Diskussion niemand ernst nehmen kann zeigt schon die Anzahl der verschiedenen (selbsternannten!) Reichsminister. Und harmlos finde ich solche Diskussionen schon mal gar nicht. Ich hab den eben zitierten Link mal vorsichtshalber wieder rausgenommen, ich will solchen Rattenfängern nicht auch noch die Werbetrommel rühren. Jedenfalls tummeln sich im Netz zuhauf Seiten in denen ebengenannte Diskussion sehr schnell zu demagogischen Schlußfolgerungen geführt wird. Sehr bedenklich das ganze.



    Ich finde wir sollten uns hier an diesem Nonsens insgesamt nicht beteiligen und das Thema ruhen lassen.



    gruß,
    altobelli

  • Als Kuriosium ist diese Geschichte aber durchaus interessant. ;)
    Das sind ein paar Querköpfe, die mit rechtsradikalem Gedankengut wohl eher wenig am Hut haben.


    Soweit ich diese Geschichte früher verfolgt habe, beruht es darauf, daß die amerikanische Administration mal einen (West-)Berliner Reichsbahnbeamten zum Reichskanzler ernannt hat.
    Ob das stimmt und ob dieser Akt überhaupt in irgendeiner Weise rechtskräftig ist, weiß ich nicht.


    Da ich in Berlin(West) (offizielle Schreibweise, nicht etwa Westberlin ;) ) aufgewachsen bin, überrascht mich nicht mehr soviel. Der Status von Berlin war eine extrem komplizierte Angelegenheit.
    Ihr stellt hier die Frage nach dem Freistaat Bayern. Mit der Frage, ob das Land Berlin vor 1990 zur BRD gehörte, kann man wahrscheinlich mehrere Bücher füllen. Soweit ich weiss, haben sowohl das Grundgesetz als auch die Berliner Verfassung diese Frage bejaht. Die Einschränkungen in Theorie und Praxis waren aber erheblich. Am deutlichsten zeigte sich dies bei den Bundestagswahlen. Die Berliner durften an diesen nicht teilnehmen. Stattdessen hat das Abgeordnetenhaus die Berliner Bundestagsabgeordneten bestimmt, die im Bundestag kein Stimmrecht besaßen. Im Gegenzug waren die beschlossenen Gesetze des Bundes nicht automatisch in Berlin gültig, sondern das Abgeordnetenhaus hat diese grundsätzlich noch einmal bestätigen müssen. Als Anfang 1989 eine rot-grüne Koalition zustande kam, war eine der Hauptklauseln, die die "Alternative Liste" akzeptieren musste, daß sie allen Gesetzen, die in Bonn gemacht wurden, bedingungslos zustimmt, egal was für ein Quatsch da ihrer Meinung nach drin stehen mag, damit die Rechtseinheit mit dem restlichen Bundesgebiet gewahrt bleibt. Zugrunde lag aber immer noch das alliierte Besatzungsrecht. Im Schöneberger Rathaus hatten neben dem Büro des Regierenden Bürgermeisters die alliierten Verbindungsoffiziere ihre Räume.
    Ich hatte schon mal damals bei HK die Frage gestellt, ob die Geschichte stimmt, daß nach dem weiterhin gültigen Besatzungsrecht das Nichtmitführen des Personalausweises mit der Todesstrafe bedroht war. Leider konnte ich das bis heute nicht verifizieren. Ich habe aber vorhin einen Text gefunden, der in eine ähnliche Richtung geht.

    Zitat

    Erstmals geriet das seit Kriegsende in West-Berlin geltende und bislang als »heilige Kuh« behandelte Besatzungsrecht in die öffentliche Diskussion. Bürger beschwerten sich über Straßenkampfübungen in Kreuzberg und Wedding sowie über die Freisprechung britischer Soldaten, die eine Westberlinerin vergewaltigt hatten. Bürgerinitiativen entstanden. Die Alternative Liste forderte im Abgeordnetenhaus 1984/85 »den Verzicht der Westalliierten auf die Ausübung ihrer innenpolitischen Rechte«, weil sie in krassem Widerspruch zur offiziell deklarierten Gültigkeit des Grundgesetzes der BRD standen. Der Antrag wurde von den etablierten Rathaus-Parteien niedergestimmt. Dennoch sah sich der Regierende Bürgermeister Diepgen bemüßigt, bei seinen Antrittsbesuchen in den drei westlichen Hauptstädten im Frühjahr 1984 eine »Entrümpelung« des Besatzungsrechts zu ersuchen. Nach Expertenschätzung gab es noch rund 4 000 geltende alliierte Gesetze, Verordnungen und Befehle, die längst obsolet waren. Diepgen selbst nannte »die Androhung der Todesstrafe für den Besitz eines langen Küchenmessers« laut alliierter Gesetzgebung antiquiert.


    Quelle


    Ich hoffe ich habe hier nicht zu weit ausgeholt, aber ich wollte deutlich machen, welche Rolle die Besatzungsmächte immer noch spielten und wie heikel Statusfragen waren. Es kann deshalb durchaus sein, daß sich die amerikanische Regierung einmal zur Ernennung eines Reichskanzlers hinreißen ließ. Eine wirkliche Bedeutung hatte dies aber nie. Daß er sich auch nach der Wiedervereinigung an diesen Posten klammert und mit seinen Konsorten sogar Ausweise ausgibt, ist allerdings unschön.
    Ich frage mich gerade, was passieren würde, wenn es im deutsch-amerikanischen Verhältnis mal zu einer wirklich brandgefährlichen Krise kommen sollte. (Das Geplänkel Schröder-Bush zählt hier nicht.) Vielleicht würden dann einige Leute im State Department noch auf die Idee kommen, daß die BRD letztlich doch nicht die volle Souveränität besitzt. Daß sie dann aber auf die Pappkameraden von der "Reichsregierung" zurückgreifen ist eher unwahrscheinlich. :D
    Grüße,
    Lanturlu

    Die Revolution (der mobilen Datenkommunikation) frisst ihre Kinder.
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    Mein MMS-Server ist offline.

  • Ob das nun "gute" oder "schlechte" Querköpfe sind, sei mal dahingestellt. Viele der Anhänger, die nicht Präsident sind oder sonst ein Amt in ihrem Reich innehaben, machen schon einen leicht BRD-feindlichen Eindruck. Und das wohl auch nicht ohne Grund, denn mit einer derartigen Argumentation versuchen manche Personen der Strafverfolgung durch die Justiz der BRD zu entgehen. So nach dem Moto, was wollen die von mir, ich lass mich vielleicht durch das Reich bestrafen aber nicht durch die BRD.


    Weiter lehnen es manche ab, Steueren zu zahlen. Das führt zu Problemen bei den übergeordneten Finanzbehörden. Wer Mitarbeiter bei einer Oberfinanzdirektion kennt, kann ja mal nachfragen. Die können hierzu Geschichten erzählen....


    Zappi

    Mitglied Nr. 06 des S///-Rennfahrer-Clubs

  • Teilweise OT aber es fällt mir gerade beim Lesen des Threads auf:


    Mir wurde in der Schule Ende der 80er immer beigebracht, dass man die Abkürzung "BRD" nicht benutzen sollte, da das "DDR-Jargon" ist.
    AFAIK hat die Abkürung "BRD" auch keine offiziellen Charakter und wurde meistens wirklich auch von den DDR-Medien etc. zur Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland benutzt.

  • Es wurde im DDR-Medien-Jargon das Wort "Deutschland" nicht in Verbindung mit Westdeutschland gebraucht, sondern eben BRD oder auch mal Bundesrepublik um explizit auszudrücken, daß "BRD" nicht gleichzusetzen ist mit "Deutschland", denn Deutschland ist ja nur Gesamtdeutschland, oder eventuell auch nur die DDR ;)


    Nichtsdestotrotz ist BRD eine heute weitgehend unbelegte Abkürzung für Bundesrepublik Deutschland. Wobei ja z.B. bei Fussballspielen immer die internationale Abkürzung "GER" verwendet wird...

  • Zitat

    Original geschrieben von andi2511
    Wobei ja z.B. bei Fussballspielen immer die internationale Abkürzung "GER" verwendet wird...


    Interessant ist, dass vor 1990 im Sport ja oft "FRG" (Federal Republic of Germany) und "GDR" (German Democratic Republic) verwendet wurde. Eigentlich hätte man das "FRG" beibehalten können, aber man ist komplett auf "GER" übergegangen.

  • Man kann darüber denken was man will ... die Verfassung des deutschen Reiches wurde mit Ende des 2. Weltkrieges seitens der Aliierten Streitkräfte auf EIs gelegt. Somit wurden die einzelnen Staatsteile von den kommissarischen Exekutiven und Judikativen "verwaltet".


    Nun kommt der Knackpunkt: Durch die Wiedervereinigung wurde Deutschland von seinen "Besetzern" wieder freigegeben und dementsprechende Verträge wurden gelöst/geschlossen.


    Die Fragen aller Fragen sind nun:


    Tritt durch die Widervereinigung die Verfassung des Deutschen Reiches wieder in Kraft ?


    Ist das das Grundgesetz mit einer Verfassung gleichzusetzen ? Ist es auch in juristischem Sinne eine Verfassung ?



    War die nachfolgende Verkündung und die Abstimmung zum Grundgesetz rechtlich einwandfrei ? Waren die Abstimmenden berechtigt dazu ?


    So, das war meine Interpretation des oben genannten Seiten und die politische Grundlage der dort geführten Diskussionen ... :rolleyes:

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  • Zitat

    Original geschrieben von jochar
    Nun kommt der Knackpunkt: Durch die Wiedervereinigung wurde Deutschland von seinen "Besetzern" wieder freigegeben und dementsprechende Verträge wurden gelöst/geschlossen.


    Deutschland hatte schon vor der Wiedervereinigung seine Souveränität wieder, auch wenn der Besatzungsstatus de fakto noch nicht aufgehoben war und in Hinblick auf Berlin Sonderregelungen galten.


    Das Grundgesetz wurde vom Parlamentarischen Rat mehrmals den Besatzungsmächten vorgelegt und nachgebessert. Die Ausarbeitung des GG wurde von den Besatzungsmächten initiiert und abschließend genehmigt, es wurden also die hoheitlichen Aufgaben der Besatzer bis auf Ausnahmen an die neugegründete Bundesrepublik Deutschland übergeben.


    Zitat

    Die Fragen aller Fragen sind nun:


    Tritt durch die Widervereinigung die Verfassung des Deutschen Reiches wieder in Kraft ?


    Warum sollte sie wieder in Kraft treten? 1990 wurde kein neuer Staat gegründet, es entstand zu keiner Zeit ein rechtliches Vakuum, sondern die DDR beschloß, in den Geltungsbereich des GG eingegliedert zu werden. Insofern galt das GG in der BRD durchgehend, in der DDR ab dem 3.10.90


    Übrigens ist dieser Vorgang nicht einmalig, bereits das Saarland wurde über Artikel 23 des GG in die Bundesrepublik aufgenommen.


    Die Wiedervereinigung war übrigens auch mehr als nur eine Angliederung nach Art. 23 GG, es war vielmehr eine Vermischung von Art. 23 und 146, aber eine sinnvolle Erläuterung kann ich hier nicht geben, da meine Hausarbeit hierüber nicht hier ist ;)


    Zitat

    Ist das das Grundgesetz mit einer Verfassung gleichzusetzen ? Ist es auch in juristischem Sinne eine Verfassung ?


    Schwere Frage. Das GG wurde ja 1949 bewusst als Provisorium eingeführt, mit der Wiedervereinigung allerdings bestätigt und dürfte heute in beiderlei Hinsicht Bestand haben.
    Es gibt übrigens auch Staaten ohne geschriebene Verfassung, das ist also keine zwingende Voraussetzung für die faktische Existenz eines Staates.



    Zitat

    War die nachfolgende Verkündung und die Abstimmung zum Grundgesetz rechtlich einwandfrei ? Waren die Abstimmenden berechtigt dazu ?


    IMHO ja, da durch die Besatzungsmächte eingesetzt und diese hatten ja nach Kriegs- und Völkrerrecht die hoheitlichen Aufgaben zu übernehmen.


    Oder was meinst du? ;)


  • Das ist schon richtig, aber das von Dir zitierte Provisorium hatte eine Gültigkeit für die Zeit der Besetzung des Deutschen Reiches durch die Aliierten. Streng genommen kann man das Ganze nun natürlich auch so auselegen, dass durch ein Erlöschen der Besetzung und einen Rückzug der Aliierten die Verfassung des Deutschen Reiches wieder in Kraft tritt ... oder wie siehst Du das ??? ;)

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  • Zitat

    Original geschrieben von jochar
    Das ist schon richtig, aber das von Dir zitierte Provisorium hatte eine Gültigkeit für die Zeit der Besetzung des Deutschen Reiches durch die Aliierten. Streng genommen kann man das Ganze nun natürlich auch so auselegen, dass durch ein Erlöschen der Besetzung und einen Rückzug der Aliierten die Verfassung des Deutschen Reiches wieder in Kraft tritt ... oder wie siehst Du das ??? ;)


    anders ;)


    Denn: die Besatzung hat die Existenz des Deutschen Reiches meiner Meinung nach nicht unterbrochen sondern beendet, da die Besatzung im Rahmen ihrer hoheitlichen Kompetenz die Ausarbeitung des GG als Grundlage einer neuzugründenden Bundesrepublik Deutschland dem Parlamentarischen Rat in Auftrag gab. Dieser Auftrag wurde mit In-Kraft-Treten des GG im Mai 1949 beendet und eine Rechtsnachfolge sowohl des DR als auch der Besatzungsregierung gefunden.


    Ähnliches ja im Irak gerade: im Moment kontrolliert der Besatzer die Regierung. Nach Ausarbeitung einer Verfassung und anschliessender Installierung einer Regierung wird früher oder später der Irak souverän - deiner Argumentation zur Folge würde in diesem Augenblick wieder die Verfassung zu Zeiten Husseins in Kraft treten, oder? Dieser Argumentation zur Folge gäbe es ja auch nie die Möglichkeiten, zu Zeiten eines Vakuums wie z.B. nach einem Krieg oder dem Zusammenbruch eines Staats, rechtlich einwandfrei einen neuen Staat zu gründen ohne dass der alte weiter existiert, oder verstehe ich das falsch?


    Aber es ist natürlich verdammt kompliziert und gar nicht so eindeutig, denn ansonsten hätte das BundesVergG ja kaum diese (für mich nicht nachvollziehbare) Entscheidung getroffen...

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